Norderstedt. Angeklagte akzeptiert einen Strafbefehl in Höhe von 600 Euro, weil die Strafe bei einer Verurteilung noch höher hätte ausfallen können.

Therese P. aus Norderstedt nimmt zurzeit an einer Umschulung zur Pflegeassistentin in Hamburg teil. Die 53-Jährige, die bisher jeden Monat eine HVV-Fahrkarte gekauft hatte, entschloss sich Mitte September 2014, eine HVV-Jahreskarte zu erwerben.

In einer Verkaufsstelle des HVV im Herold-Center erklärte ihr die Verkäuferin Hanim C., 22, aus Norderstedt, dass sie ihr zunächst eine provisorische Fahrkarte ausstellen werde, die ab dem 1. Oktober gelte. Bis die richtige Fahrkarte fertig sei, würde es noch dauern. Die Kundin müsse für die ersten zwei Monate den Preis von 163,80 Euro sofort in bar bei ihr bezahlen. Therese P. glaubte der HVV-Mitarbeiterin, die sie von früheren Fahrkartenkäufen kannte, und bezahlte die genannte Summe. Im November staunte sie dann nicht schlecht, als sie feststellte, dass die Summe nochmals per Bankeinzug von ihrem Konto abgebucht worden war.

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass sich Hanim C. das an sie gezahlte Bargeld in die eigene Tasche steckte. Es folgte eine Anklage und Verurteilung wegen Betruges im schriftlichen Verfahren per Strafbefehl. Hanim C. legte jedoch gegen die Geldstrafe von 600 Euro Einspruch ein. Energisch und selbstbewusst setzt sich die Angeklagte jetzt vor dem Amtsgericht in Norderstedt gegen den ihr vorgeworfenen Betrug zur Wehr: „Das stimmt alles nicht. Ich habe kein Geld genommen. Das dürfen wir gar nicht, und das steht auch so in den allgemeinen Geschäftsbedingungen“, wettert die junge Frau und ergänzt, dass die Kundin die Geschäftsbedingungen schließlich gelesen habe. „Die hat gleich solchen Terror gemacht und herumgemeckert, weil die Fahrkarte so teuer sei. Meine Mitarbeiterin musste sie rausschmeißen, weil sie vor anderen Kunden so ein Theater machte,“ erklärt die Angeklagte.

Dass sie in der Verkaufsstelle „Theater gemacht“ hat, gibt Therese P. unumwunden zu. Dieses Theater fand aber nach ihrer Aussage erst statt, nachdem sie ihre Kontoauszüge studiert hatte. Ein Anruf beim HVV, bei dem man ihr mitteilte, die Abbuchung sei richtig und man wisse nicht, „was die Verkaufsstellenmitarbeiter so trieben“, habe sie endgültig in Rage versetzt, betont die Zeugin. In der Geschäftsstelle mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe das Bargeld eingesteckt, habe die Angeklagte gänzlich abgestritten, jemals von ihr Geld erhalten zu haben, so die Zeugin. „Ja, ich habe sie angeschrien, auch vor anderen Kunden,“ räumt die Zeugin ein. „Ich lebte von Hartz IV und hatte Geld gespart, um meinem Sohn zum Geburtstag ein Handy zu schenken. Nur deshalb hatte ich überhaupt so viel Geld bei mir,“ berichtet die Zeugin.

Richterin Dagmar Goraj macht der Angeklagten deutlich, dass sie der Zeugin glaube. Dass im Falle einer Verurteilung eine härtere Geldstrafe auf sie zukommen könne, überzeugt die Angeklagte schließlich, die 600 Euro aus dem Strafbefehl zu akzeptieren. Mit den Worten: „Ich will mit der Sache nichts mehr zu tun haben,“ nimmt Hanim C., die jetzt als Verkäuferin arbeitet, ihren Widerspruch zurück.