Norderstedt . 1846-mal krachte es laut Verkehrsreport der Polizei im vergangenen Jahr in Norderstedt. Meistens, weil die Autofahrer abgelenkt waren.
Die Zahlen im Verkehrsreport 2017 für Norderstedt sind eindeutig: Es kracht wieder viel öfter im Norderstedter Verkehr als in den Vorjahren. 1846 Unfälle gab es – so viele wie seit Jahren nicht mehr, 2016 waren es noch 309 Unfälle weniger. Mehr Unfälle bedeuteten 2017 auch mehr verletzte Autofahrer. 32 Unfallbeteiligte wurden schwer verletzt (2016: 25) und 369 Menschen (2016: 359) wurden leicht verletzt. In drei Fällen kam jede Hilfe zu spät, die Opfer der Unfälle starben noch an der Unfallstelle.
Eine sprunghafte Erhöhung der Fallzahl gab es bei den Unfällen, die meist glimpflich mit Blechschäden enden. 1300 dieser Unfälle – Auffahren, Abkommen von der Fahrbahn, Fehler beim Anfahren – zählte die Norderstedter Polizei im vergangenen Jahr, 308 Fälle mehr als 2016 und so viele wie noch nie in den vergangenen sechs Jahren. „Da liegen wir aber im Landestrend“, sagt Kai Hädicke-Schories, Verkehrsexperte der Norderstedter Polizei. „Die Leute daddeln am Steuer mit dem Handy, oder sie bedienen andere elektronische Geräte des Wagens während der Fahrt.“ Die Unaufmerksamkeit für den Verkehr wird ihnen dabei zum Verhängnis. Wie viele schwere Unfälle sich ebenfalls auf diesen Grund zurückführen lassen, kann Hädicke-Schories nicht sagen. „Wir können diesem Phänomen nur Herr werden, indem wir an die Autofahrer appellieren – und indem wir zukünftig noch mehr den fließenden Verkehr kontrollieren und die Bußgelder und Strafen für das Handy am Steuer erhöhen.“
Fast 57.000 Fahrzeuge sind in der Stadt angemeldet
Ein weiterer Grund für die steigende Anzahl der Unfälle in der Stadt ist sicherlich die weiter zunehmende Verkehrsdichte auf den Straßen. Die Blechmenge in der Autofahrerstadt Norderstedt wächst unbeirrt seit Jahren. 56.886 Fahrzeuge waren Ende 2017 in Norderstedt gemeldet, 222 mehr als 2016. Vergleicht man die Zahlen mit 2010, so ergibt sich eine Steigerung der angemeldeten Fahrzeuge um 9 Prozent. Auf 1000 Norderstedter kommen damit 652 Fahrzeuge. „Ein bundesweit betrachtet hoher Wert“, sagt Hädicke-Schories.
Gute Nachrichten gibt es im Fahrradverkehr in Norderstedt. Immer weniger Radfahrer verunglücken in der Stadt. 111 Unfälle unter Beteiligung von Radfahrern gab es 2017 in der Stadt – die niedrigste Fallzahl seit sechs Jahren, 2016 waren es noch 127 Unfälle, 2014 sogar 169 Unfälle. Fünf Radler wurden 2017 schwer, 98 leicht verletzt. Eine Radfahrerin wurde am 2. August auf der Ulzburger Straße von einem Lastwagen übersehen und überrollt, als dieser auf ein Baugrundstück bei der Hausnummer 443 einbiegen wollte. Die Frau starb noch am Unfallort.
„Ein tragischer Fall, der allerdings nichts mit der Verkehrssituation am Unfallort zu tun hatte, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen war“, sagt Hädicke-Schories. Anders ist die Situation bei den beiden anderen Unfällen mit Todesfolge im vergangenen Jahr. Hädicke-Schories: „In beiden Fällen hätten eingeschaltete Ampeln den Unfall wohl verhindert.“ Am frühen Morgen des 4. April wurde auf der zum Unfallzeitpunkt nicht von Ampeln geregelten Kreuzung der Oadby-and-Wigston- mit der Waldstraße eine 50 Jahre alte Autofahrerin bei einem Frontalcrash getötet. Sie hatte beim Einfahren in die Kreuzung einen vorfahrtsberechtigten Autofahrer übersehen. Und auch, als am 13. Mai ein Autofahrer mit etwa 70 km/h zu schnell auf der Ulzburger Straße unterwegs war und auf Höhe des Feuerwehrhauses Friedrichsgabe eine 45-jährige Frau überfuhr und tötete, waren die Ampeln hier aus. „Auf der einen Seite können es Autofahrer nicht verstehen, wenn sie zu schwach frequentierten Tagesrandzeiten vor Ampeln warten müssen. Auf der anderen Seite hätten die Ampelschaltungen in beiden Fällen Leben gerettet.“
Der Norderstedter Verkehrsexperte analysiert in seinem Report auch jährlich die Unfallschwerpunkte in der Stadt – und kommt dabei für 2017 zu einem positiven Fazit. „Durch bauliche oder technische Neuregelungen ist es uns gelungen, die meisten Schwerpunkte zu entschärfen.“ Natürlich hat es auch 2017 wieder 22-mal gekracht am Ochsenzoll-Kreisel – was bei mehr als 48.000 Autos am Tag aber unauffällig ist. Mit 35 die meisten Unfälle auf einer Kreuzung gibt es auf dem neu umgebauten Verkehrsplatz Schleswig-Holstein-Straße, Poppenbütteler Straße und Stormarnstraße. Besonders die Linksabbieger aus der Stormarnstraße in Richtung Norden kollidieren hier öfter mit dem Gegenverkehr. „Die haben jetzt eine eigene Ampelphase – auch wenn das bedeutet, dass sich zu Stoßzeiten Rückstaus in der Stormarnstraße bilden“, sagt Hädicke-Schories.
Vier Rotlicht-Blitzer für die Niendorfer Straße
Im Rathaus hat man allerdings eine gefährliche Kreuzung ausgemacht, die man noch in diesem Jahr mit Rotlicht-Blitzgeräten in allen vier Fahrtrichtungen entschärfen will: Die Kreuzung Niendorfer Straße mit der Ohechaussee. Und das, obwohl die Kreuzung als Unfallhäufungsstelle seit Jahren nicht im Verkehrsreport auftaucht. Unfälle, bei denen die Missachtung des Rotlichts ursächlich waren, gab es in den vergangenen sieben Jahren genau 456, sie machen unter fünf Prozent des Gesamtunfallaufkommens aus (10.571 Unfälle). Hauptsächlich auf der Segeberger Chaussee, der Ulzburger Straße und der Schleswig-Holstein-Straße nehmen es Autofahrer mit der Rotphase nicht so genau. „Auf der Niendorfer Straße kommt das auch vor, aber noch viel öfter etwas weiter östlich an der Einmündung der Straße In de Tarpen“, sagt Hädicke-Schories. Vielleicht sollte man die Rotlichtblitzer besser verteilen in der Stadt?
Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN, will den Vierfach-Blitzer auf der Kreuzung Niendorfer Straße verhindern. Er stellt den Kosten-Nutzen-Effekt infrage. „Vier Blitzer sind aberwitzig. An der Schleswig-Holstein-Straße war das gerechtfertigt, hier nicht.“ Rathje befürchtet, dass sich die Bürger gegängelt fühlen werden, er wird das Thema auf die Tagesordnung des Hauptausschusses am 16. April bringen.