Norderstedt. In der St.-Hedwig-Kirche am Falkenkamp gibt es einen neuen Beichtraum. Auf die Gläubigen wartet der Pfarrer jedoch oft vergeblich.
Mit dem traditionellen Beichtstuhl hat der kleine helle Raum in der St.-Hedwig-Kirche am Falkenkamp nicht mehr viel zu tun. Direkt neben der Tür zeigt eine Einlassampel an, ob gerade jemand beichtet.
Die katholischen Gläubigen, die in den neu gestalteten Raum eintreten, haben zwei Möglichkeiten. Sie können sich klassisch vor die Sichtschutzwand für die sogenannte Ohrenbeichte hinknien und ihre Sünden bekennen. Das tun laut Pfarrer Dietmar Wellenbrock vor allem die Älteren. Wer will, kann sich aber auch auf den Stuhl setzen und mit dem Pfarrer auf Augenhöhe seine Sorgen besprechen. Denn die Beichte als Sakrament der katholischen Kirche wird zwar immer seltener in Anspruch genommen, sie hat aber auch im Wochenkalender der Pfarrei Katharina von Siena, zu der die Kirche St. Hedwig seit dem vergangenen Jahr gehört, ihren festen Platz.
Immer am Dienstag zwischen 18 und 18.30 Uhr vor der Heiligen Messe wartet ein Priester im Beichtraum auf die Gläubigen. Oft wartet er vergeblich. Pfarrer Wellenbrock stört das nicht: „Dann ist der Beichtraum ein Ort, an dem ich alleine bete.“ Die Beichte hält der Priester indes für eine wichtige Einrichtung. „Wenn es sie als Sakrament nicht geben würde, dann müsste man es erfinden“, sagt er. „Die Beichte ist eine persönliche Zusage für die Menschen, die für sich selbst spüren, dass Dinge nicht gut sind in ihrem Leben.“ Mit der Beichte werde ihnen die Möglichkeit gegeben, Versöhnung, Aufrichtung und Vergebung zu erhalten, so Wellenbrock. In der Beichte spreche Gott den Gläubigen zu: „Ich bin mit Dir.“ Der Gott der Christen sei ein personaler Gott, der die Menschen liebt. „Gott ist also mit im Spiel, wenn wir jemanden verletzen“, sagt Wellenbrock. Und genau deshalb sei es auch heute noch angebracht zu beichten, um die Schuld in die Hand Gottes zu legen. Durch den Priester werde dann die Vergebung zugesprochen. Soweit knapp zusammengefasst die Theorie.
Auch in der Pfarrei Katharina von Siena wird nur noch wenig gebeichtet
In der Praxis aber kommen immer weniger Menschen zur Beichte in die Kirche. Zwar gibt es keine genauen Zahlen, aber generell wird in verschiedenen Veröffentlichungen davon gesprochen, dass selbst die meisten regelmäßigen Kirchgänger keine Beichtpraxis mehr haben. Vor 50 Jahren ging laut einer Studie aus dem Bistum Bamberg noch etwa die Hälfte der Gottesdienstbesucher mindestens einmal im Monat zur Beichte, der Rest einmal im Jahr zur Osterbeichte. Davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Auch in der Pfarrei Katharina von Siena wird wenig gebeichtet. „Ob das so gut ist für die Seele der Menschen, weiß ich nicht“, sagt Wellenbrock. Allerdings hat er auch eine Erklärung dafür, warum das Sakrament mittlerweile ein Schattendasein fristet.
Auf der einen Seite sieht er die Kirche und ihre Geschichte selbst. „Die Beichtpraxis sah teilweise so aus, dass die Menschen eingeschüchtert wurden“, sagt er. „Das war ein falsches Bild von Versöhnung.“ Allerdings hat seiner Ansicht nach auf der anderen Seite der moderne Mensch auch oft ein falsches Bild von Vergebung und Schuld. Er mache alles mit sich selbst aus. Dies zeige sich auch an Kleinigkeiten wie der Bitte um Entschuldigung, so Wellenbrock. „Wenn etwas passiert ist, wird heute schnell ‘Entschuldigung’ gesagt und nicht ‘Ich bitte um Entschuldigung’.“ Dabei könne man sich die Vergebung nicht selbst zusprechen, gewähren könne sie nur der andere. Dieses Bild passt in seinen Augen auch für die Beichte. Sie sei für die Gläubigen ein Ort, wo sie ihr Leben und damit auch die Schuld reflektieren und die Vergebung als Gottes Geschenk annehmen können. Im Beichtgespräch, das vertraulich ist und niemanden etwas angeht, würden dabei oft die Höhen und Tiefen des Lebens besprochen. „Da sind sehr intensive Gespräche dabei“, sagt Wellenbrock. Für die Gläubigen gehe es dabei oft darum, sich der Schuld zu stellen und einen Neuanfang zu wagen. Der Beichtraum als ein geschützter Raum biete dafür einen guten Rahmen.
„Auch Seelsorge mündet manchmal in Beichtgespräche.“
Einen solchen Raum oder gar einen Beichtstuhl gibt es in der evangelisch-lutherischen Kirche nicht, die Beichte hingegen schon. Alexandra Hector bekommt nach eigenen Angaben immer wieder einmal Anfragen für die Beichte. „Auch Seelsorge mündet manchmal in Beichtgespräche“, sagt die Pastorin der Christuskirche in Garstedt. „Die Beichte wird angefragt, wenn sich Menschen so sehr belastet fühlen“, sagt sie. Der Lossprechung vor dem Altar geht dann ein persönliches Gespräch voraus, das wie auch die Zeremonie in der Kirche unter komplettem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. „Ich trage das nicht einmal in den Kalender für die Kirche ein“, sagt sie. Die Beichte gehöre zu den unsichtbaren Tätigkeiten der Pastoren. Bei der Lossprechung selbst werde dann gefragt: „Glaubst Du, dass ich Dir die Sünden vergeben kann?“ Wenn der Gläubige das glaubt und seine Sünden bereut, dann kann er losgesprochen werden.
Neben der persönlichen Beichte gibt es in der evangelischen aber auch der katholischen Kirche auch andere Orte der Buße. „Die Abendmahlsfeier selbst ist Sündenvergebung“, sagt Hector. Auch am Buß- und Bettag oder an Karfreitag werden die Sünden bekannt. Waren diese früher sehr eng an die Sexualität gebunden, sieht Hector in der Sünde vor allem einen Beziehungsbegriff. „Es geht darum, dass die Beziehung zu sich selbst, zu Gott oder den Mitmenschen gestört ist – und dies wieder ins Lot zu bringen.“