Norderstedt. Die Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose am Lütjenmoor ist zu klein geworden. Neubau ist nur mit Spenden finanzierbar.
„Wir brauchen eine Million, und die haben wir doch wohl nächste Woche locker zusammen.“ Wer den Mann kennt, der das sagte, weiß, dass er immer zu Scherzen aufgelegt ist: Carlo von Tiedemann moderierte die Feier zum 20. Geburtstag der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) in Norderstedt, zu der sich rund 200 Gäste im Garten versammelt hatten. Und doch steckte im Spruch des NDR-Moderators und Schirmherr der Einrichtung eine gehörige Prise Wahrheit: Rund eine Million Euro ist nötig, um den Neubau der Einrichtung zu realisieren. „Die TAS platzt aus allen Nähten“, sagte Maren von der Heyde, Pastorin des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein, das die Einrichtung betreibt.
Die Zahl der Gäste hat sich versechsfacht, von 2000 im ersten Jahr auf aktuell fast 12.000 – in den Räumen am Lütjenmoor im Schatten des Herold-Centers finden Menschen Hilfe, die gestrandet sind, ihr Dach über dem Kopf verloren haben oder immer aufs Neue bei Freunden und Verwandten für begrenzte Zeit Unterschlupf finden. In der Anlaufstelle können sie duschen, bekommen eine warme Mahlzeit, können im Internet surfen oder zur Ruhe kommen, weg vom Lärm der Straße, vom Gefühl, ständig getrieben zu sein.
Rund 40 Männer und Frauen kommen jeden Tag in die TAS und bekommen gratis, was weit über körperliche Bedürfnisse wie Hunger und Durst hinausgeht und Norderstedts Stadtpräsidentin während der Geburtstagsfeier so formulierte: „Hier begegnet ihnen Menschlichkeit, Zuneigung und Wärme.“ Der Balsam für die oft angeschlagene Seele wird den Besuchern von Menschen gespendet, die sich freiwillig und ohne Lohn für ihren Einsatz für diejenigen engagieren, die an den Rand der Gesellschaft geraten sind.
30 ehrenamtliche Helfer engagieren sich für die TAS
„Oft unverschuldet“, wie Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sagte. Trennung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Sucht – es gebe viele Ursachen dafür, dass Menschen obdachlos werden, den Halt verlieren. „Und durch diese Schicksalschläge geraten sie aus unserem Blick, entwickelt sich eine Distanz zwischen ihnen und der Mitte der Gesellschaft. Diese Distanz gilt es zu überwinden.“ Jeder habe Anspruch auf Teilhabe, daher sollten die Norderstedter offen und freundlich auf die zugehen, die in Not geraten sind. „Und deren Zahl wächst ständig, durch die Flüchtlinge hat sie sich nochmals erhöht“, sagte Diakoniepastorin Maren von der Heyde, die den rund 30 ehrenamtlichen Helfern ihren Dank aussprach und als sichtbares Zeichen Marzipantaler mit der Aufschrift „Danke“ an die Helfer verteilte. Außerdem lud sie das Team zu einem Essen oder einem Ausflug ein. Die Pastorin dankte auch der Stadt Norderstedt für die finanzielle Unterstützung – aus dem städtischen Haushalt bekommt die TAS knapp 50.000 Euro pro Jahr.
Die Ehrenamtler wiederum hatten Blumen für die Frau, „ohne die hier gar nichts laufen würde“: Tabea Müller, die die Einrichtung leitet. Carlo von Tiedemann, seit zehn Jahren Schirmherr der Anlaufstelle und bei jedem Sommerfest dabei, lobte die TAS-Chefin auf seine Weise: „Sie ist wie Berti Vogts, beißt sich fest und lässt nicht locker, bis sie ihr Ziel erreicht hat.“
Vorbild ist das Frauenhaus in Norderstedt
Die Stadtpräsidentin machte sich für den geplanten Neubau stark und wünschte sich viele Spenden, denn: Für das neue Haus hat die Diakonie kein Geld. Die Oberbürgermeisterin sieht den Träger in der Pflicht, aber: „Wir unterstützen natürlich gern, wo wir können.“ Roeder wies auf das lokale Bündnis für Wohnen hin: „Wir müssen und wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und uns Belegungsrechte sichern.“ Der Mangel an günstigen Wohnungen führe zu steigender Obdachlosigkeit. Dennoch wünschte auch sie der TAS viele Spenden.
Der Anfang ist gemacht: Knut Neubauer vom Lions Club Norderstedt-Forst Rantzau überreichte als Geburtstagsgeschenk einen Scheck im Wert von 5000 Euro. Architekt Paul-Günter Frank, von Anfang an unter den ehrenamtlichen Helfern, investiert sein Wissen und seine Zeit in das Bauprojekt und verzichtet auf Geld. „Schon mein Großvater, der das Büro gegründet hat, sah sich dem sozialen Wohnungsbau verpflichtet“, sagte Frank.
Er hatte ein Modell des Neubaus mitgebracht. Geplant sind rund 300 Quadratmeter, im Erdgeschoss der Aufenthaltsbereich, Wasch- und Duschraum samt Toiletten und die Küche. Im Obergeschoss sollen Beratungszimmer eingerichtet werden, die Betreuung zielt darauf ab, die Besucher wieder einzugliedern, in Arbeit zu bringen, sodass sie wieder in eine eigene Wohnung ziehen können.
Wer das Projekt unterstützen will, kann Geld unter IBAN DE11 5206 0410 6306 4900 18, BIC: GENODEF1EK1, einzahlen. Eine Spendenbescheinigung wird ausgestellt.