Norderstedt. Für dieses Leitbild sprechen sich die Teilnehmer der Visionswerkstatt mehrheitlich aus. Miteinander und Umweltschutz werden wichtig.

Ein altes Image wird wiederbelebt: Norderstedt soll grüne Stadt bleiben und diese Stärke weiter ausbauen. Dafür hat sich die Mehrheit der Norderstedter ausgesprochen, die sich an der Visionswerkstatt beteiligt haben. 60 Männer und Frauen haben am Sonnabend in der Aula des Coppernicus-Gymnasiums darüber diskutiert, unter welchen Leitmotiven sich die Stadt weiterentwickeln soll.

Sechs Stunden lang brachten die Teilnehmer ihre Ideen, aber auch Ängste und Kritik zum Ausdruck, in wechselnden Gruppen und angeleitet von Moderatoren, die die Stadtentwickler des Hamburger Büros Urbanista und die Verwaltung stellten. Die Ideen der Bürger sind die Grundlage für ein Projekt, mit dem sich Norderstedt an einem bundesweiten Wettbewerb beteiligt.

Martina Lage-Görns war aus Kiel zur Diskussion in Norderstedt gekommen
Martina Lage-Görns war aus Kiel zur Diskussion in Norderstedt gekommen © Michael Schick | Michael Schick

Unter dem Motto „Zukunftsstadt“ sucht das Bundesministerium für Bildung und Forschung nach Antworten auf die „großen ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen“ der nächsten Jahre, Um die zweite Runde des Wettbewerbs zu erreichen und Geld aus dem mit insgesamt 150 Millionen Euro gefüllten Fördertopf zu bekommen, muss Norderstedt in die nächste Runde kommen. Aus den Vorschlägen und Visionen vom Sonnabend müssen Brüning, seine Mitarbeiter und die Fachleute von Urbanista nun ein Konzept basteln, das die Juroren vom Bundesforschungsministerium überzeugt.

Die Organisatoren hatten acht mögliche Visionen vorgegeben: Fair gehandelte Produkte bekommen in der Fair-Trade-Stadt Norderstedt mehr Gewicht. Die soziale Integration, die Mischung von Alt und Jung, von Menschen mit unterschiedlichem sozialen Status und unterschiedlicher Herkunft in den Wohnvierteln wird forciert. Die Wieder- und Weiterverwertung und die Abfallvermeidung stehen im Vordergrund. Norderstedt wird die Stadt der kurzen Wege und umweltfreundlicher Mobilität. Teilen ist das Motto der Zukunft, was für Autos und Fahrräder ebenso gilt wie für Gärten, Wohnungen oder Werkzeuge.

Das sagen die Bürger

Manfred Greve aus Norderstedt: „Für mich ist die Elektromobilität das wichtigste Zukunftsthema. Die Stadt oder die Stadtwerke sollten interessierten Bürgern einige Elek­tro-Autos zur Verfügung stellen, um in Norderstedt für die umweltfreundliche Mobilität zu werben und sie bekannter zu machen, damit mehr Menschen vom herkömmlichen Fahrzeug auf die umweltfreundlichen Autos umsteigen. Ich habe eine Solartankstelle auf dem Dach, die ich auch anderen zur Verfügung stellen würde.“

Martina Paschold aus Norderstedt: „Ich wünsche mir, dass die Stadt für Radfahrer noch attraktiver wird und überdachte Abstellplätze geschaffen werden, die den Regen auch wirklich abhalten. Außerdem sollten die Autofahrer mehr Rücksicht auf die Radfahrer nehmen. Die Radfahrer gehören auf die Straße, da kann man mit Tempo fahren, sodass das Rad zur echten Alternative zum Auto wird.“

Philip Zovko aus Norderstedt: „Die Stadt muss ihren Beitrag dazu leisten, dass sich das Konsumverhalten der Verbraucher verändert. Wir müssen wegkommen von der Wegwerfgesellschaft und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass defekte Geräte repariert werden. Billig kann nicht das Motto für den Einkauf sein. Wer billig kauft, kauft auf Dauer meistens doch teuer, weil die Qualität der Billigprodukte nicht stimmt. Die Stadt müsste Firmen, die sich der Reparatur verschrieben haben, fördern.“

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Norderstedt ist in 20 Jahren bekannt als gesunde Stadt mit wenig Lärm und Schadstoffen. Der Klimaschutz bestimmt das Image, die Stadt wird bis 2040 klimaneutral – das Ziel, dass im städtischen Gebiet nur so viel CO2 in die Luft gepustet wie auch in der Stadt gebunden wird, steht ohnehin schon auf der Agenda. Schließlich das Leitbild der grünen Stadt, das sich mehr als ein Drittel der diskussionsfreudigen Besucher als künftigen Schwerpunkt der Stadtentwicklung wünschte.

Gemeinschaftsgärten, mehr Bäume an die Straßen, die vorhandenen Grünzüge erweitern und miteinander verbinden, nicht weiter in die Landschaft hineinbauen, sondern nachverdichten, große Grundstücke teilen, mehr Geschosswohnungen und eher in die Höhe bauen, triste Gewerbegebiete begrünen – das sind die Wünsche der Norderstedter, die damit ein Projekt aufgreifen, mit dem die Stadt schon in den 80er-Jahren Furore gemacht hat: Gemeinschaftsgärten waren ein wichtiger und preisgekrönter Baustein des neuen Stadtteils Norderstedt-Mitte. „Es geht insgesamt darum, die Grünflächen, die ja reichlich in der Stadt vorhanden sind, so zu gestalten, dass die Menschen sich gern dort aufhalten, sich entspannen, sich bewegen, sich mit anderen austauschen“, sagte Moderator Petrin.

Moderatoren leiteten die Gesprächsrunden in den wechselnden Gruppen.
Moderatoren leiteten die Gesprächsrunden in den wechselnden Gruppen. © Michael Schick | Michael Schick

„Wir müssen erreichen, dass sich das Bewusstsein der Verbraucher verändert, weg vom wegschmeißen, hin zum Reparieren, Weiter- und Wiederverwerten“, forderte Philip Zovko, der in seiner Gruppe über Stoffkreisläufe sprach – einer von vielen weiteren Aspekten, die in den Diskussionen für eine lebenswerte Zukunft eine Rolle spielten. „Es gibt durchaus eine hohe Bereitschaft zu teilen“, stellte Martina Braune von der Stadtverwaltung fest. Ein Teilnehmer habe sogar angeboten, einem anderen Menschen seine Kleidung zu geben. Es ging den Organisatoren des Visionsnachmittags nicht nur darum, Zukunftsideen einzusammeln, sondern auch zu hören, wie sich die Norderstedter einbringen und mitgestalten wollen und können.

„Die Teilnehmer haben uns auch deutlich gemacht, dass die Leitbilder nicht isoliert betrachtet werden können. Parks und Gemeinschaftsgärten sind nicht nur Erholungs- und Bewegungsflächen. Wenn sie zum Austausch einladen, dient das auch einem guten Miteinander“, sagte Brüning. Noch sei Norderstedt auf der Suche nach seiner Identität. „Und wenn das die Nachhaltigkeit wird, habe ich nichts dagegen“, sagte der Leiter des Amtes Nachhaltiges Norderstedt, der den integrativen Ansatz der Visionswerkstatt begrüßte. Der passe bestens in die Vision des Bundesforschungsministeriums und eröffne auch eine gute Chance, in die zweite Runde des Wettbewerbs einzuziehen.

Nun werden sich Organisatoren zusammensetzen und die Diskussionsbeiträge auswerten. Am 11. April wollen sie die Ergebnisse wieder mit den Bürgern diskutieren, ergänzen und gegebenenfalls korrigieren.