Henstedt-Ulzburg. Der 67 Jahre alte Henstedt-Ulzburger Werner Emmerich ist als Komparse ein viel beschäftigter Mann für TV- und Fernsehproduktionen.

Morgens, 7 Uhr, Friedhof Ohlsdorf in Hamburg. Vor den Augen der Trauergäste wird der Sarg vom Wagen gehoben und vorsichtig in der Grube versenkt. Das ist ein normaler Vorgang, der auf dem großen Hamburger Friedhof mehrmals täglich zu beobachten ist. Allerdings: Mit Sicherheit nicht zu dieser frühen Morgenstunde. Und auch Werner Emmerich, einer der Sargträger, ist um diese Uhrzeit normalerweise eher noch nicht ansprechbar. Hier wird ein Film gedreht, der 67 Jahre alte Henstedt-Ulzburger Rentner geht seinem Hobby nach: Er ist Filmkomparse – und weil auf dem Friedhof gedreht wird, bevor der eigentliche Betrieb einsetzt, muss auch Werner Emmerich in aller Herrgottsfrühe aufzustehen.

Für eine Werbekampagne agierte Emmerich als Mann vom FBI
Für eine Werbekampagne agierte Emmerich als Mann vom FBI © HA | Werner Emmerich

Genau weiß er heute gar nicht mehr, welcher Film damals in Ohlsdorf gedreht wurde. Dafür sind es mittlerweile zu viele Filme, Werbespots und TV-Magazinsendungen, in denen er mitgewirkt hat. Buch führt der Hen­stedt-Ulzburger über seine Filmaktivitäten nämlich nicht. „Es sind aber schon viele, viele Filme zusammengekommen“, sagt der gelernte Koch, der in seinen entscheidenden Berufsjahren bei der Haspa im Bereich Private Banking tätig war und dort viele Veranstaltungen organisieren musste, bei denen sich auch Prominente aus Wirtschaft und Kultur einfanden. Diese Tätigkeit war eine entscheidende Weichenstellung für sein Leben nach der Berufszeit.

Heute profitiert Werner Emmerich von den Kontakten, die er damals knüpfen konnte. Er fand Gefallen an der Tätigkeit vor und hinter der Kamera: Als Komparse hat er die Möglichkeit, aktiv mitzuwirken, als Fotograf hat er Zugang zu Kreisen, in denen Pressefotografen nicht unbedingt gerne gesehen sind. Werner Emmerich, der seriöse ältere Herr aus Henstedt-Ulzburg, aber schon. Er fotografiert gerne, viel und vor allem für die Auftraggeber völlig kostenlos. Tausende von Facebook-Abonnenten können täglich verfolgen, wo er gerade wieder im Einsatz war. Manchmal erscheinen die Fotos aber auch in Tageszeitungen und Zeitschriften. So wie kürzlich in einem Bericht über den „Ladies Lunch“ der Stiftung Kinderjahre in der „Welt“. Sein Spitzname ist liebevoll gemeint: „Papa Razzo“.

Komparse, Statist – oder Glückspilz

Wenn ein Darsteller beispielsweise in einem Café sich in dem Moment hinsetzen soll, wenn ein Schauspieler zur Tür hereinkommt, spricht man von einem Komparsen.

Die anderen Gäste des Cafés, die ohne Beachtung der Haupthandlung agieren, also herumsitzen, sich unterhalten oder trinken, bezeichnet man hingegen als Statisten.

Eine besondere Gruppe unter den Komparsen besteht aus den sogenannten unfreiwilligen Komparsen, die im Fachjargon der Kameramänner auch als „Pilze“ tituliert werden.

Sie sind Glückspilze, weil sie in einem Film eine Rolle spielen, ohne dafür gearbeitet zu haben. Dies sind jene Passanten, die zufällig anwesend sind, während ein Film ohne Ankündigung auf offener Straße gedreht wird.

Auch größere Filmproduktionen zahlen maximal 10 Euro pro Stunde oder pauschal 100 Euro für einen (oft langen) Drehtag.

Wer selbst einmal als Komparse arbeiten will, der findet im Internet entsprechende Vermittlungsagenturen – beispielsweise www.komparse-gesucht.de.

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Doch zurück zu Emmerichs Dasein als Komparse: Für den „Tatort“ war Werner Emmerich mehrfach im Einsatz. Für die Folge „Frohe Ostern“ mit Wotan Wilke Möhring aus dem vergangenen Jahr bekam er sogar einen Smoking gestellt, den er in einer zum Tanzsaal umfunktionierten Lagerhalle in Niendorf tragen musste. „Stundenlang wurde an der Überfall-Szene gedreht“, erinnert er sich. Er und seine Komparsen-Kollegen gingen mehrfach zu Boden – was dabei herauskam, war allerdings dürftig: „Viel Aufwand für eine Szene, die im fertigen Tatort nur wenige Augenblicke zu sehen war.“ Kurz vor Ostern lief dieser TV-Krimi als Wiederholung im TV. Zusätzlich hatte er in diesem „Tatort“ übrigens noch eine zweite Komparsen-Rolle: Werner Emmerich spielte sich quasi selbst. Er war als Fotograf im Einsatz.

Im jüngsten Til-Schweiger-Film „Tschiller: Off Duty“ war er ein Gast an der Bar. Der Film floppte in den Kinos, aber das kann Werner Emmerich herzlich egal sein. Er streicht seine Gage zwischen 60 bis 100 Euro – je nach Aufwand – ein und hat mit allem anderen nichts zu tun. Wenn er mit eigenem Auto anreisen muss, gibt es zehn Euro extra. Immerhin.

Werner Emmerich aus Henstedt-Ulzburg bei Dreharbeiten auf dem Ohlsdorfer Friedhof Statist vor den Kameras
Werner Emmerich aus Henstedt-Ulzburg bei Dreharbeiten auf dem Ohlsdorfer Friedhof Statist vor den Kameras © HA | Werner Emmerich

Mit Marek Erhardt drehte er einen Imagefilm für die Restaurantkette Block House, im Winterhuder Fährhaus stand er in einem Werbespot für den Internetanbieter 1&1 vor der Kamera, in der deutsch-dänischen Koproduktion „Unter dem Sand – das Versprechen der Freiheit“ mimt er einen Kriegsgefangenen. Am 7. April kommt der Film in die Kinos, bereits im vergangenen Jahr wurde er weltweit auf Filmfestivals gezeigt und bekam Auszeichnungen und sehr gute Kritiken.

Mit Armin Rohde, Jürgen Vogel und Heino Ferch („Tod eines Mädchens“) hat er gedreht. In der neuen Komödienreihe „Eltern allein zu Haus“ (unter anderem mit Walter Sittler) ist Werner Emmerich ebenfalls zu sehen. „Natürlich nur kurz, aber ich bin dabei“, sagt er. Und manchmal darf er sogar ein paar Sätze sprechen. Wie zum Beispiel kürzlich in einem Beitrag für das Gesundheitsmagazin „Praxis“, in dem er einen Professor mimte.

Bei mehreren Komparsen-Agenturen ist Werner Emmerich eingeschrieben. Wenn sein Typ gefragt ist, wird er per E-Mail benachrichtigt. Dann kann er selbst entscheiden, ob er mitmachen will oder nicht. Meistens will er. „Ehe mir zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, bin ich lieber vor der Kamera im Einsatz.“

Emmerich stand schon sehr oft vor der Kamera –  unter anderem mit Heino Ferch (in der Mitte eine weitere Komparsin)
Emmerich stand schon sehr oft vor der Kamera – unter anderem mit Heino Ferch (in der Mitte eine weitere Komparsin) © HA | Werner Emmerich

Langeweile kennt der Witwer aus Henstedt-Ulzburg längst nicht mehr. Viele Prominente suchen inzwischen seine Nähe – was manchmal zu seltsamen Erlebnissen führt: Mit der Sängerin Doro Pesch, weltweit bekannt als „Queen of Metal“, stand der Rentner beim Wacken Open Air 2014 tanzend zusammen auf der Bühne (dieser Auftritt wurde sogar im Fernsehen gezeigt), die Band Kiss begleitete er auf einer Bahamas-Tour. „Mein Leben ist inzwischen alles andere als langweilig“, sagt Werner Emmerich, der seine Eigentumswohnung in Henstedt-Rhen eigentlich nur noch zum Schlafen nutzt. Wenn in Hamburg und Umgebung etwas los ist, setzt sich „Papa Razzi“ in sein Cabrio und braust los. Immer dabei, immer mittendrin, keine Pausen. Das Leben ist zu kurz, um sich auszuruhen.