Norderstedt . Käufliche Liebe darf nur noch anbieten, wer die gesetzliche Erlaubnis dazu hat. Viele in der Rotlicht-Branche verweigern die Anmeldung.

Wer Bordelle und Sexarbeiterinnen in Norderstedt sucht, wird mit nur wenigen Klicks im Internet fündig. Da warten Thai Taiwan an der Ohechaussee, die kolumbianische Sex-Maus Angie Columbia an der Straße An’n Slagboom oder Nicole Anal am Rugenbarg. Sie arbeiten gemeinsam mit Kolleginnen in zu Bordellen umgebauten Wohnhäusern, alleine in angemieteten Modellwohnungen oder überall dort, wo der Freier es wünscht – im Hotel, im Auto oder im Büro.

Wer die extrem freizügigen Bilder dort sieht und die detaillierten Beschreibungen über die Dienstleistungen der Damen liest, der könnte meinen, die Branche ist mehr als transparent. Tatsächlich ist sie weit davon entfernt. Keine Behörde kann beziffern, wie viele Bordelle oder Sexarbeiterinnen in Norderstedt aktiv sind.

Mit dem seit Juli 2017 geltenden Prostituiertenschutzgesetz soll nun alles anders werden. Nur noch offiziell angemeldete und kontrollierte Prostituierte und Rotlicht-Betriebe soll es auf dem Markt geben. Ein frommer Wunsch des Gesetzgebers. Die Realität ist komplizierter.

In ihr pfeifen manche Sexarbeiterinnen und Bordell-Betreiber auf die Meldepflicht. Dieser hätten ausnahmslos alle bis Ende Dezember 2017 nachkommen müssen. Das Wirtschaftsministerium in Kiel, zuständig für Bordelle und andere Anbieter der käuflichen Liebe, verzeichnete für den Kreis Segeberg gerade mal 14 Anzeigen von Betrieben, die bereits bestanden und die sich nun offiziell machen wollen.

Nur neun Anfragen für Neugenehmigungen kamen hinzu. In der Kreisverwaltung in Segeberg rechnet man mit einer Dunkelziffer an Betrieben, die mindestens genauso hoch liegt. Doch selbst wenn man offiziell also von etwa 30 Betrieben im Kreis ausgeht, deckt sich diese Zahl nicht annähernd mit der gefühlten Flut von Angeboten im Internet.

630 gemeldete Prostituierte gibt es in Schleswig-Holstein

Ganz zu schweigen von der tatsächlichen Zahl der Sexarbeiterinnen, die ihre Dienste in Norderstedt und im Kreis anbieten, darunter sowohl organisierte, professionelle Damen als auch „Hobby-Huren“, die nur dazu verdienen – und mutmaßlich eine unbekannte Anzahl Frauen, die nur unter Zwang ihren Körper verkaufen. Die Zuständigkeit für die Sexarbeiterinnen liegt beim Landesamt für soziale Dienste in Neumünster. Dort sind 630 Prostituierte in der Kartei – landesweit. Zahlen für die einzelnen Kreise gibt es nicht.

Im Landesamt soll geschehen, was das Prostituiertenschutzgesetz bezweckt. Die Sachbearbeiter sollen Frauen „allgemein und gesundheitlich“ beraten, sie sollen herausfinden, ob sie unter Zwang arbeiten, entweder wegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit – oder weil Dritte ihre Notsituation ausnutzen. Falls ja, wird die Anmeldebescheinigung – in der Branche „Huren-Pass“ genannt – verweigert.

Falls nein und die Frau weder sechs Wochen vor der Entbindung steht noch unter 18 Jahre alt ist, bekommt sie die Bescheinigung – entweder unter ihrem Klarnamen oder dem Alias-Namen, den sie als Sexarbeiterin benutzt. In Neumünster wurde die Bescheinigung in 630 von 630 Fällen erteilt. Das legt nahe, dass sich die Huren, die wirklich unter kriminellen Bedingungen arbeiten, nicht melden.

Und sicher auch nicht jene, die durch die Meldepflicht ein Zwangs-Outing befürchten. Denn viele Damen wollen den Job nicht ewig machen – aber nicht ein Leben lang mit den Daten in den Behördencomputern konfrontiert werden.

Während die Betroffenen sich also nicht sicher sind, ob das Prostituiertengesetz sie schützt oder doch nur bloß stellt, ist der Nutzen der Meldepflicht für die Behörden hingegen klar. Erstmals wird ein Überblick möglich, und die Branche wird klar strukturiert – in Bordelle und Sexarbeiterinnen mit und ohne Meldebescheinigung.

Die Nichtanmeldung ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis 10.000 Euro geahndet werden kann. Außerdem kann in ordentlich gemeldeten Betrieben besser auf Brandschutzverordnung, Erlaubnisanträge und Betriebskonzepte gepocht werden. In anderen deutschen Regionen soll das schon dazu geführt haben, dass Betriebe angesichts des behördlichen Aufwands dicht gemacht haben.

Beamte des Kreises machen Hausbesuche im Bordell

Die Kontrolle über die möglichen Bordelle – nicht der Prostituierten – haben die Kreisverwaltungen. In Bad Segeberg hat man dafür eigens eine Mitarbeiterin abgestellt, die sich seit dem Juli 2017 um nichts anderes kümmert. Im Zusammenspiel mit anderen Behörden und der Polizei versucht sie, zum Beispiel Bordelle ausfindig zu machen, die sich nicht angemeldet haben. „Je nach Erkenntnisstand werden noch nicht erfasste Betriebe zunächst angeschrieben und auf die bestehenden Pflichten hingewiesen.

Im weiteren Verlauf werden bei Bedarf auch Kontrollen vor Ort durchgeführt. Diese sollen in der Regel nach dem Vier-Augen-Prinzip und bei Bedarf in Zusammenarbeit mit der Polizei durchgeführt werden“, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Bei den Hausbesuchen könnten auch Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen der Frauen gewonnen werden. Und falls diese indiskutabel sind, erfolgt die Meldung an das Landesamt für soziale Dienste.