Norderstedt . Innenminister Grote übergibt Förderbescheid an Norderstedter Willkommen Team – Stadt kündigt Wohnungsbau für Flüchtlinge an.
Die Integration der in Norderstedt lebenden Flüchtlinge in die Zivilgesellschaft ist an einer entscheidenden Stelle angekommen, sagt Ilka Bandelow. „Die Leute wollen weg von der Betreuung und hin zu einem Leben auf den eigenen Beinen.“ Die Vorsitzende der etwa 200 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer vom Willkommen Team Norderstedt weiß, was dazu unabdingbar ist: Die eigenen vier Wände, ein Job und soziale Kontakte – nicht nur zu Helfern und anderen Flüchtlingen, sondern zu deutschen Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen.
Deutsch-Kursus und Job – das läuft mittlerweile ganz gut in Norderstedt. Eine eigene Wohnung und deutsche Freunde zu finden sind hingegen die beiden großen Probleme bei der Integration. Doch in Norderstedt gibt es Lösungsansätze für beide Bereiche.
Am Donnerstag kam Innenminister Hans-Joachim Grote in der Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Gemeinschaftsschule an der Straße Fadens Tannen vorbei. Er hatte einen Scheck über die stattliche Summe von 27.000 Euro dabei, den er Ilka Bandelow übergab.
Grotes Ministerium hat zum 1. Januar ein auf drei Jahre angelegtes Förderprogramm für Integration, Teilhabe und Zusammenhalt aufgelegt. Mit etwa 3,5 Millionen Euro in 2019 werden in ganz Schleswig-Holstein Integrationsstrukturen und -projekte unterstützt. „Als ich hörte, dass das Willkommen Team Geld bekommt, wollte ich das natürlich persönlich vorbei bringen“, sagte Grote. Er kann sich als ehemaliger Oberbürgermeister Norderstedts gut daran erinnern, wie die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingskrise 2015 und danach mit ihrem beispielhaften Engagement der Stadt viel Arbeit bei der Bewältigung der Aufgaben abnahmen.
„Wie Hauptamt, also Anette Reinders als Sozialdezernentin, und das Willkommen Team damals und bis heute funktionieren – das ist schon vorbildlich für das ganze Land Schleswig-Holstein“, sagte Grote. „In anderen Städten und Gemeinden des Landes wird viel über die Angst vor Flüchtlingskriminalität diskutiert – ein gefährliches Spiel. In Norderstedt ist davon nichts zu hören, hier lief der Integrationsprozess von Anfang an sehr gut.“
Flüchtlinge suchen deutsche Freunde und eine Wohnung
Grote ist überzeugt, dass Integration nicht verordnet werden könne, sondern mit Herz gelebt werden müsse. Mit den 27.000 Euro wollen Ilka Bandelow und das Willkommen Team hier ansetzen. Maike Thomssen, die von der Stadt bezahlte Koordinatorin des Teams, umschreibt das so: „Wir wollen weg von der Helferbeziehung hin zu Freundschaften und Beziehungen auf Augenhöhe zwischen Flüchtlingen und Deutschen.“
Dass dies nicht ganz konfliktfrei gehe, sei nicht nur klar, sondern auch erwünscht. „Im Konflikt kann man Gegensätze diskutieren. Aber man kommt weg vom ,Die sind so!’ und hin zum ,Ich höre dir zu und schau dich an!’“, sagte Thomssen. Konkret will das Team Hobby-Patenschaften zwischen Deutschen und Flüchtlingen fördern, das gemeinsame Erleben von Kultur, Geselligkeit und Hobby ermöglichen. „Außerdem wollen wir mehr Seminare zur Wertebildung anbieten“, sagt Ilka Bandelow. „Die Flüchtlinge wollen gerne unsere Werte, Regeln und Konventionen besser kennenlernen.“
Was sich viele allerdings noch dringlicher wünschen, ist eine eigene Wohnung. Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum ist für Flüchtlinge nahezu aussichtslos in der Stadt. Katrin Fasel, die von der Stadt eigens dafür eingesetzt wurde, Flüchtlinge, aber auch andere Obdachlose und Bedürftige in Wohnungen zu vermitteln, spricht von einer angespannten Lage. „Derzeit ist es sehr schwierig. Es gibt zu wenige Vermieter, die mitmachen und Flüchtlingen eine Chance geben.“
Erschwert wird die Lage derzeit dadurch, dass Mietverträge auslaufen, die von der Stadt für Flüchtlinge unterschrieben wurden. „Außerdem haben wir in den Unterkünften Menschen, die seit Jahren mit fremden Zimmerkollegen zusammenleben. Die sollen eine eigene Bleibe bekommen“, sagte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder beim Termin mit Minister Grote.
Über 40 neue Wohnungen in zwei Häusern der Stadt
Etwa 300 Flüchtlinge müssten auf Sicht anderweitig untergebracht werden. Und deswegen will die Stadt wieder als Bauherr auftreten. In Norderstedt sollen zwei Gebäude nach dem Vorbild des Hauses an der Segeberger Chaussee 233 entstehen. Dort leben etwa 60 Personen in 21 geförderten Wohnungen. Gebaut wurde das Haus von der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO). „Wir haben dort mit Priorität Flüchtlingsfamilien untergebracht“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders. „Das Zusammenleben funktioniert ganz ohne Betreuung durch die Stadt sehr gut.“
Wo die Häuser stehen werden, steht noch nicht fest. Der Planungsprozess steht ganz am Anfang. „Der Bau von Wohnungen für Flüchtlinge, um ihnen ein Zuhause zu geben, ist eine gute Investition in die Zukunft“, sagte Roeder. Denn wenn Flüchtlinge lieber irgendwo in der Gegend herum stehen, statt in ihre Unterkunft zu gehen, weil sie Zoff mit dem Zimmernachbar haben, dann fehle ihnen das Gefühl, ein Zuhause zu haben.