Norderstedt. Norderstedter Verwaltung, die Wohnungswirtschaft und Mietervertreter wollen in der Stadt gemeinsam günstigen Wohnraum schaffen.

8000 Menschen schoben sich am vergangenen Sonnabend durch die Hamburger Innenstadt. Wütend demonstrierten sie gegen die Wohnungsnot in der Hansestadt und für mehr bezahlbaren Wohnraum – und das, obwohl der Senat längst ein Bündnis für Wohnen mit der Wohnungswirtschaft aufgelegt hat und an allen Ecken und Enden der Stadt 10.000 Wohnungen pro Jahr baut.

In Norderstedt gehen die Menschen noch nicht auf die Straße, um ihre Wut über die Fehlentwicklung auf dem Wohnungsmarkt herauszuschreien. Gleichwohl ist die Lage angespannt und bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder liegt richtig, wenn sie formuliert: „Die Sicherung einer bedarfsgerechten Wohnraumversorgung in unserer Stadt sehe ich als eine Schlüsselaufgabe für die kommenden Jahre an.“ Denn der ausreichende Wohnraum für alle Bürger ist der Schlüssel zu einer intakten Stadtgesellschaft, die laut Prognosen 2030 etwa 86.0000 Menschen in Norderstedt umfasst. Darunter noch mehr Ältere als heute, noch mehr Singles, Double Incomes (Doppelverdiener) und auch Patchwork-Familien mit großer Kinderschar.

Ebenso wie Hamburg, Kiel und andere Städte versucht es Roeder deswegen nun mit dem lokalen Bündnis für Wohnen. Am Dienstag gab die Oberbürgermeisterin den symbolischen Startschuss für den Prozess zur Bildung des Bündnisses, gemeinsam mit ihren Dezernenten Thomas Bosse (Bau) und Anette Reinders (Soziales), seitens der Wohnungswirtschaft mit Volker Heins, Geschäftsführer von Plambeck, und seitens der Mieter mit dem Vorsitzenden des Norderstedter Mietervereins, Kurt Plagemann. „Wir haben bewusst alle Parteien an den Tisch geholt – Verwaltung, Wohnungswirtschaft, Baufinanzierer und Mieterverbände“, sagt Roeder. „Im Bündnis sollen alle die Wünsche und Zwänge des jeweils anderen verstehen lernen.“

Sechs Gruppen erarbeiten konkrete Ziele

Bei einer Auftaktveranstaltung am 9. Mai im Kulturwerk hatten sich über 30 Akteure im Bündnis das erste Mal beschnuppert. Konkrete Ergebnisse gab es bei dem nicht öffentlichen Arbeitstreffen nicht – einig waren sich aber alle, dass die Stadt mehr Wohnungsbau mit drei und mehr Geschossen benötigt. Aufgeteilt in sechs Arbeitsgruppen wollen die Teilnehmer die konkreten Ziele des Bündnisses erarbeiten. „Im Herbst dürften wir so weit sein, für das Bündnis konkrete Ziele definieren zu können“, sagt Roeder.

Denn am Ende müsse das Ergebnis stehen, damit in der Stadt mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht – wie und wo auch immer. „Dieses Bündnis ist der völlig richtige Weg“, sagt Volker Heins von Plambeck. „Die Arbeit mit dieser hoch motivierten Stadtverwaltung macht Spaß. Ich bin sehr gespannt, welches Ergebnis wir im Gespräch mit allen Akteuren hinbekommen.“ Auch Kurt Plagemann, der die Mieterinteressen im Bündnis hochhalten wird, zeigt sich zuversichtlich: „Der gemeinsame Weg ist der richtige. Für mich ist so ein Bündnis aber Neuland. Ich werde das Know-how meines Landesverbandes abrufen.“

Roeder betonte, dass es beim Bündnis nicht nur darum gehe, eine festgelegte Anzahl an günstigen Wohnungen zu bauen. Alle Aspekte der Stadtentwicklungen sollen berücksichtigt werden. Baudezernent Bosse erläuterte die Kernfragen, die in den Arbeitsgruppen diskutiert werden müssen. „Wir müssen uns darüber klar werden, welche Stadtentwicklung nötig ist, um den Wohnungen auch ein attraktives Umfeld zu bieten.“

Um den Spagat in der Planung zwischen den extrem unterschiedlichen Lebensmodellen künftiger Mieter zu schaffen, müsse man neue Wohnformen entwickeln, die sowohl Singles als auch Patchwork-Familien gerecht werden. Dabei müsse auch über die Geschossigkeit nachgedacht werden – mehr Höhe am Bau ist kein Tabu mehr. „Ebenso müssen wir die gesetzlichen und unsere städtischen Vorgaben an die Qualität und Ausstattung von Wohnraum überdenken. Sind sie richtig? Muss es immer ein Autostellplatz pro Wohnung sein?“, sagt Bosse.

Sozialdezernentin Reinders gibt dabei zu bedenken, dass am Ende nicht der Wohnturm am Rande der Stadt entstehen darf. „Wir brauchen nicht nur mehr Wohnungen, sondern Quartiere, die auch dem demografischen Wandel gerecht werden.“