Henstedt-Ulzburg. In der Großgemeinde sind viele Wohnbauprojekte in Planung. Das Abendblatt gibt einen Überblick über die Vorhaben der nächsten Jahre.
Wer in Henstedt-Ulzburg über die Themen „Wachstum“ und „Entwicklung“ spricht, der muss erfahrungsgemäß genau aufpassen, welche Worte er wählt. Schließlich ist es gerade einmal knappe fünf Jahre her, dass sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit gegen eine Stadtwerdung aussprach. Auch heute noch schwingt in vielen öffentlichen Diskussionen die Befürchtung mit, dass die Großgemeinde bald keinen dörflichen Charakter mehr habe – ein Attribut, auf das nicht wenige Henstedt-Ulzburger großen Wert legen.
Trotzdem heißt diese Tatsache nicht, dass die Zeit still steht. Überall im Ort wird gebaut, große und kleine Baugebiete befinden sich in verschiedenen Planungsphasen. „In den nächsten fünf bis sieben Jahren wird Henstedt-Ulzburg auf ganz natürliche Weise die 30.000er-Marke knacken“, sagt Bürgermeister Stefan Bauer. Es ist auch seine Aufgabe, zwischen den Interessen von Investoren, Wohnungsunternehmen, Politik und Bürgern zu moderieren. Nicht immer funktioniert das.
Manke will nördlich der Götzberger Straße bauen
Noch sehr frisch ist das jüngste Konzept des Unternehmens Manke. 32 Reihenhäuser, zwölf Doppelhaushälften, 44 Mietwohnungen – das könnte nördlich der Götzberger Straße und östlich des Henstedter Friedhofs entstehen. Geschäftsführer Christian Manke wollte die Pläne eigentlich in der letzten Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses vorstellen, doch aus Zeitgründen wurde das Thema auf einen Termin nach den Sommerferien verschoben. Bürgermeister Bauer nimmt zwei vermutliche Diskussionspunkte schon einmal vorweg. „Die Frage ist, ob die Form der Bebauung dem dörflichen Charakter entspricht, den wir im Leitbild haben. Und die Götzberger Straße ist nicht ganz ungefährlich in diesem Bereich – die Einsehbarkeit des Kurvenverlaufs ist schwierig.“
Die Planungen für Henstedt-Ulzburg
Hoch emotional ist die Debatte um die Zukunft der Reihenhäuser am Beckersbergring. Ein Großteil der dortigen 116 Reihenhäuser will die Soka-Bau (Versorgungskasse der Bauwirtschaft) mit Geschosswohnungsbau ersetzen. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen das Vorhaben. Zuletzt gab es intensive Verhandlungen, zumindest die Höhe der Gebäude auf möglichst drei Geschosse zu begrenzen, dazu geht es auch um finanzielle Sicherheiten für die Altmieter – und eine Kindertagesstätte, die im Quartier gebaut werden soll. „In der zweiten Jahreshälfte will die Soka-Bau das Verfahren formal einleiten“, so Stefan Bauer. Vermutlich wird es auch einen städtebaulichen Vertrag geben, der zentrale Vorhaben festlegt. Nicht ausgeschlossen ist, dass im Laufe des Verfahrens ein Bürgerbegehren initiiert wird.
Bei den Pinnauwiesen hat die Stromtrasse derzeit Vorrang
Ein Bürgerentscheid hatte 2015 erwirkt, dass die Bebauung der Pinnauwiesen – auch das ist ein Manke-Projekt – erheblich reduziert werden musste auf nur noch etwa 40 Wohneinheiten (Reihen-, Einzel- und Doppelhäuser). Noch ist der Bereich aber unberührt. Der Bebauungsplan 96 liegt auf Eis. Der Grund ist die „Ostküstenleitung“, eine 380-Kilovolt-Stromtrasse, die genau an dieser Stelle unterirdisch den Ort durchqueren soll. Dieses Mammutprojekt des Netzbetreibers Tennet hat rechtlich Vorrang. Zwar will die Gemeinde zusammen mit weiteren Grundstückseigentümers notfalls vor Gericht gegen den Verlauf der Leitung vorgehen, doch das kann einige Jahre dauern. „Wir warten jetzt erst einmal auf die Planfeststellungsunterlagen der Tennet“, sagt Stefan Bauer. Diese befinden sich seit Ende März in der Prüfung bei der zuständigen Behörde.
Nicht minder kompliziert: das Wagenhuber-Gelände. Wo sich einst ein Betonwerk befand, soll auf dem Rhen ein neues Quartier entstehen mit über 100 Wohnungen, über 50 Reihenhäusern sowie weiteren Doppelhäusern und einer Kita, die das SOS-Kinderdorf betreiben würde. Was fehlt, ist ein Konzept für die Verkehrsanbindung, das auch dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr genehm ist. Dieser pocht darauf, dass der Verkehrsfluss auf der Schleswig-Holstein-Straße nicht noch weiter leiden dürfe.
Beckmann hat einen Bauantrag eingereicht
Noch ein Zankapfel: das Beckmann-Gelände an der Hamburger Straße/Gartenstraße, also auf einem Filetgrundstück. Der gleichnamige Investor wetterte hier auf Schildern gegen die Politik, die den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses verhindern würde. Auf Basis des rechtskräftigen Bebauungsplans 86 ist allerdings ein Bauantrag eingereicht worden. Die Kernprobleme sind hier die Gebäudehöhe und die Nähe zur Straße.
Grundsätzlich ist der hier berührte Ortsteil Ulzburg aber gesondert zu betrachten. Stefan Bauer: „Es ist unser städtischer Ortsteil. Es gibt Unterschiede, das ist auch im Leitbild ausgewiesen – Henstedt hat einen dörflichen Charakter, der Rhen wird ähnlich behandelt. Wenn es darum geht, sozial geförderte Wohnungen zu realisieren, reden wir von Ulzburg.“ Eine Einzelhausbebauung werde es in Zukunft eher auf großen Grundstücken geben, auf denen ein weiteres Gebäude Platz hätte. „Dazu gibt es viele Häuser aus den 60ern, die in die Jahre gekommen sind.“ Diese könnten potenziell abgerissen und ersetzt werden.
Auch theoretische Bauflächen gibt es weiterhin. Die Verwaltung nennt hier den Bereich Dammstücken/Norderstedter Straße. Auch das Ackerland in der Nähe der Straße Am Trotz, südlich der Feuerwehr, dürfte irgendwann erschlossen werden. Hier fehlt es lediglich noch an einem mehrheitsfähigen Konzept – dass perspektivisch Reihenhäuser und Wohnungen entstehen, ist aber so gut wie sicher.
Wie dieses gesammelte Wachstum infrastrukturell getragen werden kann, wird derzeit im „Integrierten Gemeindeentwicklungskonzept“ debattiert. Wie viele Kitas benötigt der Ort, wo kommen die Fachkräfte her, gibt es ausreichend Grundschulen – und hält die freiwillige Feuerwehr ihre Hilfsfristen noch ein? Die ewige Suche nach einer Umgehungsstraße – aktuell ist ein Verlauf über den Bahnbogen im Gespräch – ist ein weiterer Aspekt.
„Wir reden über allerlei Verkehrsmittel“, sagt Stefan Bauer, „Rad, Fußgänger, den ÖPNV oder neue Techniken.“ Schon 2019 wird ein erstes Projekt Realität: der Umbau des P+R-Bereichs rund um den Meeschensee, vorgenommen in Zusammenarbeit mit Norderstedt und Quickborn. „Wir sind eine Pendlergemeinde, so sind wir gewachsen.“
Eine grafische Übersicht über die geplanten Bauprojekte finden Sie in Ihrer Abendblatt-Regionalausgabe Norderstedt.