Kiel/Bad Segeberg. Der Handwerker soll zwei Discobesucher mit einem Messer schwer verletzt haben: Der Angeklagte beruft sich auf eine Erinnerungslücke.

Die ihm vorgeworfene Messerattacke auf dem Parkplatz der Segeberger Diskothek „Que Danceclub“ bestreitet der Angeklagte nicht, er beruft sich jedoch auf eine Erinnerungslücke. Vor dem Kieler Landgericht muss sich zurzeit ein Handwerker (30) wegen zweifachen versuchten Mordes verantworten. Laut Anklage verletzte er in der Nacht zum 15. April 2018 zwei Discobesucher heimtückisch in Tötungsabsicht mit bis zu 16 Zentimeter langen Schnitten in den Hals.

Sie würden beide sterben, soll der große kräftige Mann den stark blutenden Opfern zugerufen haben, als sie gegen 2.15 Uhr schwer verletzt in eine Seitenstraße flüchteten. Der mutmaßliche Täter ist in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Er ist massiv drogenabhängig, berichtet von Verfolgungswahn, will Stimmen gehört haben. Das jüngere Opfer (21) nimmt als Nebenkläger am Prozess teil. Der Segeberger hatte am Abend mit Freunden gegrillt und Alkohol getrunken. Später spazierte seine Clique in lockerer Formation durch die Innenstadt – Ziel: die Diskothek.

Der Angeklagte bekam Abfuhr von Türstehern

Am Eingang des ehemaligen Antikschuppens am Alten Bahnhof soll der betrunkene Angeklagte eine Abfuhr von den Türstehern bekommen haben, als er laut vor sich hin schimpfend auf dem Parkplatz auf das erste Opfer traf. Auch der 29-Jährige war stark alkoholisiert.

An den Vorfall könne er sich eigentlich nicht mehr erinnern, sagte der arbeitslose Kieler. „Vielleicht zum Glück.“ Er habe damals viel Blut verloren und sei bewusstlos zusammengebrochen. Erst nach der Notoperation im Krankenhaus sei er zu sich gekommen. Bei der Frage nach den körperlichen Folgen greift sich der Zeuge reflexartig an den Hals. Seinen Kopf könne er nicht mehr wie früher nach rechts drehen, sagt er. Die linke Gesichtshälfte sei bis heute taub, fühle sich „total fremd an“.

Der 29-Jährige wirkt bedrückt. Immer noch habe er Schlafprobleme. „Eine Schwester auf der Intensivstation sagte mir, dass es knapp war.“ Sein jüngerer Leidensgenosse hat klarere Erinnerungen an den Tatablauf: Der 21-Jährige stand demnach bereits am Eingang der Disco, als er seinen Kumpel mit dem Angeklagten auf dem Parkplatz entdeckte. „Es sah so aus, als ob sie sich da prügelten.“ Als er den Tatort erreichte, lag der Ältere bereits am Boden. Lautstark habe er den Angeklagten zur Rede gestellt.

Dieser habe dann seinem Kumpel mit dem Fuß wuchtig auf den Kopf getreten. „Wenn du mich anfasst, stirbst du!“, habe er ihm zugerufen. Trotzdem will der 21-Jährige den Angeklagten an der Schulter gepackt und von dem Schwerverletzten weggezogen haben. „Da ist er mir dann gleich an den Hals gegangen.“ Später entdeckte der Zeuge den Täter auf Facebook, identifizierte ihn auf Polizeifotos. Auch im Gerichtssaal erkenne er ihn wieder.

Ein wichtiger Zeuge arbeitet zurzeit in England

Am Prozess nimmt auch eine Fachärztin für Psychiatrie teil. Die Sachverständige soll die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit beurteilen. Er hatte reichlich Alkohol getrunken – angeblich eine ganze Flasche Rum. Erst Wochen zuvor war der in Heimen aufgewachsene Rendsburger zu seiner neuen Lebensgefährtin nach Bad Segeberg gezogen. Ihr zuliebe will der gelernte Zimmermann zwei Tage vor der Tat sämtliche Betäubungsmittel und Tabletten abgesetzt haben.

Doch während die Krankenpflegerin Nachtdienst hatte, trank der angeblich unter Entzugserscheinungen leidende Angeklagte in ihrer Wohnung mit einem alten Kumpel exzessiv Alkohol. Der Zechgenosse könnte als einziger über den Verlauf des Tatabends berichten, arbeitet jedoch derzeit in England. Die Gutachterin hält ihn für einen wichtigen Zeugen. Für den Prozess hat die Strafkammer drei weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte Mitte November verkündet werden.