Norderstedt. Ab sofort kann jeder in der Norderstedter Rathaus-Passage kostenlos Bücher mitnehmen oder selbst eigenen Lesestoff dort deponieren.
Lust auf „Ich hab dich im Gefühl“ von Cecilia Ahern? Oder lieber „Entsetzen“ von Karin Slaughter? Es gibt auch englische Bücher in der Telefonzelle, die jetzt in der Rathaus-Passage einen festen Standort gefunden hat, schließlich ist es eine englische Telefonzelle, frisch knallrot lackiert, aufpoliert und mit Regalen für 50 Bücher ausgestattet.
Die englische Telefonzelle, einst ein Geschenk von Norderstedts Partnerstadt Oadby and Wigston, hat nach einer langen Odyssee endlich ihre Bestimmung und ihren Ort gefunden.
„Wir freuen uns, dass sie jetzt hier vor der Tür unserer Rathaus-Bücherei ein neues Zuhause gefunden hat und haben sie ständig unter Beobachtung“, sagt Ingo Tschepe, Leiter der Norderstedter Stadtbüchereien. Keine Chance für Randalierer also. Bei Märkten und Messen in der Passage soll der Rathaus-Literaturturm abgeschlosssen werden.
„Wer hier durch die Passage zur U-Bahn geht, kann ein Buch mitnehmen, um es unterwegs zu lesen, und es auf dem Rückweg wieder zurück stellen“, sagt Tschepe. Andererseits könnten die Passanten auch eigene, ausgelesene Bücher ins rote Häuschen stellen. Das Motto der Bücherei-Telefonzelle sei „Ein Buch geben und/oder ein Buch wieder nehmen“. Ziel ist es, dass diese Buch-Tauschbörse eine Eigendynamik entwickelt.
„Wir haben erst einmal 50 Bücher hinein gestellt und sind gespannt, wie sich der Bestand wandelt“, sagt Tschepe. Die Bücher, die das Gebrauchtwarenhaus Hempels spendiert hat, seien bewusst aus dem allgemein unterhaltenden Bereich ausgewählt worden, als leichte Kost für unterwegs, als Zeitvertreib beim Bahn- und Busfahren. „Aber vielleicht packt ja irgendjemand demnächst Goethes gesammelte Werke ins Regal oder seine Brief-Bände“, sagt Tschepe und grinst verschmitzt.
5000 Euro hat sich die Stadt Norderstedt die Renovierung, die das Betriebsamt durchführte, der arg ramponierten englischen Telefonzelle kosten lassen. Jetzt straht sie sogar mit einer eigenen Beleuchtung.
Bis vor einigen Jahren stand die markante Telefonzelle am Rand des Norderstedter Rathausmarkts, war zahlreichen Übergriffen von Vandalismus bis zu Hakenkreuz-Schmiereien ausgesetzt und wurde zum Ärgernis, schließlich war sie ein Geschenk der englischen Partnerstadt.
Vor einem Jahr reichte das Ehepaar Ute und Rock Ostrander bei dem von Norderstedt-Marketing ausgelobten Wettbewerb „1001 Euro für eine tolle Idee“ ihren Plan ein, die Telefonzelle in einen Bücherschrank zu verwandeln, in den die Bürgerinnen und Bürger Bücher hineinstellen und dafür andere Bücher entnehmen können. Sie gewannen den ersten Preis.
Kostenlose kommunale Leseförderung hieß das Motto der Ostranders, wir berichteten. Der Nutzen für die Stadt Norderstedt: Die Kommune hatte ein Sorgenkind weniger und eine gute Idee mehr. Das Ehepaar Ostrander sagte sogar die Betreuung des Bücherschranks in der Telefonzelle zu und wollte das Preisgeld in die Renovierung und den Unterhalt stecken.
Eine brisante Frage war allerdings der Standort. Das Ehepaar Ostrander favorisierte den Rathausmarkt, die Stadt fürchtete weiterhin Vandalismus und damit verbundene Kosten.
Zudem sei auf dem Rathausmarkt kein Stromanschluss ohne hohen Aufwand möglich, argumentierte die Verwaltung und schlug vor, die Bücherzelle vor dem Gebrauchtwarenhaus Hempels gegenüber dem Supermarkt famila aufzustellen.
Dieser Vorschlag aber fand nicht die Zustimmung der Ostranders, da es bei Hempels schon Bücher gebe. So versickerte eine gute Idee in den Bedenken der Bürokratie, und das Ehepaar zog sich verärgert zurück.
„Es ist schade, dass eine tolle Idee, die von engagierten Bürgern mit viel Aufwand und ehrenamtlich vorangetrieben wurde, offenbar an Kommunikationsproblemen im Rathaus gescheitert ist“, sagte Carsten Krohn, der den Wettbewerb für Nordersetedt-Marketing organisierte.
Die Rathaus-Bücherei-Zelle ist indes nicht die einzige ihrer Art. Es gibt mehrere Orte, sogar in Privat-Gärten, die als Tauschbörse für Bücher und andere Dinge fungieren.
Im Mai soll auch Norderstedt einen weiteren offenen Bücherschrank erhalten, im Stadtpark.