Sieben Woche ohne Kunststoff: Abendblatt-Mitarbeiterin Anne Pamperin hat es ausprobiert – und denkt nicht daran aufzuhören.

Sieben Wochen ohne. Seit mehr als 30 Jahren versuchen Menschen dem Alltagstrott zu entkommen, indem sie von Aschermittwoch bis Gründonnerstag – mit oder ohne göttlichen Beistand – Dinge aus ihrem Leben verbannen, die ihnen (zu) lieb geworden sind. Auch ich habe schon in früheren Jahren den Verzicht auf Alkohol getestet und mich dann, wie wohl andere auch, auf den Tag gefreut, an dem ich endlich wieder ein alkoholisches Kaltgetränk in den Händen halten konnte.

In diesem Jahr habe ich mich für das Plastikfasten entschieden und mich einer Aktion des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) angeschlossen. Eines vorweg: Ich bin kein Super-Öko, mag gerne gut essen und trinken und benutze dieselben Kosmetikartikel wie andere auch. Soweit so gut. Das Ziel war, bis Ostern auf möglichst viel Plastik zu verzichten, denn eine Sache hat mich aufgerüttelt: Laut BUND verbraucht Deutschland 12,6 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr – so viel wie kein anderes Land in Europa. 3,6 Milliarden Plastiktüten werden in Deutschland jährlich verbraucht – mit einer Gebrauchsdauer von gerade mal 25 Minuten. Schockiert haben mich zudem zahlreiche Dokumentationen über die Verschmutzung der Meere.

Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, sieht die Probleme auch bei uns vor der Haustür. Einfach mal beim nächsten Waldspaziergang genauer hinschauen. Überall liegt Plastikmüll herum, der über Tiere und andere Organismen in den Erdboden und damit ins Trinkwasser gelangt.

Ich wundere mich schon, wo diese Dinge alle herkommen. Ist den Menschen ihre Umwelt so egal oder denken sie, dass der Müll schon irgendwie entsorgt wird, wenn er denn nur im Gelben Sack landet? Nur wer mit gutem Beispiel vorangeht, kann Dinge bewirken. Deswegen also das Plastikfasten.

Plastiktüten im Supermarkt sind einfach sehr bequem

Im Supermarkt kann Obst und Gemüse teilweise lose gekauft werden, die berühmte Biogurke ist aber tatsächlich eingeschweißt. Weil es bequemer ist, nehmen aber fast alle Kunden eine Plastiktüte, um sich ihre Äpfel, aber auch Pilze, Zwiebeln und andere Waren hineinzufüllen. Wer will schon an der Kasse stehen und die lose Ware auf das Laufband kullern lassen? Fleisch und Wurst wird aus hygienischen Gründen doppelt und dreifach eingepackt, beim gekochten Schinken sind sogar die einzelnen Scheiben mit Plastikfolien voneinander getrennt. Will der Kunde so etwas wirklich? Eigene Dosen kann man hier nicht mitbringen. Die Hygienevorschriften verbieten es, fremde Dinge über den Tresen zu reichen. Immerhin: An der Käsetheke bekomme ich das Stück Gouda in Käsefolie, auf die Plastiktüte verzichtet die Verkäuferin nach einer kurzen Diskussion. Der Bon wird auf das Käsepaket geklebt. Eine Papiertüte geht ja auch, ist aber eigentlich auch überflüssig.

Eine gute Gelegenheit, verpackungsfrei einzukaufen, ist der Markt in Norderstedt-Mitte. Am Obst- und Gemüsestand kann ich meinen gemischten Salat in einen mitgebrachten Behälter füllen lassen. Kartoffeln kommen direkt in meine Beutel, oben drauf Äpfel und ganz oben Tomaten, die in eine Papiertüte gelegt werden. Bei Loubiers Biokiste frage ich, ob ich Müsli in meine Tupperdose füllen lassen kann. Die Antwort: „Selbstverständlich. Wir ermutigen unsere Kunden immer, eigene Behältnisse mitzubringen.“ Am Frischestand vor dem Supermarkt landen der cremige Schafskäse, die Oliven und Peperoni ebenfalls direkt in meiner Tupperdose. Klar ist die aus Plastik, das kann man sicher auch noch optimieren. Die Scampi für unsere Wokpfanne bekomme ich beim Fischmann in Papier eingewickelt. Geht auch.

Dann ist der Reis alle, die Nudeln auch. Außerdem brauche ich Wasch- und Geschirrspülmittel – was tun? Ich informiere mich im Internet über verpackungsfreies Einkaufen. Es gibt in Hamburg tatsächlich Läden, in denen das möglich ist. Meine erste Fahrt – übrigens mit dem Elektroauto – geht zu „Stückgut Hamburg“ nach Altona, die zweite nach Lemsahl zu „Ohne Gedöns“. Beide Geschäfte überzeugen mich sofort. Hier fülle ich mir Waschmittel- und Allzweckreinigerkonzentrat in eine Flasche ab und hole mir Reis und Nudeln. Auch Deocreme im Glas und ein Stück Seife für die Haare gibt es hier.

Maren Schöning, Inhaberin von „Ohne Gedöns“, ist seit vergangenem Jahr dort ansässig. „Ich habe angefangen umzudenken und Dinge anders zu machen, weniger und dafür bewusster zu konsumieren, achtsamer mit anderen Menschen, aber auch mit der Natur und der Umwelt umzugehen. Denn ohne sie können wir nicht überleben. Ich bin stolz darauf, meinen Teil dazu beizutragen, diesen Gedanken von einem Trend zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Wir sind es unseren Kindern schuldig“, sagt sie.

Im Sommer wird „Ohne Gedöns“ wohl nach Volksdorf umziehen. „Hier fehlt uns die Laufkundschaft“, sagt sie. Ein paar Meter weiter ist ein kleines Einkaufszentrum, dort gehen die Lemsahler wohl lieber zum Einkaufen hin. Vielleicht auch, weil es ihnen unangenehm ist, persönlich bedient zu werden? Dabei ist das Prinzip ganz einfach: Man bringt sein Glas oder seine Dose mit, wiegt diese ab, schreibt das Gewicht auf den Deckel. Beim Bezahlen wird dieses Gewicht natürlich abgezogen. Preislich ist vieles nicht mit den Billigsachen von Aldi, Lidl und Co. zu vergleichen. Das habe ich auch nicht erwartet, denn es handelt sich eben nicht um Massenproduktion.

Dafür habe ich bei vielen Dingen einfach ein gutes Gefühl, wenn ich sie kaufe, denn sie sind von regionalen Anbietern, Bio oder fair gehandelt. Wäre das nicht mal eine Idee für Norderstedt? So ein Laden würde sich doch gut machen in einer Stadt, die immer eine Idee voraus sein möchte.

Plastikfreie Waren sind nun mal teurer als beim Discounter

Zurück zum Haushalt. Während bei mir Butter aufs Brot kommt, bevorzugt mein Lebensgefährte Frischkäse, „damit die Käsescheibe nicht vom Brot rutscht“. Der Aufstrich ist nun alle und einen neuen - egal ob Philadelphia, Exquisa oder die Hausmarke – gibt es nur in Plastik. Was tun? Ich recherchiere im Internet und finde die äußerst interessante Seite www.utopia.de mit vielen praktischen Tipps.

Um Frischkäse selbst herzustellen, brauche ich Milch mit einem hohen Fettgehalt. Die bekomme ich für einen Euro pro Liter an der Milchtankstelle von Sebastian Mecklenburg am Rantzauer Forstweg. Die Flasche wird wiederverwendet, die Milch schmeckt super. Dort gibt es übrigens auch Eier und Honig aus der Region.

Wie mache ich den Frischkäse?? Ganz einfach: Die Milch wird kurz aufgekocht. Dann werden ein paar Spritzer Zitronensaft hinzugegeben, bis sich die Milch trennt. Oben schwimmt der Frischkäse, unten ist die Molke. Das Ganze wird dann durch ein Passiertuch gegeben, der Frischkäse kann dann nach dem Erkalten gewürzt und in ein Glas abgefüllt werden. Das Ganze dauert nur ein paar Minuten.

Fast alle Menschen, mit denen ich über das Plastikfasten spreche, sind inter­essiert und stellen fest, dass viele Dinge in Plastik verpackt sind. Aber gerade im Supermarkt ist das Einkaufen eben praktisch, weil es (fast) alles gibt. Dann komme ich aber ins Grübeln, denn so war das ja nicht immer. Ich bin 52 Jahre alt und kenne – im Gegensatz zu vielen jüngeren – auch noch den kleinen Spar-Markt um die Ecke. Wenn ich jetzt in die Unverpackt-Läden gehe, fühle ich mich ein wenig zurückversetzt. Dort gibt es nicht nur unverpackte Ware, sondern die Entschleunigung gleich dazu.

Die häufigste Frage, die ich gestellt bekomme, ist: „Rechnet sich das denn?“ Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn mit der Natur kann man nicht verhandeln. Lebensmittel vom Discounter sind billig. Denn sobald Ware in die Massenproduktion geht, wird sie günstiger, allerdings um welchen Preis? Bei besonders günstigen Lebensmitteln ist die Qualität oft nicht die beste. Um Dinge haltbar zu machen, werden oft Zusatzstoffe, von denen wir nicht immer wissen, welche Kurz- oder Langzeitfolgen sie haben, beigefügt. Kleiner Tipp: Einfach mal die Rückseite der Produkte anschauen und lesen.

Es ist traurig, wenn Menschen meinen, sie hätten keine Zeit

Wer günstig Gemüse kaufen will, sollte sich für die Sachen entscheiden, die gerade Saison haben. Warum nicht mal einen schönen Wirsingeintopf mit bunten Möhrchen und Kartoffeln machen? Gesamtkosten für etwa vier Portionen inklusive Stromverbrauch fürs 20 Minuten lange Kochen vier Euro. Bei Bedarf kommen Fleisch oder Würstchen hinein. Zubereitungszeit inklusive Schnippeln 45 Minuten. Das kann man am Sonntag mal machen, denke ich. Eine hausgemachte Leberwurst beim Biofleischer kostet fünf Euro, hält aber drei Wochen. Da kann man natürlich auch günstigere Produkte kaufen – ebenfalls im Glas.

Der zweithäufigste Spruch ist „Dafür habe ich keine Zeit“. Das ist traurig, denn wofür haben wir denn Zeit? Keine Zeit für die Umwelt? Vor allem Väter und Mütter sollten sich doch ihrer Verantwortung bewusst sein. Die Kinder haben vielleicht noch 60 oder sogar 80 Jahre vor sich – wie wird die Welt dann aussehen? Alles haben wir nicht in der Hand, aber wir können zumindest bewusster leben und der Umwelt damit ein wenig Zeit zum Verschnaufen geben.

Offiziell ist die Aktion Plastikfasten nun vorbei. Zum Ende der Aktion (und zum Fußball-Länderspiel) habe ich mir dann doch mal eine Chipstüte gegönnt. Eigentlich gibt es für mich aber gar keinen Abschluss, denn ich werde weitermachen.