Norderstedt . Trickbetrüger wollten einer Norderstedter Seniorin 40.000 Euro abnehmen – Polizei verhaftete die Täter bei der Übergabe.

Sie ist eine Heldin, möchte davon aber überhaupt nichts wissen. „Ich habe doch nur meinen Job gemacht und bin meinem Bauchgefühl gefolgt“, sagt die Frau. Ohne ihr Bauchgefühl hätte eine 82-Jährige aus Henstedt-Ulzburg 40.000 Euro an zwei Betrüger aus Hamburg verloren. Und ohne ihr Bauchgefühl hätten diese Männer sicher schon das nächste Opfer im Visier.

Die Frau ist Mitarbeiterin der Hamburger Sparkasse und arbeitet in einer der Norderstedter Filialen der Haspa in der Stadt – seit 30 Jahren. Sie möchte ihren Namen und ihr Bild lieber nicht in der Zeitung sehen. Über den Fall berichten möchte sie gerne – denn möglichst viele Menschen sollen von den perfiden Tricks der Betrüger erfahren und gewarnt sein.

„Herr Schwarz“ rief abends an und war sehr eloquent

Es war Donnerstag, 14. Juni, irgendwann am Abend, als die Täter bei der 82-Jährigen anriefen. Der Mann gab sich als „Herr Schwarz“ von der Polizei Henstedt-Ulzburg aus und packte eine aufregende Geschichte aus. Er fabulierte – eloquent, in vertrauensvollem, offiziellem Ton und sehr glaubwürdig – über polizeiliche Ermittlungen gegen eine osteuropäische Einbrecherbande. Man habe die Gauner festgenommen und bei ihnen eine Liste von potenziellen Einbruchsopfern gefunden – und die 82-Jährige sei auch darunter. Damit nicht genug: Die Täter hätten die Kontodaten der Frau ausgespäht, sagte „Herr Schwarz“. Nun sei ihr Geld auf der Bank nicht mehr sicher. Die Lösung des falschen Polizisten: Die Dame müsse sofort ihr gesamtes Bargeld abheben und ihre Wertgegenstände, etwa Schmuck, nehmen und das alles der Polizei übergeben. Selbstredend bot „Herr Schwarz“ freundlicherweise an, einen Kollegen als Boten vorbeizuschicken.

Die alte Dame tat, wie ihr aufgetragen. Bei zwei Banken hatte sie am Freitag, 15. Juni, bereits große Summen Bargeld abgehoben. Schließlich stand sie vor dem Kassenschalter der Haspa-Filiale in Norderstedt. „Die Dame sagte, sie würde gerne 20.000 Euro abheben“, sagt die Haspa-Mitarbeiterin. „Da meldete sich mein Bauchgefühl.“ Nach 30 Jahren im Job kennt die Bankkauffrau nicht nur die langjährige Kundschaft teilweise persönlich und manche Familien über Generationen hinweg. Durch fortlaufende Mitarbeiter-Schulungen und die enge Zusammenarbeit der Haspa mit der Hamburger Polizei bei der Prävention gegen die Betrugskriminalität hat sie ein gutes Auge für ungewöhnliches Verhalten von Bankkunden. „Grundsätzlich bin ich bei großen Überweisungen oder Abhebungen von älteren Leuten sensibel“, sagt die Haspa-Mitarbeiterin. Oft gebe sie Geld nur nach Rücksprache mit Angehörigen heraus. „Es gibt auch eine steigende Zahl von älteren Kunden, die unter Demenz leiden. Da haben wir ein Vertrauensverhältnis zu den Familien aufgebaut.“

Die 82-Jährige aus Henstedt-Ulzburg hingegen war klar bei Verstand. „Sie wirkte sehr tough auf mich, sie wusste genau, was sie tat und war sicher, teil einer wichtigen polizeilichen Aktion zu sein.“ Die Frau setzte sich mit der Kundin in eine ruhige Ecke der Bank, bot ihr etwas zu trinken an und ließ sich die Beweggründe für die Abhebung erläutern. „Sie erzählte mir die Geschichte von Herrn Schwarz. Und sie versicherte mir, dass es sich sicher nicht um einen Enkeltrick handle.“ Die Haspa-Mitarbeiterin bekam den Eindruck, dass die 82-Jährige das Ganze als eine aufregende Abwechslung ihres Alltags erlebte. „Die Betrüger schaffen es offenbar, Vertrauen bei ihren Opfern zu wecken. Außerdem hat die ältere Generation ein anderes Verhältnis zu Polizei und Staatsorganen. Was ein Polizist sagt, dem wird Folge geleistet.“

Hier finden Sie Hilfe und Beratung

Wie oft Betrüger im Kreis Segeberg zugeschlagen haben, darüber liegen keine absoluten Zahlen vor. Viele Fälle werden der Polizei vielleicht gar nicht gemeldet – weil sich die Opfer schämen. Die Kriminalstatistik für den Kreis Segeberg verzeichnet 1985 Betrugsfälle aller Art für das Jahr 2017. Im Jahr davor waren es nur 1584 – die Tendenz ist also steigend.

Wer Hilfe und Beratung sucht, kann sich an jede Polizeidienststelle wenden. Dort wird auch der Kontakt zu den Sicherheitsberatern der Senioren hergestellt. Vier Männer im Kreis Segeberg klären Senioren bei Vorträgen über die Tricks der Betrüger, Einbruchschutz und andere Themen auf: Die Henstedt-Ulzburger Klaus Otterstetter und Jörn-Henning Schulze, Manfred Räker aus Nahe und Gerd Wilcken aus Bad Bramstedt.

Im Internet ist die Seite www.pfiffige-senioren.de von Barbara John aus Hannover zu empfehlen. „Senioren sind alt, aber nicht doof. Trickbetrüger können uns mal!“, heißt es da. Die gängigsten Tricks der Betrüger werden ausführlich erklärt.

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Die Haspa-Mitarbeiterin alarmiert ihren Vorgesetzten und die Polizei. Beamte des Norderstedter Reviers übernahmen den Fall. In Kooperation mit den Diensthundeführern der Polizeidirektion Bad Segeberg und den Kollegen der Polizeistation Henstedt-Ulzburg stellten die Beamten den falschen Polizisten eine Falle. Die setzten die 82-Jährige noch mit mehreren Kontrollanrufen unter Druck. Schließlich kam es zur Übergabe des Geldes: Dabei nahmen die Beamten zwei 20-jährige Männer aus Hamburg fest, die nun ein Strafverfahren wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs erwartet.

„Ein Fall wie dieser ist mir in meiner 30-jährigen Karriere bei der Haspa noch nicht untergekommen“, sagt die Bankmitarbeiterin. „Aber ich habe schon öfter Auszahlungen hinterfragt. Wer weiß, welche Taten ich dabei vielleicht vereitelt habe.“ Es sei ein tolles Gefühl gewesen, am Abend des 15. Juni nach der Arbeit nach Hause zu gehen. „Die Dame konnte ihr Geld und ihren Schmuck behalten, und zwei Betrüger wurden festgenommen.“

Doch leider sind in der Region immer noch genügend falsche Polizisten am Werk. „Wir haben derzeit allein elf Anzeigen aus Elmshorn über Anrufe von falschen Polizisten“, sagt Arnd Habermann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg. „Derselbe Sachverhalt wie in Henstedt-Ulzburg. Die Täter rufen immer zwischen 20.45 und 22.50 Uhr an. Wahrscheinlich setzen sie darauf, dass die Senioren dann schläfrig sind. Außerdem verleiht die späte Stunde dem Anruf eine gewisse Dramatik – es ist ganz wichtig, es muss sofort sein.“ Habermann lobt das vorbildliche Verhalten der Haspa-Mitarbeiterin. „Die Leute in der Bank sind die letzte Instanz, die aufmerksam werden kann. Wenn die das Geld rausgeben, ist es meist schon zu spät für uns“, sagt Habermann.

Täter sind nur die kleinen Lichter in der Bande

Die beiden 20-jährigen Männer aus Hamburg waren mutmaßlich Täter der unteren Ebene einer gut organisierten Bande, sogenannte Läufer oder Boten. „Nur einer der beiden ist polizeibekannt, allerdings aufgrund anderer Delikte.“ Gewöhnlich sollen diese Täter lediglich das Geld und Wertsachen bei den Opfern abholen und es weitergeben. Dafür bekommen sie einen vereinbarten Geldbetrag. „Es ist relativ selten, dass man die wahren Täter schnappt. Aber über die beiden verhafteten Männer haben wir zumindest einen Ansatz. Wir hoffen, an die Hintermänner auf der mittleren oder oberen Ebene heranzukommen, die eigentlich die Fäden in der Hand halten“, sagt Habermann. Der eloquente Kopf der Bande, der sich als „Herr Schwarz“ ausgibt oder andere Identitäten nutzt, sitzt oftmals sogar irgendwo im Ausland und telefoniert nur. „Das macht die Ermittlungsarbeit für uns zusätzlich schwierig.“