Norderstedt. Kundinnen des Stoffladens und des Lions Club Norderstedt spendieren Stoffbeutel mit Schulmaterial und Süßigkeiten.

Die Männer und Frauen stehen hinter einem Berg von bunten Beuteln, nehmen einzelne heraus, befühlen sie und nicken anerkennend. Gute Arbeit, lautet das einstimmige Urteil. Das Lob gilt den Frauen, die die Stoffbeutel gefertigt haben – 19 Kundinnen von „Der Stoff“ haben zu Nadel und Faden gegriffen, um denjenigen eine Freude zu machen, die ihre Heimat in Syrien, Afghanistan, dem Iran oder Irak verlassen mussten, meist nur mit minimalem Gepäck, ohne Spielzeug, ohne das geliebte Kuscheltier, manchmal auch ohne Vater oder Mutter. Auf der Flucht haben die Flüchtlingskinder das Lachen und die Freude verloren.

Ein bisschen davon wollen der Stoffladen und der Lions Club Norderstedt den Kindern wiedergeben, die in Norderstedt in ein neues Leben starten. Dafür haben die Hobbynäherinnen drei Euro für Material und Zeit investiert. Wer geschult ist, hat 30 Minuten genäht, andere brauchten auch schon mal drei Stunden und etwas Anleitung.

Susanne Dähn, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Willkommen-Team, hat die Stoffbeutel-Aktion begleitet
Susanne Dähn, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Willkommen-Team, hat die Stoffbeutel-Aktion begleitet © Michael Schick | Michael Schick

„Umso mehr wissen wir das Engagement zu schätzen“, sagte Angela Oltrogge, die die Filiale des Norderstedter Stoffladens leitet – bundesweit betreibt das Unternehmen rund 50 Ableger, die unter unterschiedlichen Namen firmieren, sich aber gemeinsam der Aktion „Näh’ ein Lächeln“ verschrieben haben. So heißt die aktuelle Kampagne für den guten Zweck. „Beim ersten Mal haben unsere Kundinnen Säckchen für die Hüftbeutel genäht, die die Jungen und Mädchen tragen müssen, die auf der Kinderkrebsstation des Uni-Klinikums Eppendorf behandelt werden“, sagte die Leiterin des Norderstedter Stoffladens.

Die Lions haben dafür gesorgt, dass die Stoffbeutel gefüllt werden. „Ich bin begeistert, dass so viele Beutel zusammengekommen sind“, sagte Walter Zielinski von den Norderstedter Lions, die gern geholfen haben und ihren Beitrag zur Willkommenskultur leisten wollen. Die ursprünglich angenommene Zahl von 70 oder 80 Stoffbeuteln wurde deutlich überschritten. 106 handgenähte Säcke stapelten sich auf dem Tisch, 53 kleinere und 63 größere, denn: Nicht nur die Frauen des Workshops, den der Stoffladen anbietet, haben zu Nadel und Faden gegriffen. „Auch Kundinnen haben zu Hause genäht und die Stoffsäcke bei uns abgegeben“, sagte Andrea Oltrogge.

 Annette Leopold vom Norderstedter Willkommen-Team hilft den Kindern aus Syrien und Afghanistan beim Befüllen der Stoffbeutel
Annette Leopold vom Norderstedter Willkommen-Team hilft den Kindern aus Syrien und Afghanistan beim Befüllen der Stoffbeutel © Michael Schick | Michael Schick

Die Lions haben den Inhalt nicht nur bezahlt, sondern auch selbst Hand angelegt und Schokoweihnachtsmänner und andere Leckereien in die Beutel gepackt, aber auch Schulmaterialien wie Bleistifte, Anspitzer, Radiergummis und Hefte. „Zwar bekommen die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft die Willkommens-Beutel mit einer Erstausstattung, doch solche Sachen speziell für Kinder, wie sie die Lions jetzt spendiert haben, sind nicht enthalten“, sagt Susanne Dähn vom Willkommen-Team, die das gemeinschaftliche Engagement der Näherinnen und der Lions begrüßt und beiden dankt.

Und die ersten Kinder konnten sich auch gleich bedienen. Die Erwachsenen halfen bei der Auswahl und der Orientierung zwischen den vielen Pappkartons und Plastikschachteln, in denen die Süßigkeiten und Schulmaterialien verstaut waren, ehe sie in die Stoffbeutel wanderten. „Bitte immer nur ein Teil nehmen“, sagte Anette Leopold vom Willkommen-Team. Ein Dolmetscher übersetzte die Bitte, denn die fünf jungen Afghanen und das eine Kind aus Syrien, die als erste in den Genuss der gefüllten Beutel kamen, sprechen bisher kaum Deutsch. Maisam, Nazahin, Ali, Mohammad und Nisar Ahmad zeigten stolz die kleinen Geschenke, die sie stellvertretend für die anderen Flüchtlingskinder mitnahmen in ihre Unterkünfte. Nur das Lächeln war noch nicht zu sehen. Wahrscheinlich dauert es, bis die Freude die schrecklichen Erlebnisse der Vergangenheit verdrängen kann.