Kreis Segeberg. Polizei meldet für November fünfmal mehr Taten als im Oktober und reagiert mit einem noch nie dagewesenen Einsatz von Ermittlern.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche im Kreis Segeberg ist dramatisch angestiegen. Trotz großer Anstrengungen der Polizei und der Gründung einer Sonderkommission stiegen Einbrecher im November in 102 Wohnungen ein. Zum Vergleich: Im Oktober zählte die Polizei nur 22 Einbrüche.

Damit liegen im Kreis Segeberg die Novemberzahlen 2017 noch höher als im vergangenen Jahr und fallen deutlich negativer als im Rest Schleswig-Holsteins. Dort stellt die Polizei ebenfalls eine Zunahme fest, jedoch liegen die Zahlen unter denen des Jahres 2016. Diese Tendenz hatte sich zunächst auch im Kreis Segeberg gezeigt, doch jetzt sind die Fallzahlen deutlich nach oben geschnellt.

„Innerhalb des Kreises Segeberg liegt der Schwerpunkt deutlich im Hamburger Rand“, sagt Polizeisprecher Nico Möller. „Insbesondere die Stadt Norderstedt sowie der Revierbereich Kaltenkirchen sind hier am stärksten betroffen.“

Dass die Einbrecher jetzt Hochsaison haben, beschäftigt besonders die Sonderkommission „Wohnung“, die sämtliche Fälle in den Kreisen Segeberg und Pinneberg bearbeitet. Erstmals versucht die Polizei mit einer Soko, der wachsenden Einbruchskriminalität Herr zu werden und Täter zu finden. Eine Soko dieser Art ist in Schleswig-Holstein bislang einmalig.

Kriminalrätin Sarah Lampe leitet die Soko „Wohnung“ der Polizeidirektion
Kriminalrätin Sarah Lampe leitet die Soko „Wohnung“ der Polizeidirektion © Klietz | Wolfgang Klietz

Für die größte Sonderkommission in der Geschichte des Kreises Segeberg hat die Polizei Beamte aus der gesamten Direktion zusammengezogen. 50 Polizisten arbeiten für die Soko „Wohnung“ – ein noch nie dagewesener Kraftakt trotz knappen Personalbestands.

„Das Täterpotenzial ist extrem hoch“, sagt Soko-Chefin Sarah Lampe. Sie hat ihre Ermittler auf zwei Standorte verteilt. In Bad Segeberg ermitteln Kriminalbeamte und haben es in der Regel mit Tätern zu tun, die aus Kiel, Lübeck oder Neumünster anreisen. Am anderen Standort in Pinneberg, der auch den Süden des Kreises Segeberg abdeckt, sind es Einbrecher, die per Auto oder Bahn aus Hamburg kommen. „Das ist ein anderes Täterklientel“, sagt Sarah Lampe, die auf Beamte mit guten Ortskenntnissen, zum Beispiel von der Kripo Norderstedt, zurückgreifen kann. Fest steht: Die Beamten am Standort Pinneberg haben deutlich mehr zu tun als in Bad Segeberg.

Die Kriminalrätin ist froh, dass sie ihr Personal in einer Einheit konzentrieren kann. In den vergangenen Jahren befassten sich statt einer Soko vier Dienststellen mit den Einbrüchen in der Region. Der Austausch der Kriminalbeamten über Täter, ihr Vorgehen und Fahrtrouten war nicht so intensiv wie heute. Auf der Etage der Sonderkommission arbeiten die Männer und Frauen jetzt auf Zuruf. Punkt neun Uhr sitzen außerdem alle Ermittler in der Frühbesprechung beisammen.

Die Soko erleichtere auch die Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen in Schleswig-Holstein, in Hamburg und in Niedersachsen. „Für die Kollegen gibt es bei uns jetzt nur noch einen Ansprechpartner“, sagt Lampe. Dieser schnelle Informationsaustausch und der enorme Personalaufwand sind das Geheimnis der Soko. „Es bildet sich eine Schwarmintelligenz“, sagt die Soko-Chefin. „Die Kollegen werfen ihre Stärken zusammen. Das ist sehr kreativ und gewinnbringend.“

Amtsgericht genehmigt weitere Kontrollen

Die Polizei darf auch in den kommenden Wochen Personen und Fahrzeuge bei den sogenannten Anhalte- und Sichtkontrollen überprüfen.

Das Amtsgericht Bad Segeberg hat die Genehmigung für die Polizeireviere Norderstedt und Kaltenkirchen sowie für den gesamten Kreis Pinneberg bis zum 18. Januar verlängert.

Die Kontrollen sollen es der Polizei im Kampf gegen die Einbruchskriminalität erleichtern, Fahrten von Tätern nachzuvollziehen und Muster zu erkennen. Vor wenigen Tagen war die Polizei erstmals auf Bahnhöfen im Einsatz.

„Derartige Maßnahmen dienen der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion.

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Die Größe der Soko gewährleiste außerdem Flexibilität, sagt Sarah Lampe. Heute können sich gleichzeitig mehrere Ermittler um eine Einbruchserie kümmern, früher war es manchmal nur einer. Außerdem erleichtere die Vielzahl der Beamten personalintensives Arbeiten, zum Beispiel bei Observationen und Telefonüberwachungen. „Wir können die Arbeit auf mehr Schultern als bisher verteilen“, fügt die Soko-Chefin hinzu.

Gern betont sie, dass die Ermittler möglichst täterorientiert arbeiten und Serien aufdecken wollen. Doch wer in der dunklen Jahreszeit in die Häuser der Region einsteigt, ist häufig unklar. Strukturen zu erkennen sei schwer, meint die Soko-Chefin. Sie geht davon aus, dass vielfach voneinander unabhängige, überörtlich aktive Banden unterwegs sind, die ihre Wurzeln auf dem Balkan haben. Verschwunden sind Täter aus Chile, die noch vor wenigen Jahren für ganze Serien in Hamburg und im Umland verantwortlich waren.

In der Regel verabreden sich die Mitglieder einer Gruppe, fahren in eine bestimmte Region und halten nach einem Gebäude Ausschau, das lohnenswert erscheint. „Die lassen sich treiben“, sagt Sarah Lampe. „Solche Täter sind schwer zu ermitteln.“ Daher sei die Polizei besonders bei dieser Form der Kriminalität auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.

In 90 Prozent aller Fälle benutzen die Täter die Hebelmethode, um Terrassentüren oder Fenster zu öffnen, sagt die Kriminalistin. Jede zweite Tat scheitere. „Die Sicherungen sind deutlich besser geworden“, sagt Sarah Lampe. Fast immer bevorzugen Einbrecher schnell greifbare Beute wie Bargeld und Schmuck.

Sarah Lampe hält es für richtig, dass auch der Gesetzgeber auf die wachsende Einbruchskriminalität in Deutschland reagiert hat. Das Delikt wurde im vergangenen Sommer im Strafgesetzbuch zum Verbrechen heraufgestuft und wird mit Haft nicht unter einem Jahr bestraft.

Ob die Gründung der Soko tatsächlich die Zahl der Einbrüche im Kreis Segeberg auf Dauer senken wird, ist allerdings noch offen. „Das Bauchgefühl sagt, dass wir erfolgreich sind“, sagt Sarah Lampe. Um eine erste Bilanz zu ziehen, sei es aber noch zu früh.