Bad Bramstedt . Kanadisches Unternehmen investiert 30 Millionen Euro in ein neues Hochsicherheitslager. Doch einige Fragen sind noch offen.

Für eine kleine Kurstadt wie Bad Bramstedt ist es nicht gerade an der Tagesordnung, dass multinationale Unternehmen 30 Millionen Euro in eine Ansiedlung investieren. Entsprechend erfreut ist Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach über die Absicht der kanadischen Firma Nuuvera, ein Warenlager auf dem Grundstück eines ehemaligen Maschinenbauers im Gewerbegebiet Nord der Stadt zu bauen.

Was das Investment noch ungewöhnlicher und zu einer nationalen Schlagzeile macht, ist die Ware, die Nuuvera hier einlagern möchte: mindestens fünf Tonnen Cannabis. Nuuvera will der weltweit größte Anbieter von hochqualitativem Medizinal-Cannabis werden und vom Bramstedter Lager aus den deutschen Markt erobern.

Cannabis als Teil von Therapie schwerer Krankheiten

„Für uns ist das zunächst eine Firma wie jede andere auch“, sagt Kütbach. „Und wir sind ja mit zwei Kliniken in der Stadt ein Gesundheitsstandort. Da wäre Nuuvera sicherlich auch in dieser Hinsicht ein Gewinn für die Stadt.“ Zwar gebe es noch Klärungsbedarf in den Details, und was die Sicherheit des Lagers angehe, müssten Landes- und Bundesbehörden involviert werden. „Aber von unserer Seite aus steht einer Baugenehmigung nichts im Wege“, sagt Kütbach.

Der Anwalt Hendrik Knopp ist der Geschäftsführer von Nuuvera Deutschland, die ihren Sitz offiziell in Hamburg-Altona an der Wohlers Allee hat. Das Unternehmen wurde erst vor etwa einem Jahr in Kanada von zehn Geschäftsleuten gegründet, die fest daran glauben, dass Medizinal-Cannabis in Zukunft ein fester Bestandteil in der Therapie schwerer Krankheiten wie Multiple Sklerose, AIDS, Schizophrenie, Parkinson, Tourette-Syndrom, Epilepsie oder Demenz sein wird. Gerade ist Nuuvera an die Börse gegangen und hat Kapital eingesammelt für eine Expansionsstrategie in Deutschland, Italien, Malta, Dänemark und Israel.

"Wir sind keine Dealer, wir sind die Healer"

Hendrik Knopp ist der Geschäftsführer von Nuuvera Deutschland
Hendrik Knopp ist der Geschäftsführer von Nuuvera Deutschland © HA | Andreas

„Wir sind keine Dealer, wir sind die Healer“, sagt Knopp. „Unsere Aufgabe sehen wir darin, Aufklärungsarbeit für den medizinischen Einsatz von Cannabis zu leisten.“ Denn obwohl die deutschen Krankenkassen seit März 2017 auch die Kosten für Cannabistherapien übernehmen müssen, gibt es in Deutschland nur sehr wenige Mediziner, die Cannabis auf Rezept verschreiben.

Während gerade in Kanada der Markt dafür schon sehr weit ist, herrscht in Deutschland die Skepsis. Ärzte fürchten unter anderem, dass sie sich Scharen von Kiffern in die Praxis holen, die unter fadenscheinigen Gründen an legales Cannabis gelangen wollen. Außerdem wird die Wirkung bezweifelt.

„Wir sind eine sehr junge Branche. Es fehlen Studien, die die Wirkung von Cannabis nachweisen. Doch genau diese Studien wollen wir mit unserem Engagement finanzieren“, sagt Knopp. „Wir müssen jetzt beweisen, was Cannabis alles kann.“ Es sei auch ein Kampf gegen die Bilder in den Köpfen – von kiffenden Junkies etwa.

Dabei gibt es heute schon etwa 13.000 Patienten in Deutschland, die mit Cannabis erfolgreich ihre Schmerzen oder andere Symptome bekämpfen. „Ich schätze das Potenzial in Deutschland in Zukunft auf etwa 100.000 Patienten ein“, sagt Knopp. Um ein Netzwerk für die Versorgung dieser Patienten aufzubauen, plant Nuuvera das Warenlager in Bad Bramstedt.

Cannabis im Hochsicherheitsbereich

Wobei diese Umschreibung untertrieben ist. „Es handelt sich vielmehr um einen Hochsicherheitsbereich und einen Tresor, in dem das Cannabis im Warenwert von Millionen von Euro gelagert werden soll“, sagt Knopp. Den etwa fünf Meter hohen und etwa 1000 Kilo schweren Tresor will Knopp in der entkernten Halle in Bad Bramstedt aufstellen.

„Das wird von außen völlig unscheinbar aussehen.“ Gesichert wird das Grundstück zusätzlich mit entsprechenden Zäunen, einer Videoüberwachung und durch die Präsenz von Sicherheitspersonal. Das Bad Bramstedter Polizeirevier wird eng in die Sicherheitsstrategie des Standortes eingebunden.

„Nach unserer Planung wollen wir im Spätsommer mit der Halle und dem Tresor fertig werden. In einem zweiten Schritt wollen wir dann auch eine zweite Anlage bauen, in der wir das Cannabis umverpacken und zu Produkten wie etwa Cannabis-Öl oder Tee verarbeiten.“ Die Ware selbst stammt aus Kanada. In Leamington am Erie See in der Nähe von Toronto baut Nuuvera mit viel Aufwand und geklonten Stecklingen einer Mutterpflanze Medizinal-Cannabis an, das einen gleichbleibenden Wert des Wirkstoffes THC und der anderen etwa 136 Inhaltsstoffe erreicht.

Hans-Jürgen Kütbach (FDP), Bürgermeister von Bad Bramstedt
Hans-Jürgen Kütbach (FDP), Bürgermeister von Bad Bramstedt © HA | Christopher Herbst

Die Wissenschaft, so Knopp, kann derzeit nicht genau sagen, welche der Wirkstoffe im Cannabis genau für die positiven Therapieergebnisse bei manchen Patienten verantwortlich sind. Deswegen werde derzeit die ganze Blüte verarbeitet. „Man kann das Cannabis-Öl einnehmen, den Cannabis-Tee trinken oder das Cannabis in einem Vaporisator verdampfen und inhalieren“, sagt Knopp.

Cannabisagentur des Bundes leitet Bewerberverfahren

In Bad Bramstedt kann sich Knopp viele Synergien mit den ansässigen Kliniken vorstellen. Das hänge letztlich von der Offenheit der dortigen Ärzte für die Cannabis-Therapie ab. Dass Bad Bramstedt in Zukunft allerdings von Kiffern überrannt wird, wie manche befürchten, belächelt Knopp. „Die Bramstedter werden das Cannabis gar nicht zu Gesicht bekommen. Wir planen schließlich weder einen Lagerverkauf oder ein Tasting. Das Lager dient der Logistik.“ Von Sicherheitstransportern werde das Cannabis zu den Abnehmern in ganz Deutschland geliefert.

Die Cannabisagentur der Bundesregierung, die für den Einsatz des Medizinal-Cannabis in Deutschland zuständig ist, will langfristig den Bedarf an Cannabis aus dem Anbau in Deutschland speisen. Derzeit bewerben sich in einem Verfahren mehr als 100 Unternehmen darum, in Deutschland Cannabis anbauen zu dürfen. Das Bieterverfahren ist geheim, weswegen Nuuvera seine Bewerbung nicht bestätigt.

„Wir sehen aber dem Ausgang des Verfahrens mit Zuversicht entgegen“, sagt Knopp vieldeutig. Dass Nuuvera in Deutschland und vielleicht auch in Bad Bramstedt Cannabis anbauen will, wäre sicherlich der logische nächste Schritt. Denn die Lieferung des kanadischen Cannabis in Spezialcontainern per Flugzeug ist sehr teuer. Das treibt die Kosten: Beim Apotheker kostet ein Gramm des Cannabis 24 Euro.