Kreis Segeberg. Die Rohlstorferin spielt die Hauptrolle in „Das Tagebuch der Anne Frank“. Sie genießt die große Bühne genauso wie das Landleben

Wenn am morgigen Donnerstag der mit viel Lob bedachte Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ in die Kinos kommt, spielt die Hauptrolle eine junge Frau aus dem Kreis Segeberg: Lea van Acken verleiht dem jüdischen Mädchen, das sich mit seinen Eltern vor den Nazis zwei Jahre lang auf einem Dachboden in Amsterdam versteckte und kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, enorme Authentizität. Regisseur Hans Steinbichler hatte Angst, keine Anne zu finden. Lea van Acken habe beim Casting als zweite vorgesprochen, „und wir mussten nicht mehr überlegen“. Die großen dunklen Augen, der ebenmäßige Teint, der offene Blick – das Gesicht war gefunden.

© dpa | Britta Pedersen

Sie hatte die Rolle und plötzlich einen Riesenrespekt: „Ich darf mir doch als gut behütetes Mädchen nicht anmaßen, mich in ihr Schicksal und ihre Gefühle hineinzuversetzen“, sagt Lea, die mit ihrem Bruder und den Eltern auf dem Land lebt, sozial intakt und idyllisch in Rohlstorf, einer Gemeinde mit 1200 Einwohnern östlich von Bad Segeberg. Sie reitet und spielt Klavier, tanzt, schwimmt und joggt, verbringt gern Zeit mit „Menschen, die mir wichtig sind“ und ist glücklich, wenn sie einen tollen Film sieht. Nun spielt sie selbst mit und ist in ihre Rolle hineingekrabbelt. Briefe hat sie an Anne Frank geschrieben, von der Schule berichtet, von der Familie von den Dreharbeiten. Da sie etwas von sich geschrieben habe, habe sie das Gefühl gehabt, auch Annes Tagebuch lesen zu dürfen.

Der Film bleibt nah dran an den Gedanken von Anne Frank, ein Mädchen, das erwachsen werden will, in Konflikt mit den Eltern gerät, ihre Tage bekommt und sich verlieben will. „Anne hatte ähnliche Probleme wie jedes Mädchen, nur unter extremen Bedingungen. Sie wollte tanzen, einen Freund haben“, sagt die Darstellerin. Auf die Frage, wie es denn bei ihr mit einem Freund aussieht, antwortet Lea: „Zeit und Kraft für einen Freund könnte man schon aufbringen, wenn die Gefühle denn stark genug sind . . .“

Schon früh zog es sie auf die Bühne, mit neun Jahren überreichte sie auf Gut Pronstorf Blumen an die Künstler des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Mit zwölf bewirbt sie sich als Komparsin bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg, springt als Siedlermädchen im Stück „Der Ölprinz“ durch die Kalkbergarena und darf am Ende sogar einen Satz sagen.

Das Mädchen vom Lande will weitermachen, bewirbt sich bei einer Berliner Kinder- und Jugendschauspielagentur, verzichtet auf eine Bühnenausbildung, studiert stattdessen Schauspieler auf der Leinwand. 2014 verkörpert sie in „Kreuzweg“ die tief religiöse Maria, der Film gewann bei der Berlinale einen silbernen Bären. Es folgen Film- und TV-Rollen, unter anderem in der US-Serie Homeland. Und jetzt Anne Frank.

Ulrich Noethen, Stella Kunkat, Lea van Acken, Martina Gedeck und Regisseur Hans Steinbichler (v. l.)
Ulrich Noethen, Stella Kunkat, Lea van Acken, Martina Gedeck und Regisseur Hans Steinbichler (v. l.) © 2016 © Universal Pictures | 2016 © Universal Pictures

Hat der Film Spuren bei seiner jungen Hauptfigur hinerlassen? „Der Film hat mich stark verändert, für die damalige, aber auch für die heutige Zeit sensibilisiert. Die intensive Arbeit war ein Geschenk, durch Anne ist mir noch bewusster geworden, dass man für Überzeugungen eintreten muss“, sagt Lea, die Wirtschaft, Politik, Englisch und Philosophie besonders mag, gern nachdenkt und diskutiert. Und Abitur auf dem Segeberger Gymnasium machen will. Um Schule und Schauspielerei zu vereinen, müsse sie sehr diszipliniert sein. „Aber ich weiß ja, wofür ich das mache, und das macht mir so viel Spaß, dass ich beides schon irgendwie schaffe“, sagt das Schauspieltalent aus dem Norden. Schauspielerei sei das, wofür sie brenne, sie wolle noch viele tolle Rollen spielen. Offen lässt Lea, ob sie beruflich vor der Kamera stehen will.

Sie genieße ihr „Doppelleben“, in Berlin mit Stars wie Martina Gedeck oder Ulrich Nöthen auf dem roten Teppich und als „ganz einfach Lea“ auf dem Gymnasium, die wie alle ihre Hausaufgaben machen muss und sich nicht zu viele Fehlzeiten erlauben darf. „So wie ich jeden Tag in Berlin genieße, genieße ich auch das Leben auf dem Land. Allein im Wald joggen zu können, ist ein Luxus“, sagt die Segebergerin.

Der Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ kommt am morgigen Donnerstag in die Kinos.