Norderstedt. Stadt will am Richtweg 240 Wohnungen bauen. Anwohner fühlen sich „quasi enteignet“ und schließen sich in einer Initiative zusammen.
Die Pläne liegen vor ihnen – und provozieren Ärger und Sorgen bei den Anliegern des Richtwegs: Ihre Häuser und Grundstücke sind durchgekreuzt, auf den Flächen machen sich Quader in kräftigem Pink breit, sie dominieren die schwarzen Linien und Schraffierungen von Häusern und den dazugehörigen Gärten. „Das sieht so aus, als wenn es uns gar nicht mehr gibt und dort schon die neuen Wohnblöcke stehen“, sagt Hartmut Heydecke, zusammen mit Marc Goldschmidt Sprecher der Interessengemeinschaft Garstedter Dreieck.
Die Mitglieder fürchten um den Wert ihrer Immobilien, fühlen sich „quasi enteignet“. Mit einer solchen Planung übe die Stadt Druck aus, wolle die Eigentümer dazu bringen zu verkaufen. Investoren würden angelockt, störten die Ruhe und das kleine Idyll mitten in Norderstedt Ost.
Anlass des Ärgers ist der Bebauungsplan 305, der das Baurecht für eine Fläche regelt, die mit den in Norderstedt dringend benötigten Wohnungen bebaut werden soll. 240 sollen auf den 20.000 Quadratmetern Knicklandschaft nördlich und südlich des Richtweges entstehen, bis zu fünfgeschossige Gebäude, verteilt auf vier Baukörper mit der Anmutung von Gehöften. Die „Solarhöfe Garstedt“ sind Teil des Neubaugebietes Garstedter Dreieck, in dem in einigen Jahren 2000 Menschen leben sollen. Der Standort für das kleine Solardorf sei ideal, die U-Bahn-Station Richtweg liegt direkt vor der Tür, drumherum sei es trotz der zentralen Lage grün. Die Pläne sehen vor, dass 30 Prozent der neuen Wohnungen in geförderter Bauweise hochgezogen werden und somit auch von Menschen mit schmalem Budget bewohnt werden können.
Das Projekt teilt sich in zwei Bauabschnitte, südlich und nördlich des Richtwegs. Im ersten Abschnitt sollen im südlichen Solarhof direkt am Bahnhof 100 Wohnungen entstehen. Das Grundstück steht zur Verfügung, ein Investor ist gefunden, im Sommer soll der Bau beginnen.
Der zweite Bauabschnitt betrifft die drei nördlichen Solarhöfe, die auf den Grundstücken der Anwohner gebaut werden sollen. Die Anlieger sprechen insgesamt von Betonklötzen, die nicht in die Landschaft passten und halten auch den südlichen Komplex für unzumutbar. „Bei einem 60 bis 70 Meter breiten Riegel bleibt vom Blick in die Natur nichts übrig“, sagt Heydecke, Sprecher der Anwohnerinitiative, in der sich rund 30 Mitglieder gegen die Neubaupläne der Stadt wenden. Doch wegen der einmaligen Lage mit viel Grün vor der Tür und gut erreichbaren Einkaufsmöglichkeiten seien sie ja hierhergezogen.
Wenn die Häuser marode und nicht mehr zu sanieren wären, könnten die Betroffenen die Darstellung im B-Plan-Entwurf noch verstehen. „Aber die Gebäude sind alle in Ordnung“, sagt Anliegerin Heike Post, und es wolle auch niemand wegziehen. „Und was passiert, falls eine Immobilie doch mal wieder aufgebaut werden muss? Das lässt die Planung nicht zu.“ Kaufinteressenten würden abgeschreckt, wenn sie die Pläne mit den durchgekreuzten Häusern und Grundstücken sehen.
Die Interessengemeinschaft verweist auf ein Gespräch mit Vertretern der SPD. Da sei noch von drei bis vier Geschossen die Rede gewesen. Das sei der einzige Austausch gewesen, alle weiteren Versuche, mit der Verwaltung oder Politikern über das Bauvorhaben zu diskutieren, seien gescheitert. „Wir haben als Interessengemeinschaft Parteien, Stadtplaner und Immobilienentwickler aufgesucht, aber keine konkreten Antworten auf unsere Fragen erhalten“, sagt Heike Post.
Stadt Norderstedt versucht, die Anlieger zu beruhigen
In ihrer Stellungnahme beruhigt die Verwaltung die Anlieger: „Natürlich wird niemand enteignet“, sagt Bernd-Olaf Struppek, Sprecher der Stadtverwaltung, und: Die bestehenden Gebäude nördlich des Richtwegs genießen Bestandsschutz, und zwar unbefristet. Aus Sicht der Stadt würden die Grundeigentümer durch den Bebauungsplan sogar besser gestellt als bisher, denn: Bisher habe es für die Grundstücke im sogenannten Außenbereich keine weiteren Bebauungsmöglichkeiten gegeben, nun würden sie zu baureifen Grundstücken für verdichteten Wohnungsbau. „Wären die bebauten Flächen aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans herausgenommen worden, hätte die Stadt ihren Einfluss auf die städtebauliche Gestaltung verloren“, sagt Struppek. Der Bereich wäre nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs zu beurteilen, es würde für jedes einzelne Grundstück eine eigener Rechtsanspruch auf Nachverdichtung entstehen. Die Stadt halte mit dem Bebauungsplan-Entwurf an den bisherigen Planungszielen fest. „Dabei ist der Verwaltung bewusst, dass die drei nördlichen Wohnfelder voraussichtlich erst sehr langfristig, wenn überhaupt, bebaut werden können“, sagt der Rathaussprecher.
Die Stadt hatte die Pläne für die Solarhöfe vom 2. Dezember 2014 öffentlich vorgestellt und die Unterlagen anschließend bis zum 15. Januar 2015 im Rathaus ausgelegt. Auch jetzt haben die Anlieger die Chance, ihre Bedenken zu äußern: Die aktuellen Pläne können bis zum 15. Februar im Rathaus zu den Öffnungszeiten eingesehen werden.