Heute stellen wir vier Jugendliche aus dem Ausland vor, die durch das Norderstedter DaZ ihre Angst vorder deutschen Sprache verloren haben.
Eleni ist 17 Jahre alt. Und sie erinnert sich noch genau an die Angst, die sie vor Deutschland hatte. „Ich wollte hier nicht hin. Ich hatte vier Jahre lang Französisch gelernt. Und dann wandern meine Eltern nach Deutschland aus.“ In Griechenland musste sie vor fünf Jahren alles zurücklassen. Und dann stand sie in einer Schulklasse in Norderstedt, sprach nur ein wenig Englisch und hatte – Angst.
Doch in der Klasse des Deutsch-als-Zweitsprache-Zentrums traf sie Schüler, denen es genauso erging wie ihr. „Neben mir saß ein Mädchen aus Polen. Wir sprachen kaum, unterhielten uns mit Händen und Füßen. Und lernten gemeinsam Deutsch.“
Heute ist Eleni eine selbstbewusste junge Frau, die die deutsche Grammatik besser drauf hat als so mancher deutsche Schüler. An der Willy-Brandt-Schule wird sie als eine von vier Schülern aus ihrem DaZ-Jahrgang nun das Abitur anstreben.
Über Sabine Rutten und Heide Kröger, die beiden Leiterinnen des DaZ, sagt Eleni: „Sie sind unsere Engel. Sie kümmern sich wie Mütter um uns.“
Und so stolz sind Rutten und Kröger auch auf „ihre“ Kinder. „Es macht riesigen Spaß, mit diesen motivierten und extrem leistungsbereiten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten“, sagt Sabine Rutten. „Es ist so bemerkenswert, was diese jungen Menschen leisten.“
350 Kinder und Jugendliche aus aller Welt werden derzeit beim DaZ von zwölf Kursusleitern unterrichtet. „So viele wie nie seit unserer Gründung im Jahr 2003“, sagt Heide Kröger. Die Schüler kommen aus 57 Ländern, viele aus dem europäischen Ausland sind darunter, ein Drittel aber kommt bereits aus Flüchtlingsfamilien. „Viele Flüchtlinge holen derzeit ihre Familien nach. Dieser Trend wird sich also verstärken“, sagt Sabine Rutten.
Das Konzept des DaZ geht auf und zeigt Erfolge. Das Ziel der Einrichtung ist es, die Kinder frühzeitig und intensiv bei der deutschen Sprache zu fördern. „Nur so lassen sich die individuellen Fähigkeiten und Begabungen der Kinder ausschöpfen“, sagt Kröger.
Über die Schularten hinweg werden die Kinder vom DaZ begleitet. Die Kinder lernen Deutsch zunächst so gut, dass sie in etwa das Sprachniveau erreichen, das ein deutscher Schüler beim mittleren Abschluss in Englisch hat. Danach folgt parallel zum Regelunterricht weiterhin Deutsch-Unterricht, damit die Migrantenkinder das Sprachniveau für den höheren Schulabschluss erreichen können.
Dieses Konzept führt dazu, dass heute weit mehr als 50 Prozent der Migrantenkinder in Norderstedt an der Realschule, der integrierten Gesamtschule oder auf dem Gymnasium ihren Abschluss machen.
Eleni ist eine Schülerin aus einem besonders erfolgreichen Jahrgang des DaZ. Von den acht Schülern haben vier ihren Realschulabschluss gepackt, vier weitere wollen nun ihr Abitur machen. Neben Eleni ist das zum Beispiel auch Partipan, 17. Ein zurückhaltender Junge, der vor fünf Jahren mit seiner Mutter aus Thailand nach Norderstedt kam. „Alles war sehr schwer am Anfang. Die Sprache, das Wetter, das Essen – alles.“ In der Schule saß er und verstand nichts. „Als der Lehrer sagte: Wir schreiben eine Arbeit, wusste ich nicht, was eine Arbeit eigentlich sein soll.“ Doch Partipan hat sich der Herausforderung gestellt, hat mehr geleistet als seine Klassenkameraden und sie letztlich sogar überholt. Partipan ist gerade Jahrgangsbester auf der Horst-Embacher-Schule geworden. Jetzt will er das Abitur machen. „Und dann will ich Ingenieur werden.“
Wenn Sabine Rutten den 16-jährigen Rahel aus Afghanistan anschaut und sich dessen Geschichte vergegenwärtigt, dann kommen ihr unwillkürlich die Tränen. „Wenn man bedenkt, was er hinter sich hat und wo er heute angekommen ist...“
Rahel floh vor viereinhalb Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Mit seiner Mutter und seiner Schwester. Doch die Kinder wurden auf der Flucht von der Mutter getrennt. Rahel und seine Schwester kamen ganz allein im fremden Norderstedt an. Erst ein Jahr später kam die Mutter hinterher. „Ich konnte erst nichts verstehen und nichts sprechen. Dann alles verstehen und nicht sprechen und schließlich alles verstehen und sprechen, aber nicht schreiben“, sagt Rahel über seine Deutsch-Kenntnisse. Mit Ehrgeiz hat der Junge das alles geändert. Er hat seinen mittleren Schulabschluss so gut abgelegt, dass er jetzt einer von acht Schülern in Schleswig-Holstein ist, der ein Stipendium des Landes bekommt, um nun das Abitur zu machen. Außerdem ist der talentierte Basketballer Trainer der U-16-Mannschaft des 1. SC Norderstedt und Teil der Oberliga-Herrenmannschaft des Vereins. „Der zweitjüngste Spieler nach mir ist ein 28-Jähriger“, sagt Rahel und lacht.
Für Rahels Klassenkameradin Klaudia, 17, war es vor fünf Jahren ein Schock, als ihr Vater der Familie offenbarte, dass sie alle nach Deutschland auswandern sollen. „Ich wollte nicht weg aus Polen. Ich hatte dort meine Freunde, mein Leben.“ Der Vater hatte in Deutschland eine Firma aufgebaut. Er war es leid, die Familie nur noch sporadisch zu sehen. 2010 fand sich Klaudia also plötzlich in Norderstedt wieder. „Ich konnte kein Wort Deutsch. Aber die Kinder in meiner Klasse waren total nett zu mir. Ich wurde überhaupt nicht ausgegrenzt.“ Im DaZ-Unterricht lernte sie Deutsch. Und so schaffte sie jetzt den mittleren Abschluss. Wie es für sie weitergeht ist auch schon klar: „Ich möchte Erzieherin werden“, sagt Klaudia.