Norderstedt. Die Stadt gibt 1,9 Millionen Euro für Beamer, Tablets und Handys aus, die den Unterricht an den Schulen modernisieren sollen.
Die Schüler schalten die Notebooks an und lösen die Aufgaben im Test zum Bruchrechnen – sofort wissen sie, wie gut sie sind, die Punktzahl ploppt in Echtzeit auf. Der Lehrer muss nicht erst lange korrigieren. Das Beispiel vom Gymnasium Harksheide zeigt, wie digitale Medien den Unterricht beschleunigen und optimieren können. „Wenn wir jederzeit online auf Arbeitsblätter zugreifen und sie bearbeiten können, kann die papierlose Schule Realität werden“, sagt Leon Langbein. Der 18-Jährige steuert auf das Abitur an der Willy-Brandt-Gemeinschaftsschule zu – beide Schulen gehören zusammen mit der Gemeinschaftsschule Harksheide zu den Pilotschulen, die das Lernen in Norderstedt in die Zukunft transportieren sollen.
Stadt will auch zusätzliches Personal einstellen
Verwaltung und Schulen haben die Norderstedter Digital-Offensive gestartet. Mit im Boot sind das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH), das für die Aus- und Fortbildung der Lehrer im Norden verantwortlich zeichnet, und das Zentrum für Medien und Informationstechniken – die frühere Norderstedter Stadtbildstelle betreut und berät die Schulen seit Jahren auf dem Weg in die Bildung der Zukunft.
Knapp 1,9 Millionen Euro stehen im Haushalt für 2018/19. Mit dem Geld sollen neun der zwölf Grundschulen und die drei Pilotschulen unter den weiterführenden Schulen mit Beamern für die Präsentation ausgestattet werden. „Millionen werden dazukommen, denn wir wollen digitales Lernen an allen Schulen gleichermaßen ermöglichen“, sagt Schuldezernentin Anette Reinders.
Alle 7800 Schüler sollen auf zentral bereitgestellte Lernmaterialien zugreifen, die in einer Cloud gespeichert werden, per E-Mail und in Lerngruppen miteinander kommunizieren können. Geplant ist auch mehr Personal, eine Stelle für die Koordination des Projektes und zwei für Administratoren, die die Technik instand halten.
Mit diesem schulübergreifenden Ansatz zählt Norderstedt landesweit zu den digitalen Bildungs-Pionieren. Doch wer denkt, es reicht, die Schulen mit WLAN und Tablets auszustatten, sieht sich getäuscht: „Das ist ein hoch komplexes Thema“, sagt Reinders. Die Technik ist nur ein Baustein, wenngleich ein wichtiger: „Es ist gerade für die Akzeptanz unter den Lehrern wichtig, dass sie auf ein stabiles Netz zugreifen können und die Technik funktioniert“, sagt Thomas Kuhn, Leiter der Willy-Brandt-Schule.
Die Pädagogen müssen die Frage beantworten, wann und wie in welchem Fach Handys oder Tablets eingesetzt werden, denn: „Die modernen Medien werden den Unterricht nicht völlig verändern. Sie bleiben Mittel zum Zweck, entlasten die Lehrer und fördern die Motivation der Schüler“, sagt Carsten Apsel, Leiter des Lessing-Gymnasiums, der mit Kollegen und Schülern schon vor der aktuellen Offensive das digitale Lernen erprobt hat.
Zwei Medienberater des IQSH helfen den Pädagogen, Handy, Beamer und Tablet in den Unterricht zu integrieren. „Nicht immer und überall macht der Einsatz Sinn. Wenn aber beispielsweise der Blutkreislauf auf dem Lehrplan steht, wird eine 3-D-Animation sehr wahrscheinlich das Verständnis erhöhen“, sagt Gesa Ramm, zuständige Abteilungsleiterin beim IQSH. Auch für die schnelle Recherche eignen sich die digitalen Geräte, Schüler können Erklär-Videos produzieren und über den Beamer anderen Ergebnisse von Gruppenarbeiten zugänglich machen. Dabei sollen sie nicht nur Wissen anhäufen und anwenden, sondern sich zudem Fertigkeiten aneignen, die die Kultusministerkonferenz als grundlegend für Medienkompetenz und einen verantwortlichen Umgang mit Internet, Handy und Tablet ansieht. Recherchieren, Produzieren und Präsentieren gehören genauso dazu wie der Schutz vor Datenmissbrauch.
Schulisches Intranet soll Jugendschutz sicherstellen
Jugendschutz ist eine Vorgabe für digitale Bildung. „Die Idee ist, auf das offene Moby-Click-Netz in Norderstedt ein zusätzliches Zugangsnetz, ein schulisches Intranet, aufzusetzen, das wir dann mit Schutzfiltern versehen können“, sagt Norbert Weißenfels, EDV-Leiter im Norderstedter Rathaus und ebenfalls mit im Boot. Jeder Schüler soll einen Zugangscode bekommen und, je nach Klassenstufe, auf die digitalen Materialien zuggreifen können. Dieses Netz muss dann mit dem Verwaltungssystem der Schule koordiniert werden, damit der Zugang mitwächst und nicht jedes Mal neu eingerichtet werden muss.
„Wir müssen den Weg zwischen Innovation und Tradition finden“, sagt Nora Bender, stellvertretende Leiterin der Grundschule Immenhorst. Schnell ein Erklär-Bild an die Wand werfen, eine Kindersuchmaschine verwenden, um einen Tiersteckbrief zu verfassen, das Schreiben auf der Tastatur lernen und Texte am PC erstellen und speichern – dafür seien moderne Medien durchaus hilfreich, aber: Gerade in der Grundschule seien Motorik und Koordination gefordert, Fertigkeiten, die zunehmend verloren gingen: „Die Schüler müssen nicht über ein Display wischen, sondern einen Stift halten können“, sagt Nora Bender.