Norderstedt . Die neu eröffnete Horst-Embacher-Allee – Hauptschlagader im Garstedter Dreieck – stößt auf große Kritik bei vielen Bürgern.
Die Horst-Embacher-Allee an einem Werktag, 11.30 Uhr. Der Bus der Linie 193 rauscht mit brummendem Dieselmotor vorbei. Vom Friedrichsgaber Weg biegen wenige Autos im Rhythmus der Ampelschaltung auf die „neue, schnelle Verbindung zum Herold-Center“ (O-Ton Stadtverwaltung) ab. Ansonsten: Kaum Fahrradfahrer auf der Straße, ab und an Lastwagen, die Baustellen suchen.
„Nachts sieht das hier anders aus“, sagt Jonas von Ahn. „Dann herrscht hier reger Verkehr, und die Raser sind unterwegs.“ Der junge Vater ist gerade mit seinem Sohn Junis auf der Embacher-Allee unterwegs. Er wohnt seit kurzer Zeit in einem der neuen Wohnhäuser direkt an der gerade frei gegebenen Hauptschlagader des Garstedter Dreiecks. „Es gibt zwei neue Umfahrungen in der Stadt, auf denen gerne gerast wird: Die Oadby-and-Wigston-Straße und die Embacher-Allee. Auf der Oadby-and-Wigston stehen der feste und auch laufend der mobile Blitzer. Auf der Embacher-Allee nicht.“
Verkehrsberuhigung überall – an der Embacher-Allee nicht
Seit der Freigabe der Embacher-Allee am Montag gibt es unter den Anwohner nur ein Thema: Der Verkehr. Keiner versteht, warum die Stadt die Straße mitten im Wohngebiet als neue, schnelle Hauptachse zum Herold-Center bezeichnet. Alle wollen weniger statt mehr Autos und Lastwagen, sind genervt von Lärm, Abgasen und sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Es scheint, als müsse die Straße zu viele Bedürfnisse befriedigen. Gleichzeitig soll sie eine schnelle Verbindung, die Fahrradstraße, die verkehrsberuhigte Zone und die Umgehungsstraße sein.
Beim Spaziergang im Viertel treffen wir ein Anwohner-Paar im Rentenalter. „Das sollte hier eine 30er-Zone werden“, sagt die Frau, die sich im Vorbeieilen entrüstet. „Der Lärm, die Autos, die Raser – das ist alles ausgesprochen lästig – schreiben Sie das! Man bekommt hier Angst um die vielen Kinder.“ Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Und das mit dem Radweg auf der Straße, das versteht hier auch niemand.“ Dann sind die beiden weg – Termin im Herold-Center.
Die Menschen hier schätzen das Viertel mit seiner Nähe zum Einkaufszentrum an der Berliner Allee, die neuen, komfortablen Häuser, die gute Anbindung zur U-Bahn mit der nahen Haltestelle Richtweg – und auch dem Bus vor der Tür. „Gerade für uns ältere Menschen ist der Bus ein Segen“, sagt eine Anwohnerin, die in der Terrassentür steht. „Aber wenn ich den Bus vor der Tür habe und das zischt, wenn die Türen aufgehen, und es macht immer ,Piep-Piep-Piep’ – dann bin ich doch genervt“, sagt eine Nachbarin. „Ich kenne hier eine Frau die sagt: Hätte ich gewusst, dass hier eine Buslinie entlang geht, wäre ich hier nicht hingezogen.“ Sie selbst lebt in einer Vier-Zimmer-Wohnung zur Miete – für 2000 Euro. „Und mein Schlafzimmerfenster geht vorne raus – wenn es heiß ist, kann ich kein Fenster öffnen!“ Motorräder und Autos ununterbrochen und laut, alle 20 Minuten der Bus. „Und alle fahren wie die Wilden, auch nachts!“ Je länger die Anwohnerin über ihre Situation nachdenkt, desto aufgebrachter wird sie. „Der Schall der Wagen wird durch die eng stehenden Häuser verstärkt.“
Zum Herold-Center? Lieber über die Stettiner Straße!
Anwohnerin Ute Bellmann hat sich schon während der Planungsphase der Embacher-Allee gegen die Verkehrsregelung gewehrt. „Ich war in den Sitzungen des Verkehrsausschusses. Dort wurde ich von einem Politiker gefragt, über was ich mich eigentlich aufrege. Zur Straße raus gingen bei den Wohnhäusern doch nur die Wirtschaftsräume.“ Von wegen. Bellmann kann es grundsätzlich nicht verstehen, dass ein Wohnviertel mit einer Durchgangsstraße geplant wurde. „Überall sonst werden Straßen verkehrsberuhigt, auch aus Lärmschutzgründen.“ Von der Stadt wurde ihr die Auskunft gegeben, dass das Wohnviertel Garstedter Dreieck als nicht besonders sensibler Bereich eingestuft sei, grundsätzlich gut geeignet, einiges an Verkehr aufzunehmen. Die Embacher-Allee soll zum Beispiel die Stettiner Straße entlasten, über die Norderstedter bislang über den Friedrichsgaber Weg kommend das Herold-Center anfahren. Ute Bellmann versteht das nicht: „Wieso muss die Stettiner Straße entlastet werden? Dort sind doch nur Gewerbebetriebe, und kaum einer wohnt da – was soll das? Wo sind hier die Politiker, die sich sonst so vehement für Verkehrsberuhigung einsetzen?“
Anwohner Michael Remmers nennt die Planung auf der Embacher-Allee den „absoluten Irrsinn“ und findet, dass der Verkehr ruhig weiter durch die Stettiner Straße laufen könnte. „Stattdessen leitet man lieber 15.000 Autos pro Tag durch ein Wohngebiet. Und wie schön der Lärm der Motorräder oder der Auspuffrohre eines Porsches zwischen den Häusern widerhallt!“
Differenziert betrachtet Karl-Heinz Schlichting die Situation, der seit einem Jahr eine Eigentumswohnung an der Embacher-Allee hat und aus Hamburg übergesiedelt ist. „Alle wollen den Bus in der Straße, aber nicht den Lärm dazu. Ich bin froh, dass ich die Haltestelle hier habe.“ Vom Viertel aus sei alles gut zu erreichen – und dafür braucht es nun mal auch eine leistungsfähige Straße. „Zum Durchrasen ist die Embacher-Allee doch gar nicht geeignet“, sagt Schlichting. Wenn abends alle Parkbuchten belegt seien, wirke die Straße richtig eng. Außerdem glaubt er nicht, dass sich die Embacher-Allee als schnelle Verbindung zum Herold-Center etablieren wird. „Die Straße taugt nicht als Abkürzung, weil man bei der Einmündung am Friedrichsgaber Weg so lange an der Ampel warten muss.“ Außerdem würden die Radfahrer und wartenden Busse auf der Straße die Strecke zusätzlich unattraktiv für die Autos machen.