Kaltenkirchen. Im Kaltenkirchener AKN-Bahnhof steht der erste öffentiche Bücherschrank. Tauscheinrichtungen im Kreis Segeberg zunehmend beliebt.

Goethes junger Werther steht ganz vorn. Daneben leuchtet das Cover von Susanne Fröhlichs Erfolgsbuch „Moppel-Ich“. In den unteren Regalen finden Kinder Pippi Langstrumpf und natürlich den Räuber Hotzenplotz. Die Auswahl ist groß im öffentlichen Bücherschrank, der seit wenigen Tagen im AKN-Bahnhof Kaltenkirchen steht. „Wir verleihen hier schöne Literatur“, sagt Marita Wrage von der Kaltenkirchener Stadtbücherei, die mit ihren Kollegen stets dafür sorgt, dass die Fahrgäste der Bahn oder die Besucher des Cafés nebenan sich mit Literatur ihres Geschmacks versorgen können. Sachbücher gehören nicht zum Programm.

„Wir hoffen, dass der Bücherschrank als zusätzlicher Service der Stadtbücherei auch von den lesefreudigen Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird, die noch schnell Lektüre für die Bahnfahrt oder bei einer Tasse Kaffee benötigen“, sagt Marita Wrage.

Der öffentliche Bücherschrank in Kaltenkirchen ist der erste in der Region mit Gleisanschluss. Die knallrote Mini-Bibliothek steht unter dem markanten Dach an einem der Zugänge zum Bahnsteig. „Wir können uns vorstellen, auch weitere Bahnhöfe dafür zur Verfügung zu stellen“, sagt AKN-Sprecherin Christiane Lage. „Wir unterstützen das Projekt sehr gern.“ Die Eisenbahngesellschaft freue sich über Anfragen von Büchereien. Die überdachten Bahnhöfe in Henstedt-Ulzburg und Hamburg-Eidelstedt würden sich beispielsweise für öffentliche Bücherschränke eignen.

2400 Euro hat der Bücherschrank gekostet, der in der Metallwerkstatt von Thomas Fuchs in Hartenholm entstanden ist. „Vandalismussicher“, betont Kaltenkirchens Erster Stadtrat Hauke von Essen, der gemeinsam mit Marita Wrage und AKN-Marketingchefin Monika Busch die Verleihstation eröffnete und von einem tollen Projekt sprach.

Bürgermeister Hanno Krause hatte bei einem Besuch in Hannover einen der 31 öffentlichen Bücherschränke der Stadt entdeckt und Marita Wrage davon berichtet. Sie übernimmt mit ihrem Team die Erstausstattung des Kaltenkirchener Schranks und füllt immer dann nach, wenn mehr Bücher entnommen als eingestellt werden. „Die Einrichtung lebt vom Tausch“, sagt Marita Wrage. Außerdem kontrollieren die Mitarbeiter täglich den Zustand der Bücher und des Schranks.

Der öffentliche Bücherschrank gehört zu den vielen Tauscheinrichtungen, die in den Städten und Gemeinden der Region entstehen. Vor Kurzem wurde in Bad Bramstedt gegenüber der Kirche ein Tauschhaus für Bücher, Deko und Haushaltsgegenstände eröffnet. Im Norderstedter Rathaus steht die rote Bücherzelle. Auch in Bad Segeberg, Hartenholm und sogar im Wildpark Eekholt wird kostenlos getauscht. In der Region sind außerdem Linienbusse der VHH unterwegs, in denen die Fahrgäste sich mit Literatur versorgen können.

Erst vor wenigen Monaten hatte der Wege-Zweckverband (WZV) gemeinsam mit örtlichen Initiativen das Bramstedter Tauschhaus eröffnet. Der WZV unterstützt außerdem die sogenannten Bullerbü-Häusern in der Fußgängerzone von Bad Segeberg. „Schwerpunkt sind Bücher“, sagt WZV-Sprecherin Bettina Kramer. Hinzu kommen jede Menge CDs und manchmal auch Haushaltsgegenstände. „Das läuft in Bad Bramstedt richtig gut.“

Die Bramstedterin Clarissa Siebert hatte einen Film über ein Tauschhaus in Berlin gesehen und war begeistert. Sie war überzeugt: „Das brauchen wir hier auch.“ An Kontakten mangelte es nicht: Die Bramstedterin engagiert sich bei der Freiwilligenbörse und bei den Rinkiekern, die einsame Menschen zu Hause besuchen. Außerdem sagte Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach seine Unterstützung zu. Der Wege-Zweckverband (WZV) war ebenfalls mit von der Partie, denn das Tauschhaus dient auch der Müllvermeidung. „Hier ist ein netter Treffpunkt entstanden“, sagte Helga Supola, die sich im Auftrag der Stadt um Bildungsvernetzung und ehrenamtliche Arbeit kümmert.

Das Segeberger Tauschhaus wurde in den drei Jahren seines Bestehens zweimal von Randalierern demoliert. Einmal wurde es umgestoßen, das andere Mal kamen die Täter mit Farbspraydosen und beschmierten die Holzkonstruktion. „Die Schäden hielten sich in Grenzen“, sagt Bettina Kramer. „Solche Vorfälle sind nicht schön, aber sie passieren.

Auch in Norderstedt hat sich die rote Bücherzelle im Rathaus nach anfänglichen Streitereien im Sommer 2014 etabliert. Das Norderstedter Ehepaar Ostrander hatte die knallrote Zelle in der britischen Partnerstadt Norderstedts Oadby-and-Wigston besorgt und war an die Stadt mit der Idee herangetreten, sie zum Bücherschrank umzufunktionieren.

Die Stadtverwaltung plante daraufhin, die rote Zelle vor dem Gebrauchtwarenhaus Hempels aufzustellen, nachdem sie restauriert ist. Dort sei die soziale Kontrolle durch die Mitarbeiter und die Kunden von Famila gegeben, lautete das Argument der Stadt. Doch dem Ehepaar Ostrander, das die Idee für das Projekt hatte, missfiel der Platz. Er sei zu abgelegen und widerspreche dem Ziel, dass möglichst viele Norderstedter das kleine Literaturhäuschen nutzen. Die Ideengeber gaben das Vorhaben daraufhin auf.

Bürgermeister Hans-Joachim Grote schaltete sich ein und überließ es dem Ehepaar, wo sie ihr Bücherhäuschen aufstellen wollen. Seitdem steht dir rote Bücherzelle im Rathaus in Norderstedt-Mitte.