Kreis Segeberg. Hinter jedem Oldtimer steckt eine interessante Geschichte. Abendblatt-Mitarbeiter Hans-Eckart Jaeger erzählt sie.

Wahre Liebe rostet nicht! Davon können Oldtimer-Fans ein Lied singen. Sie kaufen alte Autos – hegen und pflegen sie. Und stecken meistens viel Geld im Laufe der Jahre rein. Was macht ihren Reiz aus?

Ein Hochzeitsauto

„Ich bin ein Autoverrückter“, gesteht Hans-Werner Grote (64). Vor seinem Haus an der Ostpreußenstraße in Kisdorf parkt eine Jaguar-Limousine, Baujahr 1963. Der Oldtimer hat offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen.

Der Lack der Karosserie schimmert irgendwie rötlich, die Farbe könnte auch leicht bräunlich sein. „Putzen kann jeder“, sagt Grote. Die „Wahrheit“ sieht anders aus: Dieser Jaguar war das Hochzeitsauto, mit dem seine Tochter Anniki am 29. Juli 2016 nach ihrer Trauung zum Fotoshooting und zur Feier an den Bokeler See (Kreis Pinneberg) gefahren wurde. Vorne auf der Motorhaube verewigten das Brautpaar, die Familie und alle Hochzeitsgäste mit einem wasserfesten Lackstift ihre Namen. Sie sind immer noch gut zu erkennen. Niemals soll der Oldtimer neue Farbe bekommen.

„Mit diesem simplen Auto ohne Radio und anderen Extras habe ich nur positive Erfahrungen gemacht“, versichert Grote, der in einer Lagerhalle in Oering noch weitere Oldies stehen hat. Darunter einen blitzblanken Jaguar...

Hans-Werner Grote leitet einen Freundeskreis von Jaguar-Liebhabern, die sich regelmäßig zum Stammtisch und zu Ausfahrten treffen und sich über ihre Erfahrungen austauschen.

Ein echtes Urgestein

Wo immer auch Peter Mecklenburg (80) aus Wilstedt mit seinem schwarzlackierten und immer blitzblank polierten Mercedes Benz 170 V auftaucht – die Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Das war in diesem Jahr bei den Oldtimertreffen auf dem historischen Landgestüt Traventhal und im Stadtpark Norderstedt nicht anders.

Schweren Herzens bietet Peter Mecklenburg seinen Mercedes 170 V, Baujahr 1938, zum Verkauf an
Schweren Herzens bietet Peter Mecklenburg seinen Mercedes 170 V, Baujahr 1938, zum Verkauf an © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

Es gab keinen Besucher, der nicht begeistert war vom erstklassigen Zustand des 1,7 Liter-Vierzylinders, Baujahr 1938. Dieser Fahrzeugtyp ist der meistgebaute Mercedes-Benz-Pkw der Vorkriegszeit. Peter Mecklenburg hatte die Limousine und dazu einen Buick vor 15 Jahren von einer Frau in Henstedt-Ulzburg erworben. Die Autos standen jahrelang unbenutzt in ihrer Garage.

„Oft wurde ich schon gefragt, ob ich den Mercedes nicht verkaufen wolle“, sagt er, „aber das kam für mich und meine Frau nicht infrage.“ Doch nun die Wende: Der ehemalige Abschleppdienst-Unternehmer, der auch ein 67 Jahre altes Motorrad, Marke Horex, besitzt, hat sich entschlossen: „Ich verkaufe!“

Ein Fernsehstar

Es tut mir leid, aber wir können Ihnen nicht helfen“, sagte Barbara Matiaske. Die Mitarbeiterin am Pressedesk des Zweiten Deutschen Fernsehens in Mainz hat einen guten Draht zum Archiv, doch auch sie kommt nicht weiter.

Am 3. März 1993 soll bei der Aufzeichnung des TV-Knüllers „Der Große Preis“ mit Star-Moderator Hans-Joachim Kuhlenkampff ein Opel Olympia Rekord, Baujahr 1958, eine gewisse Rolle gespielt haben. Aber auch der ZDF-Archivar hat nichts gefunden.

Jörg Matthey ist sicher: Sein Opel Rekord, Baujahr 1958, ist vor 25 Jahren im ZDF „aufgetreten“
Jörg Matthey ist sicher: Sein Opel Rekord, Baujahr 1958, ist vor 25 Jahren im ZDF „aufgetreten“ © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

Jörg Matthey, Mitarbeiter beim Norderstedter Betriebsamt, weiß mehr. Er hat den Oldtimer vor einigen Jahren von den Erben des Erstbesitzers Andreas Wulf aus Celle gekauft. In den Papieren fand Claudia Matthey eine Auszahlungsanweisung über 1000 Mark, unterzeichnet von einer ZDF-Buchhalterin. So viel Geld war dem öffentlich-rechtlichen TV Sender der „Auftritt“ des damals 35 Jahre alten Oldtimers wert.

„Die Restaurierung hat mich eine Menge Geld gekostet“, bekennt Matthey. „Den Motor habe ich komplett zerlegt. Auch mussten Hinterachse und Innenraum-Himmel ersetzt werden.“ Allein für den Anbau einer Chromleiste an der Windschutzscheibe brauchten er und ein Freund 22 Stunden. Aber die Schufterei hat sich gelohnt: Der Rekord sieht aus wie neu.

In der Werkstatt wartet schon die nächste Aufgabe. Dort liegen viele Einzelteile eines alten Opel Caravan. Den will Jörg Matthey zusammenbauen. Noch einen Auftritt im Fernsehen soll es jedoch nicht geben...

Ein Franzose

Aus zwei mach’ eins! Dieter Krämer hat ein Herz für alte Autos. Egal, ob sie Schrott oder durchgerostet sind. Was ihm gefällt, das repariert der pensionierte Werkzeugmacher aus Oering wieder. In einer Scheune stehen zwei wahre Schmuckstücke – ein Jaguar E-Type, Baujahr 1967, und ein Jaguar S-Typ, Baujahr 1968. Krämer ist verliebt in sie.

Ein Meisterstück hat er seiner Frau zuliebe vollbracht. Martina ist ganz verschossen in ihren uralten Renault Juvaquatre, Baujahr 1957.

Martina Krämer und ihr Renault Juvaquatre vor dem Café am Kirchberg in Bad Oldesloe. Ihr Mann hat den Oldtimer 2014 in der Champagne gekauft
Martina Krämer und ihr Renault Juvaquatre vor dem Café am Kirchberg in Bad Oldesloe. Ihr Mann hat den Oldtimer 2014 in der Champagne gekauft © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

Der wurde an dem Tag zugelassen, an dem sie geboren wurde. Ein Auto, das sonst nur auf Frankreichs Straßen fährt. Ihr Mann hat den Oldtimer 2014 in der Champagne gekauft. Gut lackiert, aber rostig an vielen Stellen. Als Martina zwei Jahre später auf der Landstraße zwischen Grabau und Tönningstedt verunglückte und das Fahrzeug sich zweimal überschlug, schritt Dieter Krämer zur Tat. Er kaufte von einem Sattler in Nortorf die Reste eines Juvaquatre (auch Baujahr 1957) und bastelte ein „neues“ Auto zusammen. Aus zwei mach’ eins! lautete auch in diesem Fall seine Devise.

Bis heute ist Martina Krämer restlos glücklich mit ihrem Oldtimer. Regelmäßig fährt sie mit ihrem französischen Schmuckstück zur Arbeit – zum Café & Créperie Provence, das sie am Kirchberg in Bad Oldesloe seit acht Jahren betreibt und über das jüngst auch das NDR-Fernsehen berichtete.

Eine Luxuslimousine

Den 11. September 2010 werden Nelson Gomes da Rocha und Ehefrau Ines nicht vergessen. An diesem Tag wurden sie in der Erlöserkirche in der Gemeinde Henstedt-Ulzburg getraut. Eine besondere Rolle spielte dabei ihr Hochzeitsauto – ein türkisblauer Cadillac Sedan DeVille, Baujahr 1962. Braut und Bräutigam ließen sich mit der Luxuslimousine zur kirchlichen Trauung kutschieren.

Ein großer und ein kleiner Cadillac bringen Freude ins Haus der Norderstedter Familie Rocha
Ein großer und ein kleiner Cadillac bringen Freude ins Haus der Norderstedter Familie Rocha © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

„Ich wollte immer schon der stolze Besitzer eines amerikanischen Oldtimers sein“, erinnert sich der Kfz-Meister aus Norderstedt. Im Jahr 2006 war es soweit: Ein Bekannter aus Rendsburg, Eigentümer eines Cadillac, besuchte ihn. Rocha fragte ihn, ob das Prachtstück verkäuflich sei. Oder ob er ihn anriefe, wenn er ihn abgeben wolle. Nicht lange danach klingelte das Telefon, das Auto wechselte den Besitzer.

„Dies ist das einzige Hobby meines Mannes, das ich unterstütze“, scherzt Ehefrau Ines. Mit Oldtimern hat sie sich inzwischen angefreundet. Sie wünscht sich sogar einen VW Transporter T3, Nelson will ihr den Traum erfüllen. Auch Mia (7) und der vierjährige Luis haben Spaß: Papa hat ihnen im Internet ein Spielzeugauto gekauft – natürlich einen Cadillac, allerdings in einer anderen Lackierung.

Der türkisblaue Cadillac Sedan DeVille bringt übrigens nicht nur der Familie Glück. Auch Freunde und Bekannte lassen sich von Nelson zur eigenen Trauung fahren. Eine gute Idee: Alle Paare sind noch miteinander verheiratet.

Ein Traumauto

Einmal im Leben einen schnittigen Oldtimer fahren! Diesen Traum hat sich Karosseriebaumeister Ernst-August Sell (78) erfüllt. Der gelernte Stellmacher aus Kaltenkirchen, 1975 Gründer eines Karosseriebaubetriebes, kaufte vor zwei Jahren bei einem Autohändler in Valkenswaard (Niederlande) einen Ford Model A Roadster, Baujahr 1930.

Ein Traum hat sich erfüllt: Ernst-August Sell in seinem Ford A Roadster
Ein Traum hat sich erfüllt: Ernst-August Sell in seinem Ford A Roadster © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

Der legendäre Zweisitzer (40 PS, 104 km/h) stand im Internet – und prompt verliebte sich der Seniorchef in den Wagen. „Ich war gerade im Urlaub“, erinnert sich Juniorchef Michael Sell. „Da rief mich mein Vater an und teilte mir die Neuigkeit mit.“ Vater und Sohn fuhren nach Valkenswaard. Schnell wurden die Sells und der Händler handelseinig.

Ein flottes Auto wechselte den Besitzer. Aber eine wichtige Frage ist noch offen. „Wir wissen nicht, wo es gebaut wurde“, sagt Michael Sell. „Es gibt keine schriftlichen Unterlagen.“ Nur eine kleine Plakette im Motorraum gibt einen Hinweis: 1994 nahm der damalige Besitzer mit dem Roadster an einem Oldtimer-Treffen im Nationalpark Great Falls im US-Bundesstaat Virginia teil. Dann verliert sich die Spur...