Henstedt-Ulzburg. Top-Mediziner der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg appellieren an insolventen Mutterkonzern, von strukturellen Kürzungen abzusehen.

Die Lage ist ernst an der Paracelsus-Klinik in Hen­stedt-Ulzburg. In einer Woche – am 14. Februar – soll von Seiten der gleichnamigen, zahlungsunfähigen Unternehmensgruppe bekannt gegeben werden, in welcher Form der Betrieb am Standort weitergehen wird, ob eventuell sogar alle Einrichtungen verkauft werden. In einem außergewöhnlichen Schritt appellieren nun die Top-Mediziner des Krankenhauses, also die Chefärzte und Oberärzte, dazu auch die niedergelassenen Ärzte der Region, den Standort in seiner jetzigen Struktur unbedingt beizubehalten.

Einer von ihnen ist Jürgen Ropers, Leiter der Wirbelsäulenchirurgie. Er spricht davon, dass die Entscheidungen der vergangenen Jahre es den Ärzten „nicht immer leicht gemacht hätten“, also etwa die zahlreichen Wechsel bei den Verwaltungsdirektoren. Aber: „Wir stehen geschlossen hinter dem Unternehmen, hinter der Versorgung der Patienten. Wir schicken keine Patienten weg, behandeln alle mit dem gleichen Standard wie zuvor.“

Dass die Gynäkologie und die Geburtshilfe zur Disposition stehen, hatte der Generalbevollmächtigte Reinhard Wichels in der vorletzten Woche bestätigt. Und dass der Chefarzt Tobias Zeiser Ende 2017 das Haus verließ, passt ins Bild. Hendrik Hahn ist derzeit kommissarischer Leiter des Bereiches. „Es war keine Trennung im Frieden, sie wurde von den Paracelsus-Kliniken betrieben.“ Er berichtet davon, dass die niedergelassenen Ärzte schon jetzt der Gynäkologie weniger Patientinnen zuwiesen. „Das ist schon auffällig.“

Millionen-Minus

Am 21. Dezember 2017 stellten die Paracelsus-Kliniken einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Die Situation des Konzerns wurde als „finanzielle Schieflage“ beschrieben.

2017 machte das Unternehmen (40 Einrichtungen, 5200 Beschäftigte) ein Minus im zweistelligen Millionenbereich.

Am 14. Februar werden die Mitarbeiter in Henstedt-Ulzburg und danach die Öffentlichkeit über die Zukunft des Standortes informiert.

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Im gesamten Konzern gibt es lediglich noch zwei Geburtshilfen – neben Henstedt-Ulzburg noch im sächsischen Reichenbach. Kinderarzt Thomas Schneider warnt vor Kürzungen in diesem Bereich. „Wir haben drei Kinderärzte, tolle Hebammen und Krankenschwestern. Wir können nicht noch weniger Personal haben, können nicht noch ökonomischer werden.“ Uwe Thiede, Leiter der Pädiatrie, nennt die Paracelsus-Klinik einen „guten Gegenentwurf zu den großen Gebärkliniken“. Er selbst arbeitete zuvor an der Asklepios Klinik Nord – in Langenhorn kommen pro Jahr 1800 Neugeborene zur Welt, in Henstedt-Ulzburg waren es 2017 genau 810 Babys. „Ich sehe eine große Chance, mit Investitionen die Geburtenzahlen wieder hochzufahren. Vier Kreißsäle für 800 Geburten ist attraktiv, das müssen wir nur in die Bevölkerung bringen. Die ganze Region ist voll mit jungen Familien, es ist wichtig, für diese eine Versorgung darstellen zu können.“

Noch, das bekräftigen alle, gibt es kaum Abgänge. „Es gibt eine hohe Affinität der Mitarbeiter zum Standort, erstaunlich wenige gehen von Bord“, so Dirk Seeler (Chefarzt Innere Medizin). Noch sei die Fluktuation normal. Anfragen gibt es aber längst. „Ich werde jede Woche angerufen von Headhuntern, die mich abwerben wollen“, sagt Matthias Helt, Oberarzt der Anästhesie. Und Roman Koch, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie, ergänzt: „Der Gesundheitsmarkt bietet Optionen. Aber wir halten an unserem Arbeitsplatz fest.“

Die Bedeutung der Klinik für das Umland heben die Mediziner hervor – und das nicht nur wegen der Geburtsstation. „Wir sind zwar dicht an Hamburg. Aber würde es uns nicht geben, würden sich Fahrten um mindestens zehn Kilometer verlängern“, sagt Sönke Bax, Leiter der Notaufnahme. „Wir müssen auch an Kaltenkirchen denken, ein großer Teil der Patienten kommt aus Bad Bramstedt. Wir haben jährlich in der Notaufnahme 23.000 Patientenkontakte. Das zeigt, dass das Angebot angenommen wird.“

Henstedt-Ulzburgs Bürgermeister Stefan Bauer versprach, für die Klinik zu kämpfen. „Es geht um die flächendeckende Grundversorgung und kurze Wege, um die ärztliche Leistung an den Bürger zu bringen. Henstedt-Ulzburg ist ein wichtiger Standort, insbesondere seit der Schließung des Krankenhauses in Kaltenkirchen.“ Zudem liege das Haus in einer Wachstumsregion. „Der Wunsch der Menschen, ins Hamburger Umland zu gehen, ist ungebrochen. Der Bedarf für einen starken Krankenhaus-Standort wird wachsen. Umso tragischer wäre es, wenn kontraproduktive Schritte eingeleitet würden.“

Auf dem Foto, unten v.l.: Henstedt-Ulzburgs Bürgermeister Stefan Bauer; Jürgen Ropers (Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie); Oksana Ulan (Allgemeinmedizinerin, Hausärztin Henstedt-Ulzburg); Ingo Lund (Oberarzt Intensivstation); Thomas Schneider (Kinderarzt); Roman Koch (Chefarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie); Christian Clausen (Chefarzt Orthopädie, Unfallchirurgie); Matthias Helt (Oberarzt Anästhesie); Mitte v.l.: Hendrik Hahn (komm. Leiter Gynäkologie u. Geburtshilfe); Sönke Bax (Leitender Arzt Notaufnahme); Uwe Thiede (Leitender Arzt Pädiatrie); Oben: Dirk Seeler (Chefarzt Innere Medizin).