Norderstedt. Die neuen „Hofgarten-Häuser“ passen nach Ansicht der Anwohner nicht ins Viertel. Das findet auch Baudezernent Thomas Bosse.

Sie wollen sich an den Anblick nicht gewöhnen, haben aber keine Wahl. Die alteingesessenen Anwohner der Ochsenzoller Straße in Garstedt westlich des Schwarzen Wegs erfahren derzeit, was es heißt, wenn sich eine Stadt im Wandel befindet. Auf Höhe der Hausnummern 18 bis 20 sind zwei Wohnblöcke mit jeweils vier zweigeschossigen Reihenhäusern plus Dachterrassen entstanden, die optisch eher in ein Neubauviertel passen würden, an dieser Stelle hingegen aus dem Rahmen fallen.

„Die Ochsenzoller Straße existiert schon lange, hier haben die Häuser Vorgärten. Und jetzt kommt ein Bauunternehmen und baut so, wie es bauen darf...“, sagt Peter Friedrichs, der mit seiner Familie direkt nebenan lebt. Für ihn ist das, was das Henstedt-Ulzburger Immobilienunternehmen Manke gebaut hat, nichts anderes als eine architektonische Sünde. Ganz gleich, ob das Vorhaben rechtlich einwandfrei ist.

Auch dieses Haus neben dem Restaurant Mendoza an der Ochsenzoller Straße 106 fällt optisch aus dem Rahmen
Auch dieses Haus neben dem Restaurant Mendoza an der Ochsenzoller Straße 106 fällt optisch aus dem Rahmen © HA | Christopher Herbst

„Hofgarten-Häuser“ nennt die Firma ihr Projekt. Zur Straße hin ist von grünen Gärten allerdings nichts zu sehen – die Terrassen weisen nach Westen, die geplanten Parzellen mit Rasen und Beeten entstehen momentan zur Südseite hin. An der Ochsenzoller Straße parken dafür die Autos – zehn gepflasterte Stellplätze wurden geschaffen, daneben werden Müllcontainer aufgestellt. Früher gab es auf dieser Fläche zwei klassische Einfamilienhäuser. Doch als die Eigentümerin vor einigen Jahren in ein Altersheim zog, wurde das Grundstück meistbietend verkauft – eben an Manke. 800.000 Euro sei der Erlös gewesen, hat Friedrichs gehört. „Uns war klar: Manke baut auf Kante. Erst waren ja sogar zweimal fünf Einheiten geplant, aber das hat die Stadt nicht genehmigt.“

Was ebenso nicht funktionierte: Eigentlich sollten die Reihenhäuser für jeweils 400.000 Euro verkauft werden. Hierfür gab es nicht ausreichend Interessen, doch dafür sind die Gebäude als Mietobjekte sehr attraktiv. Sieben von acht Immobilien sind bereits vom Markt, die Kaltmiete beträgt 1200 Euro. Online bewirbt die Firma Manke das Angebot mit blumigen Worten, spricht von einer „wohltuenden Idylle“ und einer „zeitlos-modernen Architektur“.

Die Zeit zurückdrehen können die Anwohner nicht, wohl aber dafür plädieren, dass vergleichbare Projekte in Zukunft nicht in dieser Form realisiert werden. „Sonst gibt es in Garstedt in 30 Jahren keinen Markenkern mehr“, sagt Kirsten Evers. „Hier werden ja nur noch Türme gebaut.“ Friedrichs, selbst bürgerliches Mitglied bei der WiN, hofft, dass der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr im Zweifelsfall Einfluss nehmen kann. „Der Wandel ist überall, aber man sollte nicht jedem Bauunternehmen Tür und Tor öffnen.“

Der Bauantrag war rechtlich einwandfrei

Friedrichs hatte sich mit seinen Sorgen auch schriftlich an Norderstedts Baudezernent Thomas Bosse gewendet. „Das Vorhaben hätten ich und mit mir die Kollegen im Baudezernat in dieser Form sehr gern nicht zugelassen“, antwortete dieser. Zugleich weist Bosse darauf hin, dass dieses Projekt beispielhaft für ein Grundproblem stehe: Was aus Sicht von Stadtplanern sinnvoll ist und sich harmonisch in die Umgebung einfügen würde, wird durch das Baugesetzbuch ausgehebelt.

„Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr berichten wir öfter über Bauvorhaben, die nach den fachlichen städtebaulichen Kriterien eigentlich falsch sind, aber aufgrund eines Rechtsanspruchs der Bauherren auf der Basis der geltenden Gesetze planungs- und baurechtlich zugelassen werden müssen“, sagt Bosse. Das gelte auch für das Vorhaben an der Ochsenzoller Straße, das die Kritik der Anwohner hervorgerufen hatte. Hätte die Verwaltung den Bauantrag abgelehnt, hätte der Bauherr, so Bosse, das Veto juristisch überprüfen lassen können, mit ziemlicher Sicherheit gewonnen und – berechtigt – Schadenersatz von der Stadt fordern können.

Eine harmonische Bebauung sei vorzuziehen, sie vermittle den Bewohnern Identität. Doch strenge Vorgaben, wonach sich Neubauten von Form, Farbe und Material den Häusern in der Umgebung anpassen müssen, seien in den 90er-Jahren liberalisiert worden. „Ziel war es damals, das Bauen generell zu vereinfachen.“ Damit seien Fragen wie die Gestaltung der Dachformen aus dem bis dahin gültigen Prinzip, wonach sich neue Gebäude einfügen müssen, herausgefallen. Er nennt andere Beispiele, Häuser mit grünen Dächern an der Niendorfer Straße und der Ochsenzoller Straße, die zwar von der Architektur her „super“ seien, aus städtebaulicher Sicht aber völlig unpassend.