Norderstedt. Pilotversuch: Die Stadt Norderstedt hat an der Straße Scharpenmoor Gummi-Asphalt eingebaut. Er soll für mehr Ruhe sorgen.

Drei bis fünf Dezibel sind für sich allein betrachtet im Lärmaufkommen völlig unerheblich. Ein raschelnder Baum entspricht etwa einer Lärmkulisse von zehn Dezibel. Doch im Lärmempfinden des Menschen spielen drei, fünf oder zehn Dezibel eine große Rolle. Ein Auto, das vorbei fährt, misst etwa 70 Dezibel – so laut wie ein Rasenmäher. Zehn Autos in der Vorbeifahrt sorgen hingegen für 80 Dezibel – das entspricht der Lärmkulisse einer viel befahrenen Autobahn. Laut Verkehrs- und Lärmexperten verdoppelt sich die wahrgenommene Lautstärke pro zehn Dezibel.

Es lohnt sich also im Sinne der Lärm geplagten Menschen, wenn man in der Stadtentwicklung um jedes Dezibel weniger Lärm kämpft. „Wir sehen den Pilotversuch am Scharpenmoor deswegen als ein Mosaiksteinchen in der Lärmminderungsplanung der Stadt“, sagt Bernd-Olaf Struppek, Sprecher der Stadtverwaltung.

Zäh, aber elastisch: Gummimehl verbessert Eigenschaften des Asphalts.
Zäh, aber elastisch: Gummimehl verbessert Eigenschaften des Asphalts. © Andreas Burgmayer | Andreas Burgmayer

Das Scharpenmoor ist keine besonders laute Straße – im Gegenteil. Sie ist ruhig und grün, führt im Rücken der Sportanlage des 1. SC Norderstedt an Einfamilienhäusern und Bäumen durch Garstedt. Für den Pilotversuch zur erstmaligen Verlegung von Lärm minderndem Gummi-Asphalt qualifizierte sich die Straße eher durch ihre Abgelegenheit. Ein paar Dezibel mehr oder weniger Lärm sollten hier mehr auffallen als an der dramatisch überlasteten Ohechaussee.

Auf 570 Metern Scharpenmoor, zwischen der Ochsenzoller Straße und der Schillerstraße, rückten am Montag die Straßenbauarbeiter an und bauten den Gummi-Asphalt ein. Beim herkömmlichen Asphalt werden ja einfach nur Gesteinskörnungen und Bitumen zu einem schwarzen Brei verkocht. Bei der gummimodifizierten Variante werden pro Tonne Asphalt zusätzlich sechs bis sieben Kilogramm Gummimehl, außerdem Öl und Wachs verarbeitet.

Selbstversuch: Glatt, leise und es federt gar nicht!

Am Donnerstag ist die Scharpenmoor-Fahrbahn fertig gummiert und befahrbar. Der unrepräsentative Testlauf mit dem Abendblatt-Smart ergibt das subjektive Fazit: schön schwarz, schön glatt und gefühlt irgendwie leiser – wären da nicht diese Reste von Rollsplitt. Und: Die Gummi-Fahrbahn federt überhaupt nicht. Kinder, die auf Trampolin-Effekte vor der Haustür gehofft hatten, müssen enttäuscht werden.

„Der Gummi-Asphalt soll Fahrgeräusche um etwa drei bis fünf Dezibel leiser machen“, sagt Bernd-Olaf Struppek. Die Stadt will am Scharpenmoor testen, ob das wirklich wahrnehmbar ist. Die Anwohner der Straße sollen in den nächsten Wochen und Monaten gut hinhören. Die Stadt will sie dann zu ihren Erfahrungen befragen.

Eine ruhige Nebenstraße ist das Scharpenmoor im Rücken der Sportanlage des 1. SC Norderstedt in Garstedt – laut der Stadt perfekt für den Pilotversuch mit Gummi-Asphalt.
Eine ruhige Nebenstraße ist das Scharpenmoor im Rücken der Sportanlage des 1. SC Norderstedt in Garstedt – laut der Stadt perfekt für den Pilotversuch mit Gummi-Asphalt. © Google Earth | Google Earth

Die Straßenbauer interessieren hingegen die anderen Eigenschaften, die dem Gummi-Asphalt nachgesagt werden. Das Zeug soll angeblich den Reifen eine bessere Griffigkeit bieten, außerdem noch länger halten und strapazierfähiger sein als Asphalt ohne Gummi. Der wird an heißen Sommertagen zu weich und an kalten Wintertagen sehr spröde. Gummi-Asphalt bliebe an heißen Sommertagen noch fest und bei strengem Frost immer elastisch – das ist gut gegen die Bildung von Schlaglöchern. „Kommunen in Niedersachsen haben mit dem Asphalt positive Erfahrungen gemacht, andere Kommunen haben sich gegen den Einsatz des Materials entschieden“, sagt Struppek. „Wir wollen die Erfahrungen am Scharpenmoor auswerten und dann entscheiden, ob der Asphalt flächendeckend in Norderstedt zum Einsatz kommen soll.“

In den USA wird bereits seit den 60er-Jahren Gummi-Asphalt verlegt – mit Recycling-Gummi aus Altreifen. Der modifizierte Asphalt könnte nämlich auch ein groß angelegtes Entsorgungsprogramm für abgefahrene Autoreifen sein, die sich auf der ganzen Welt zu Millionen auf Deponien anhäufen und bislang in der großen Masse in Zementwerken „energetisch verwertet“, also verbrannt werden. 650.000 Tonnen Altreifen fallen in Deutschland jedes Jahr an. Trotz seiner angeblichen Vorteile führt der Gummi-Asphalt in Deutschland aber ein Nischendasein. Nur wenige Prozent der jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen Bitumen, die im Straßenbau verwendet werden, sind mit Recycling-Gummi modifiziert.