Langenhorn. Anwohner am Tarpenstieg in Langenhorn kämpfen für den Erhalt der vom Abriss bedrohten Behelfsheime. Vertragsverlängerung möglich.

Beschaulich. Idyllisch. Ruhig. So wirkt auf den ersten Blick die Siedlung mit ihren 14 Häusern am Tarpenstieg in Langenhorn inmitten des Gewerbegebietes rund um den Tarpen. Doch mit der Ruhe in unmittelbarer Nähe der Norderstedter Stadtgrenze ist es vorbei. Die Bewohner der Häuser sind aufgebracht, weil ihre Eigenheime abgerissen werden sollen, damit auf der Fläche vielleicht einmal Kleingärten entstehen können. Die Abrisskosten sollen die Bewohner selbst zahlen und deshalb 170 Euro pro Monat zurücklegen.

Der Hintergrund: In den Nachkriegsjahren entstanden in Hamburg behördlich genehmigte „Behelfsheime“. Errichtet zumeist in Kleingärten und auf Grünflächen, verpachtet auf unbestimmte Zeit, jedoch jährlich kündbar. Die Wohnungen sollten eben nur ein „Behelf“ sein und keinen vollwertigen Wohnungsersatz darstellen. Mehrere Hundert dieser „Behelfsheime“ wurden in Hamburg inzwischen wieder abgerissen; am Tarpenstieg allerdings stehen sie – noch.

Dass in der Hansestadt zurzeit und auch künftig viele Wohnungen gebaut werden, ist nicht zu übersehen – auch aus so mancher Kleingartenparzelle wurde bereits Bauland. Wenn nun in der Stadt irgendwo Kleingärten verschwinden, dann müssen an anderer Stelle in der Stadt – beispielsweise am Tarpen­stieg – neue Flächen für Kleingärtner geschaffen werden. So ist es in einem Vertrag zwischen der Stadt und dem Landesbund der Gartenfreunde geregelt: „In Hamburg ist die Fläche für 10.000 Kleingärten vorzuhalten“, sagt Andrea Rugbarth, frühere SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des Langenhorner Bürger- und Heimatvereins. Sie betont: „Die Bewohner am Tarpenstieg wurden jedoch jahrelang im Glauben gelassen, dass hier nichts passiert. Denn im B-Plan von 1992 steht: Die jetzigen Bewohner können wohnen bleiben, solange die Häuser standsicher und bewohnbar sind. Sonst hätten die Pächter doch auch nicht so viel in ihre Häuser investiert.“

Bewohner haben bis zu 100.000 Euro investiert

Die Vereinsvorsitzende kennt einen Hauseigentümer, der seit 1992 am Tarpenstieg wohnt und seitdem ungefähr 100.000 Euro investiert hat. Das Haus und auch alle anderen „Behelfsheime“ seien keineswegs wackelige Bretterbuden, versichert Rugbarth. Eine weitere Tarpenstieg-Anliegerin ist Sylvia Silvester (54), die ihr Haus vor neun Jahren gekauft hat. Im Oktober vergangenen Jahres war es schuldenfrei – zu der Zeit kam allerdings auch die Kündigung des Pachtvertrages zum Ende des Jahres 2019.

Blick in den Tarpenstieg. Die Behelfsheime entstanden nach dem Krieg
Blick in den Tarpenstieg. Die Behelfsheime entstanden nach dem Krieg © HA | Bianca Bödeker

Der Hauptpächter der Fläche, der frühere Deutsche Siedlerbund e. V. und heutige Verband Wohneigentum e. V., konnte im Auftrag der Pächter mit Hamburgs Behördenvertretern eine Fristverlängerung bis 2027 aushandeln – doch zufrieden sind die Tarpenstieg-Anlieger damit nicht. „Der Verband verhandelte miserabel“, sagt Andrea Rugbarth. „Und er baute Druck auf die Pächter aus. Vor allem erklärte er sich mit der Gegenmaßnahme für die Fristverlängerung einverstanden, nämlich dass die Pächter die Abrisskosten ihrer Häuser selbst über zehn Jahre ansparen müssen.“

Rolf-Rüdiger Seidel, Vorsitzender des Verbands Wohneigentum, weist die Kritik zurück: „Bereits vor drei Jahren haben wir vom Immobilienmanagement der Stadt Hamburg ein Schreiben erhalten, dass diese Fläche bis 2019 von den Pächtern zu räumen und die Häuser abzureißen sind. Dieses Schreiben haben wir an die Hauseigentümer weitergeschickt und dem Immobilienmanagement gleich die Frage gestellt: Warum wollt ihr kündigen?“ Denn, sagt Seidel, der Landesbund der Gartenfreunde habe an die Stadt keine Anforderung gestellt, dort Kleingärten zu errichten. Zudem würden die Häuser an einer asphaltierten Straße liegen und seien an die Strom-, Wasser- und Gasversorgung angeschlossen.

Auf Vermittlung von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hätten sich schließlich alle Beteiligten an einen Tisch gesetzt und die Fristverlängerung inklusive Abrissklausel ausgehandelt. Druck auf die Pächter sei nicht ausgeübt worden, betont Seidel.

Bedarf an Kleingärten gibt es zurzeit nicht

Harald Rösler, Leiter des Bezirksamts Hamburg-Nord, betont, dass das Gelände am Tarpenstieg im Bebauungsplan für Dauerkleingärten ausgewiesen sei – was auch allen Akteuren bekannt sei. Dass die Verträge ursprünglich zum Ende 2019 gekündigt worden seien, liege daran, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein Bedarf an Ersatzkleingartengelände nicht auszuschließen gewesen sei.

Allerdings, sagt Rösler, sei aktuell die Frage nach Gärten in dieser Randlage noch nicht besonders groß, sodass die Fristverlängerung eine gute Lösung sei. Rösler: „Ich halte das für einen fairen Kompromiss: Die Siedler und ihr Verband haben ein Jahrzehnt Planungssicherheit für die Mietgrundstücke. Gleichzeitig aber geben Landesbund der Gartenfreunde und Bezirk das Planungsrecht nicht auf, das möglicherweise in einigen Jahren dringend gebraucht werden könnte.“

Und die Anlieger des Tarpenstiegs? Die hoffen nun auf weitere Gespräche mit allen Beteiligten. Andrea Rugbarth betont indes: „Es kann ja nicht sein, dass wertvolles Wohneigentum vernichtet wird, damit ein weiteres Areal entsteht, auf dem Kleingärten geplant sind, die es aber wohl nie geben wird, weil sie hier nicht gebraucht werden. Denn würden sie gebraucht, dann gäbe es nicht so viele leer stehende Kleingärten in Langenhorn und umliegenden Stadtteilen.“