Norderstedt. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote tritt als einziger Kandidat zur OB-Wahl an. Seine Ziele nennt er im Interview mit dem Abendblatt.

„Wir müssen uns auf die Digitalisierung vorbereiten und in der Lage sein, schnell Straßen für automatisiertes Fahren auszurüsten.“ Das sagte Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, der als einziger Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl am 24. April antritt, im Interview mit dem Hamburger Abendblatt.

Hamburger Abendblatt : Sie sind einziger Kandidat. Begrüßen oder bedauern Sie das?

Hans -Joachim Grote: Ich hätte gern einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin gehabt. Das zwingt einen dazu, sich intensiv mit den wichtigen Themen in der Stadt auseinanderzusetzen und erhöht die Chance, das eigene Profil zu schärfen. Auf der anderen Seite sehe ich den Verzicht der anderen Parteien darauf, einen eigenen Bewerber ins Rennen zu schicken, als Bestätigung meiner Arbeit.

Welche zentralen Themen wollen sie nach einer Wiederwahl anpacken?

Grote : Eine der größten kommunalen Herausforderungen auch für Norderstedt wird die Digitalisierung werden. Unser Zusammenleben wird sich komplett verändern.

Was heißt das konkret?

Grote : Online-Shopping ist schon jetzt auf dem Vormarsch, die Arbeitswelt wird sich verändern, die Zahl der Heimarbeitsplätze deutlich zunehmen genauso wie die Automatisierung. Und darauf müssen wir uns rechtzeitig vorbereiten. Ein Beispiel ist das automatisierte Fahren. Die Stadt muss auf Basis jetziger Planung in der Zukunft die Straßen kurzfristig so markieren können, dass Computer die Autos steuern können. Grundsätzlich muss das Motto sein: frühzeitig agieren statt reagieren. Beim Thema Energie, wo wir autark werden wollen, müssen wir ähnliche Vorkehrungen treffen.

Inwiefern?

Grote : Die Nutzung der Wärme aus dem Abwasser ist ein großes Zukunftsthema, wir müssen die Kanäle bei neuen Wohngebieten so bauen, dass Wärmetauscher integriert werden können. Bundesweit Vorreiter ist Norderstedt bei moderner Steuerungstechnik im Haushalt, ohnehin gilt die Stadt inzwischen als sehr innovationsfreudig, Norderstedt ist an mehreren Forschungsprojekten des Bundes für die Stadt der Zukunft beteiligt.

Das klingt nach einem Loblied auf die digitale Welt. Wo lauern Gefahren?

Grote : Wir müssen die Menschen mitnehmen, es wird sich niemand mehr entziehen können. Digitale Inklusion bedeutet: Wir müssen aufklären und Ängste so weit wie möglich nehmen, so wie das wilhelm.tel ganz aktuell mit dem „Digitalen Stresstest“ tut – an vier Abenden informieren Experten die Bürger über die Chancen und Risiken der digitalen Welt. Automatisierung bedeutet auch Anonymisierung. In der Woche haben die Menschen am Arbeitsplatz Kontakte zu Kollegen, Kunden und Vorgesetzten, aber was ist abends und am Wochenende? Hier müssen wir als Stadt gegensteuern und Treffpunkte schaffen, wo sich die Bürger real begegnen und austauschen.

Welche Orte haben Sie da vor Augen?

Grote : Die Büchereien werden solche Orte sein. Das neue Bildungshaus in Garstedt soll ein Begegnungszentrum werden, das Informationen und Veranstaltungen bietet, aber auch Raum für privaten Austausch.

Der Verwaltungschef spielt Golf und malt

Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, einziger Kandidat für die Wahl am 24. April, ist 60 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit spielt er Golf und widmet sich der Malerei.

1996 kam der CDU-Mann von Paderborn nach Norderstedt, wurde Baudezernent und trat zwei Jahre später zur Bürgermeisterwahl gegen Harald Freter von der SPD an. Grote gewann knapp, in den beiden weiteren Wahlgängen relativ klar.

Trotz des CDU-Parteibuchs sieht sich der Oberbürgermeister als überparteilichen Verwaltungschef, der sich um breite Mehrheiten bemüht.

Grote hat die Landesgartenschau nach Norderstedt geholt, in seine Amtszeit fallen der Bau der „TriBühne“ und des Verkehrsknotens Ochsenzoll.

Grote ist auch über die Grenzen Norderstedts hinaus bundesweit aktiv. Er ist Vorsitzender im Städteverband Schleswig-Holstein, 1. Vizepräsident im Deutschen Städte- und Gemeindebund und Präsident des Deutschen Bibliotheksverbundes.

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Sie haben das Ziel der fahrradfreundlichen Stadt ausgegeben. Doch der Initiative fehlt der Bums. . .

Grote : Wir haben in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für den Radverkehr schon stark verbessert, sind aber noch ein ganzes Stück von der echten „Fahrradstadt“ entfernt. Zum einen verhindern zum Teil die schmalen Straßen einen schnellen Fortschritt. Viele stammen aus den 50er-Jahren und sind mit der wachsenden Bevölkerung und den gestiegenen Anforderungen an die Breite von Fuß- und Radwegen nicht mitgewachsen. Wir können aus Platzmangel kaum reine Fahrradstraßen schaffen, wie es sie in anderen Orten gibt. Daher bleibt in den meisten Fällen nur, die Radler auf die Straßen zu bringen. Das aber wiederum erfordert neues Denken und Verhalten.

Inwiefern?

Grote : In den Köpfen der Norderstedter muss sich das Bild vom städtischen Verkehr wandeln. Die Autofahrer müssen mehr Rücksicht nehmen auf die Radler, beispielsweise auf der Ulzburger oder Quickborner Straße, wo es Streifen für Radfahrer auf der Fahrbahn gibt. Dennoch bin ich überzeugt, dass langfristig die Radler auf der gesamten Ulzburger Straße und auf der Rathausallee auf der Fahrbahn unterwegs sein werden. Wir werden die Rathausallee ohnehin neu gestalten, den Mittelstreifen wegnehmen, so dass mehr Platz für beide Verkehrsgruppen entsteht. Zudem werden die E-Bikes dem Radverkehr einen kräftigen Schub geben.

Sind weitere Maßnahmen geplant, um die Fahrradfreundlichkeit zu erhöhen?

Grote : Wir werden auf vielen Straßen ein Tempolimit einführen, um den Autolärm zu reduzieren und den Lärmschutz voranzubringen. Wenn sich das Tempo von Autos, Rädern und E-Bikes angleicht, wird das die Gleichrangigkeit der Verkehrsteilnehmer befördern.

Wie stark wird das Handeln von Politik und Verwaltung durch die Flüchtlinge bestimmt?

Grote : Der starke Zustrom im Vorjahr hat das Thema auch in Norderstedt in den Fokus gerückt. Deutlich ist, dass Integration eine längerfristige Aufgabe ist. Spracherwerb, Wohnen, Bildung und Ausbildung können nur gelingen, wenn alle Beteiligten von der Kommune über Bund und Land bis zu Jobcentern und Bildungseinrichtungen erfolgreich zusammenarbeiten. Es gilt festzuhalten, dass wegen der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen keine kommunalen Projekte gestrichen oder auf lange Sicht verschoben werden.

Norderstedt ist ein beliebter Wohnort, viele wollen hierher ziehen. Wie weit soll und kann die Stadt wachsen?

Grote : Ziel ist weiter ein moderates Wachstum ohne Zielmarke, wie sie die Landesplanung vor Jahrzehnten mal mit 80.000 vorgegeben hatte. Norderstedt könnte sich über diese Mark hinaus wachsen. Doch die Frage ist: Wollen wir das? Deutlich mehr Einwohner bedeuten mehr Infrastruktur, Ausgaben für neue Kitas und Schulen. Es gilt, die Balance zu halten zwischen wirtschaftlichem Wachstum und der Lebensqualität der Bürger, und zwar aller Bürger. Da bietet Norderstedt einen hohen Standard mit sehr guter Kinderbetreuung, mit der VHS, vielen Freizeit-, Kultur- und Sportangeboten. Den wollen wir halten oder sogar ausbauen.

In der Stadt fehlen bezahlbare Wohnungen, viele fallen aus der Sozialbindung. Wie wollen Sie die Lücke schließen?

Grote : Da die Stadt kaum eigene Wohnbauflächen besitzt, sind wir auf die Kooperation mit den Wohnungsgesellschaften angewiesen. Die nehmen ihre Verantwortung auch wahr, in den drei großen Norderstedter Baugebieten Garstedter Dreieck, Frederikspark und Mühlenweg und im Neubau am ZOB in Norderstedt-Mitte werden mehr als 200 Sozialwohnungen entstehen, sodass sich die angespannte Situation hoffentlich entspannen wird. Weiterer geförderter Wohnraum wird kleinteilig entstehen, da die Stadtvertreter beschlossen haben, dass in Neubaugebieten ein Drittel Sozialwohnungen gebaut werden muss.

Mit einer Investitionssumme von rund 50 Millionen Euro ist der Neubau des Schulzentrums Süd das größte Projekt in Norderstedt. Wie weit sind die Pläne?

Grote : In diesem Jahr ist die Phase Null gestartet, in der wir mit Hilfe einer externen Firma den Raumbedarf und die finanziellen Eckpunkte ermitteln und eine konzeptionelle Grundlage für einen Architektenwettbewerb schaffen wollen. Mit Ergebnissen rechnen wir im Herbst, vor 2017 werden wir mit dem Neubau nicht beginnen.

Die Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark im Schulzentrum Süd hatte extrem wenige Anmeldungen. Wird es die Schule auch im Neubau geben?

Grote : Wir werden sehr genau beobachten, ob der Trend zum Gymnasium anhält. Wenn weiter mehr als 60 Prozent der Eltern ihre Kinder an Gymnasien anmelden, stellt sich die Frage, ob wir künftig noch vier Gemeinschaftsschulen in Norderstedt brauchen. Derzeit sollten wir daran aber festhalten, denn durch wohnortnahe Schulen haben die Schüler kurze Wege. Auch landespolitische Entscheidungen können die Schullandschaft beeinflussen. Daher müssen wir bei Neubauten und Erweiterungen Räume so flexibel gestalten, dass sie mit wenig Aufwand anders genutzt werden können.

Wo ist bei der Wahl Ihre Schmerzgrenze? Treten Sie zurück, wenn weniger als 20 Prozent der Norderstedter ihre Stimme abgeben?

Grote : Nein, ich setze mir keine Prozentmarke, es gibt auch keinen gesetzlich festgelegten Mindestwert. Ich hoffe natürlich auf eine hohe Wahlbeteiligung als starke Legitimation und Motivation für meine weitere Arbeit. Mit ihrer Stimme zeigen die Norderstedter, dass sie mit meinem Kurs und meinen Zielen übereinstimmen.