Kiel/Pronstorf. Prozessauftakt vor der Jugendkammer. Blutiges Familiendrama wird nicht öffentlich verhandelt. Verteidigerin kündigt Geständnis an.

Weil er sich in seiner Familie ungeliebt fühlte, soll der 19-Jährige ausgerastet sein. Aus Wut, Hass und Eifersucht ging er mit einer Axt und einem Messer auf seine Eltern und den jüngeren Bruder los, so die Anklage. Die Staatsanwältin wirft dem Heranwachsenden versuchten Mord in drei Fällen vor. Die Mutter (50) und der Vater (52) wurden lebensgefährlich verletzt. Seit Dienstag verhandelt die Jugendstrafkammer des Kieler Landgerichts über den Fall.

Auslöser des blutigen Familiendramas vom 20. März soll ein Streit um die langsame Internetverbindung im Elternhaus im Ortsteil Reinsbek der Gemeinde Pronstorf gewesen sein. „Aus Ärger“ warf der große schlanke Angeklagte am späten Nachmittag einen Böller ins Zimmer des jüngeren Bruders. Er packte den 16-Jährigen an den Schultern, riss ihn zur Seite und schlug mit der Faust auf ihn ein, so der Vorwurf.

Anschließend bewaffnete sich der 19-Jährige in seinem Zimmer mit einem Messer, „um seinen Bruder aus Hass umzubringen, falls er noch einmal zu ihm kommen würde“, sagte Staatsanwältin Barbara Westermeyer. Gegen 18.30 Uhr kam der Vater nach Hause und stellte den älteren Sohn zur Rede. Er forderte ihn auf, die restlichen Böller in einem Eimer Wasser zu versenken.

Nun soll der Angeklagte eine Axt aus dem Schuppen geholt haben, um den Rest der Familie „aus niedrigen Beweggründen“ umzubringen. Er habe sich von seinen Eltern ungeliebt gefühlt, heißt es zum Tatmotiv. Gleichzeitig geht die Anklage von verminderter Schuldfähigkeit aus. Der Täter soll an einer schweren Persönlichkeitsstörung leiden. Für den 19-Jährigen kommt deshalb auch die Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie in Betracht. Ein vorläufiges Gutachten bescheinigt ihm schwere seelische Abartigkeit.

Zum Prozessauftakt macht der 19-Jährige einen präsenten Eindruck. Aufrecht und konzentriert sitzt der junge Mann mit dem blassen Gesicht neben seiner Verteidigerin Annika Kiep, die dem Gericht bereits ein Geständnis angekündigt hat. Nach Verlesung der Anklage befürworten alle Prozessbeteiligten den Ausschluss der Öffentlichkeit. Hier gehe es um die familiären Verhältnisse, begründet der Vorsitzende Stefan Becker den Beschluss der Kammer. Die öffentliche Erörterung des Geschehens und seiner Hintergründe könne die Aufarbeitung und die künftige Entwicklung des Angeklagten beeinträchtigen. Zudem könne sich dieser ohne Publikum freier äußern.

Seiner Mutter, die sich zur Tatzeit allein in der Küche aufhielt, spaltete der Angeklagte mit einem Axthieb das Gesicht, so der Vorwurf. Dem Vater, der ihr beistehen wollte, versetzte er einen tiefen Messerstich in die Brust. Trotzdem soll es dem 52-Jährigen mithilfe des jüngeren Sohnes gelungen sein, den Rasenden zu entwaffnen und in sein Zimmer einzuschließen. Dabei erlitt der Vater sechs weitere Stich- und Schnittverletzungen.

Mit Pfeil und Bogen bewaffnet flüchtete der 19-Jährige durch ein Fenster. Für die Fahndung setzte die Polizei 21 Streifenwagen, Spürhunde und einen Hubschrauber ein. Gegen 3 Uhr morgens stellte sich der Angeklagte in Hamburg auf der Davidwache.