Kaltenkirchen. 120 Besucher aus der Stadt und dem Umland kamen zur Informationsveranstaltung der FDP mit Sozialminister Heiner Garg ins Bürgerhaus.
Mit diesem enormen Andrang hatten die Veranstalter nicht gerechnet. 120 Besucher drängten sich ins überhitzte Bürgerhaus in Kaltenkirchen. Die FDP hatte zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Gibt es auch morgen noch genug Ärzte in Kaltenkirchen?“ eingeladen und damit eines der größten Probleme der Region thematisiert. Allerdings stand bereits nach wenigen Minuten fest, dass der Ärztemangel längst Realität ist. Fachärzte fehlen, Hausärzte nehmen keine neuen Patienten auf.
Eine Besucherin berichtet von ihrer 84 Jahre alten Mutter, die zu einem Allgemeinmediziner bis nach Henstedt-Ulzburg fahren müsse. Sie selbst finde derzeit gar keinen Hausarzt. Täglich höre er von ähnlichen Problemen, berichtete Klaus Stuber, Vorsitzender des Seniorenbeirats. Besonders betroffen seien ältere Menschen, die von außerhalb zu ihren Kindern ziehen, und hinzugezogene junge Familien, die keine hausärztliche Versorgung finden.
In den Nachbargemeinden sieht es kaum besser aus. Alveslohes Bürgermeister Peter Kroll berichtete, dass seine Gemeinde ohne Hausarzt dastehe, nachdem die letzte Praxis geschlossen worden sei. 900 Unterschriften habe man für eine Wiederbesetzung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingereicht, jedoch ohne Erfolg. Jetzt müssten die Alvesloher weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. „Das kann es nicht sein“, sagte Kroll.
Auch Heiner Garg kann keine schnelle Lösung vorlegen
„Ein Arztwechsel ist in Kaltenkirchen so gut wie unmöglich“, sagte die FDP-Ortsvorsitzende Katharina Loedige. Und wenn doch, müsse sich der Patient auf Wartezeiten bis zu einem Dreivierteljahr einstellen. Als sie Berechnungen der KV zitierte, der Versorgungsgrad liege bei 110 Prozent, ertönte lautes Gelächter. Ebenso ungläubig staunten die Besucher, als Loedige berichtete, dass der 5000-Einwohner-Gemeinde Trappenkamp genauso zwei Kinderärzte zustünden wie der 14.000-Einwohner-Stadt Bad Bramstedt. „Wir verstehen die Berechnungen nicht“, sagte Loedige. „Wir haben ein deutliches Wartezeitenproblem bei Kassenpatienten“, räumte ihr Parteifreund, Sozialminister Heiner Garg, ein. Eine schnelle Lösung könne auch er nicht vorlegen, sagte er und machte viele Faktoren für die aktuellen Probleme aus: Viele Ärzte wollen nicht aufs Land. Andere scheuen das Risiko der Selbstständigkeit oder haben Karriere in Kliniken gemacht.
Dennoch sei das System nicht so starr wie häufig kritisiert. So können Kommunen eigene Arztsitze einrichten oder die KV genehmige Ausnahmen, wenn ein Mediziner Kassenarzt in einer Region werden wolle, die theoretisch bereits gut versorgt sei.
Mit einer nach eigenen Worten „frohen Botschaft“ überraschte Bianka Hartz von der KV Schleswig-Holstein die Besucher. Ihr lägen zwei Anträge von Medizinern vor, die sich in Kaltenkirchen niederlassen wollen. Ein weiterer Antrag sei bereits vor Monaten genehmigt worden. Voraussetzung sei, dass ein Bedarf nachgewiesen werden müsse. Zufrieden ist der Allgemeinmediziner Jochen Gerlach damit jedoch nicht. „Wir brauchen zehn neue Hausärzte für Kaltenkirchen“, sagte er. Er und seine Kollegen investierten viel Energie, um neue Kollegen in die Stadt zu holen. „Uns blutet das Herz, wenn wir einen Patienten ablehnen müssen“, sagte Jochen Gerlach. „Aber im Moment geht es nicht anders.“
Der Hauptausschuss der Stadt hat in seiner Januar-Sitzung beschlossen, eine kommunale Beteiligung zur Sicherung der Ärzteversorgung zu prüfen. Die Verwaltung solle ein Konzept durch die Ärztegenossenschaft Nord erstellen lassen. Im Gespräch ist beispielsweise der Bau eines neuen Ärztezentrums am Kisdorfer Weg in der Regie der Stadt.