Norderstedt. Serie „Integration – so schaffen wir das!“: Der 26-jährige Syrer aus Aleppo ist schon ein wenig Norderstedter geworden.
Augenscheinlich ist Mohamed Mostafa, 26, einer jener jungen Männer, wie man sie in Norderstedt und Hamburg nicht selten im Straßenbild treffen kann. Modischer Haarschnitt, trendiger Dreitagebart, Lederjacke, gepflegt und nach Eau de Cologne duftend. Student, würde man tippen, lebt sein Leben und hat bestimmt eine Menge Spaß.
Für uns Deutsche ist das Normalität. Und auch für Mohamed Mostafa war es das – bis sein Präsident Baschar al-Assad begann, Fassbomben auf seine Heimatstadt Aleppo zu werfen.
An sein vergangenes Leben erinnern die Äußerlichkeiten bei dem jungen Syrer. Mohamed Mostafa lässt sich nicht gehen. Trotzdem die Lebensrealität für den Dolmetscher Englisch-Arabisch schwer zu ertragen ist. Seine Zuflucht ist eines der verbrauchten Holzhäuser am Buchenweg, in dem er sich mit sechs anderen Syrern ein Zimmer mit Stockbetten teilen muss. Hier wartet er seit Monaten darauf, dass er eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis bekommt. Denn seine Lage ist komplizierter als bei anderen Syrern.
Bis 2013 studierte Mohamed Mostafa an der Universität in Aleppo. „Ich lebte als Student und finanzierte mich mit verschiedenen Jobs.“ Im Sheraton Aleppo Hotel, einem 5-Sterne-Haus im historischen Viertel der Stadt, jobbte er am Empfang und in der Gäste-Abrechnung. Für den Kommunikationsanbieter Syria-Tel saß er im Call-Center. Sein Ziel war es auch, irgendwann im Ausland zu studieren, vielleicht in Berlin. Während seines Studium besuchte er 2010 im Deutschen Informations- und Studienzentrum der Universität Aleppo Deutschkurse.
Flüchtlinge suchen verzweifelt Wohnungen
Es ist der Zynismus seines Schicksals, dass es nicht sein Wissensdurst, sondern der Krieg sein sollte, der in nach Deutschland bringen würde.
2013 hat Mohamed Mostafa die Wahl: Entweder zu fliehen oder in der Uniform der syrischen Armee auf seine eigenen Landsleute zu schießen. Im September verabschiedet er sich von Mutter, Vater und seinem kleinen Bruder und macht sich auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung Freiheit, der ihn aber erst im August 2014 nach Deutschland und hier nach Norderstedt führen sollte. Dazwischen liegen verlorene Monate der Flucht. „In Bulgarien wurde ich von der Polizei aufgehalten. Sie sperrten mich in ein Flüchtlingslager. Dort musste ich elf Monate bleiben“, sagt Mostafa. Um nicht untätig zu warten, engagiert sich der junge Syrer für die Helfer der Ärzte ohne Grenzen und wird in dem Lager in der Nähe von Sofia zum Dolmetscher für die Ärzte und Organisator der Patienten.
Diese Episode in Bulgarien ist nun das Problem für seinen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Die Ausländerbehörde duldet Mostafa lediglich und hat seine Abschiebung in das sichere Drittland Bulgarien nur aufgeschoben. Mohamed Mostafa ist also einer jener Flüchtlinge, die nach Meinung vieler Bürger und Politiker besser heute als morgen das Land verlassen sollten.
Doch Mohamed Mostafa hat jetzt schon eine Norderstedter Geschichte. Er lebt hier und bringt sich ein. Als das Bündnis „Norderstedt ist weltoffen!“ am 16. März auf dem Rathausmarkt eine Kundgebung organisiert und fast 500 Norderstedter die Willkommenskultur der Stadt beschwören, da steht Mohamed Mostafa als einer der Redner auf der Bühne. „Ich wollte Terror, Gewalt und Krieg entkommen. Ich bin hier, weil ich will, dass mein Leben weitergeht, dass ich mein Studium beenden kann“, ruft Mostafa damals den Zuhörern entegegen. „Es macht mich traurig, wenn ich höre, dass manche Menschen glauben, wir Flüchtlinge würden stehlen, wollten Böses oder nur an Geld kommen.“
Lebenslauf
Und noch etwas wird den Syrer für immer mit Norderstedt verbinden. Denn die Stadt ist der Ort, in dem er erfahren musste, dass sein Vater nicht mehr lebt. Mostafas Familie hatte versucht, zu ihm nach Deutschland in Sicherheit zu gelangen. Sie kamen bis ins syrisch-türkische Grenzgebiet. Dann waren offenbar die Strapazen und die Aufregung zu viel für den Vater. Er starb an einem Herzinfarkt. Die Mutter und der kleine Bruder von Mohamed Mostafa schlagen sich alleine durch. „Ich bin so froh. Sie haben es bis nach Norderstedt geschafft. Jetzt habe ich sie endlich bei mir.“
Ein IT-Studium in Hamburg
Und er weiß, dass es nun an ihm ist, sich um die beiden zu kümmern. „In Aleppo gibt es niemanden mehr von unserer Familie.“ Mohamed Mostafa will sich und seiner kleinen Familie eine Zukunft in Deutschland aufbauen. Dass er mit seinem nicht abgeschlossenen Englisch-Studium in Deutschland nicht weiterkommt, ist ihm bewusst. Mostafa möchte umsatteln und ein IT-Studium beginnen. „Mit einer Frau des Willkommen-Teams war ich bereits bei der Universität in Hamburg und habe mich über die Möglichkeiten informiert“, sagt Mostafa. Die gute Nachricht: Der Wissenschaft ist es egal, ob jemand nur geduldeter oder anerkannter Flüchtling ist. An der Uni zählt nur die Qualifikation für den Zugang zum Studienplatz. „Was mir fehlt, ist das C1-Zertifikat in Deutsch. Wenn ich das habe, kann ich studieren“, sagt er.
So lange sein Verfahren in der Schwebe ist, würde Mohamed Mostafa sich gerne nützlich machen. Vielleicht eine Hospitanz in einem IT-Unternemen, möglicherweise auch bei einem Internet-Start-up oder bei Agenturen, die virtuell unterwegs sind. „Das wäre ganz fantastisch, wenn so etwas möglich wäre“, sagt Mostafa. Dieser gut qualifizierte Mann sollte von Deutschland mehr erwarten dürfen als eine Abschiebung nach Bulgarien.
Wenn Sie Mohamed Mostafa oder andere Flüchtlinge in Ihren Betrieben beschäftigen oder ausbilden wollen, dann melden Sie sich bei Hartmut Rothfritz vom Willkommen-Team Norderstedt. Er ist unter Telefon 040/53 00 83 71 oder 0162/658 39 05 erreichbar. E-Mail: hartmut@rothfritz.com.