Norderstedt. Das Stadtmuseum Norderstedt und die Grundschule Lütjenmoor starten ein innovatives Projekt. Kinder besuchten Gebetshäuser.

Zwei Welten in einer Stadt. Die Moschee und die evangelische Kirche – die Jungen und Mädchen von der Grundschule Lütjenmoor erlebten beide Gebetshäuser, klopften in der Eyüp Sultan Camii-Moschee an Säulen und Geländer, erkundeten die Gebetsnische, erfühlten den weichen Teppich, auf dem die Moslems zum Gebet niederknien. Fühlen, hören und sehen hieß es auch in der Garstedter Christuskirche mit „dem rauen Christuskreuz, den kalten glatten Fensterscheiben, dem Alter, kratzig und hart“.

Organist Paul Fasang ließ die Kinder auf der Orgel spielen
Organist Paul Fasang ließ die Kinder auf der Orgel spielen © HA | Michael Schick/Romy Rölicke

Am meisten Eindruck hinterließ Organist Paul Fasang, als er die Orgel erklingen ließ. Die Schüler sangen spontan Melodien, die Fasang nachspielte und so demonstrierte, wie virtuos das Kircheninstrument sein kann. „Höhepunkt beim Besuch der Moschee war sicherlich der Gebetsruf von Imam Mustafa Bayram“, sagen Katrin Heß und Romy Rölicke. Die Lehrerin an der Grundschule Lütjenmoor und die Mitarbeiterin des Norderstedter Stadtmuseums hatten sich zu einer neuen Kooperation zusammengeschlossen: Gemeinsam organisierten sie drei Projekttage zum Thema „Religion und kulturelle Vielfalt in Norderstedt“ – ein innovatives Projekt, das allen so gut gefallen hat und so erfolgreich verlief, dass sie das Konzept anderen Schulen in der Stadt und in der Region gern zur Verfügung stellen wollen (siehe Info-Kasten rechts).

„Natürlich haben wir es nicht bei den sinnlichen Eindrücken belassen und auch das nötige Wissen vermittelt, damit die Schüler am Ende über Gemeinsamkeiten und Unterschiede einzelner Religionen und Kulturen sprechen können“, sagt die Lehrerin der 4a. So erklärte Tahsin Cem vom Moscheeverein den Kindern die Bedeutung der Gebetsnische, der Kanzeln, des Gebetsteppichs, der Gebetsketten und des Koran.

Detailliertes Konzept für alle Schulen

Für ihr neues Projekt „Religion und kulturelle Vielfalt in Norderstedt“ haben Grundschullehrerin Katrin Heß und Romy Rölicke vom Stadtmuseum ein detailliertes Konzept erarbeitet, das sie anderen Schulen gern zur Verfügung stellen.

Drei Projekttage sind nötig, jeweils einer in der Moschee und einer Kirche, am dritten Tag verarbeiten die Schüler ihre Eindrücke in der Schule. Das Projekt richtet sich an 4. Klassen, der Bezug ist zum Heimat-, Weltkunde- und Sachunterricht, zu Religion und Deutsch gegeben.

Die Organisatorinnen haben einen Ablaufplan und Fragen für die Besuche der außerschulischen Lernorte erarbeitet. Interessierte wenden sich an Romy Rölicke, 040/30 98 27 49, oder per E-Mail an romy,roelicke@ norderstedt.de.

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Er sprach über das Opfer- und Ramadanfest und darüber, dass es keine Bilder von Allah gibt. Pastor Bernd Neitzel klärte die jungen Besucher über die Bedeutung des Kreuzes, des Taufbeckens, der Osterkerze und der Kanzel auf. „Mutige Schüler stiegen sogar drauf und sprachen ins Mikro“, sagt Romy Rölicke.

Wie kam es zu dem Projekt? Auslöser war die Hochschule auf Zeit. Studierende der Medical School Hamburg funktionierten im vorigen Sommer eine leer stehende Apotheke an der Ulzburger Straße in einen Freiraum um, in dem sie mit Norderstedtern auf Entdeckungstour zu Kunst, Musik und Spiel gingen. Dabei kam es zum Kontakt zwischen Anna Mauz von der Medical School und Romy Rölicke vom Stadtmuseum. Die Studentin regte an, dass Schüler Orte in Norderstedt vor allem über die Sinne erleben sollten – wer seine Umgebung spielerisch und mit anderen erforscht, bekommt einen intensiveren Zugang, lautete das pädagogische Leitmotiv

Im Stadtmuseum fehlt der Bezug zur Gegenwart

Rölicke sah die Chance, „ein attraktives Angebot für junge Norderstedter zu schaffen“. Sie könnten natürlich im Museum am Friedrichsgaber Weg in die Stadtgeschichte eintauchen. Doch die Ausstellung sei nicht unbedingt für Grundschüler konzipiert, es fehle ein wenig der Bezug zur Gegenwart. „Und das, was sich am Ochsenzoll früher abgespielt hat, kommt nicht so wirklich spannend rüber“, sagt Lehrerin Heß.

Lehrerin Katrin Heß (links) und Romy Rölicke vom Stadtmuseum haben das Projekt organisiert
Lehrerin Katrin Heß (links) und Romy Rölicke vom Stadtmuseum haben das Projekt organisiert © HA | Michael Schick/Romy Rölicke

Sie hat das Thema „Meine Stadt“, das im Lehrplan für die vierte Klasse steht, nun mit ihren Schülern und der Museumsmitarbeiterin vorwiegend außerhalb der Schule erarbeitet, am ersten Tag beim Ausflug in die Moschee, am zweiten in die Christuskirche. Am dritten Tag waren sie zurück im Klassenraum: „Die Schüler brannten förmlich darauf, ihre Eindrücke in einer Ausstellung sichtbar werden zu lassen“, sagt die Pädagogin.

So wurde geknetet, gebastelt und gemalt, Eva-Maria Bertermann und Wolfgang Peterwitz vom Kunstkreis Norderstedt gaben Tipps. Jesus am Kreuz, die Osterkerze, die Gebets­nische – die Schüler präsentierten die Ergebnisse der Projekttage in einer Ausstellung ihren Mitschülern, den Lehrern und Eltern. Die Organisatorinnen sind sich einig: „Das Experiment ist voll und ganz gelungen.“