Norderstedt. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz stehen in Norderstedt gut. Aber: Nicht jeder Jugendliche findet seinen Traumberuf
Er kann sich das nicht erklären: Moritz Ruppel sucht einen Ausbildungsplatz als Fachinformatiker mit dem Schwerpunkt Systemintegration. Seit einem Jahr schreibt der Norderstedter Bewerbungen – bisher ohne Erfolg. „Es heißt doch immer, IT-Fachleute werden gesucht“, sagt der 21-Jährige, der 2014 an der Gemeinschaftsschule Harksheide sein Abitur bestanden hat.
50 Bewerbungen hat er verschickt, an namhafte Unternehmen, aber auch an Mittelständler. 15 Mal hat der junge Mann es ins Bewerbungsgespräch geschafft und dann nichts mehr gehört oder eine Absage bekommen. Fachinformatiker ist sein absoluter Traumberuf, eine Alternative kommt für ihn nicht infrage. „Zwar war mein Abischnitt mit 2,9 nicht super, aber in den für den Beruf wichtigen Fächern wie Mathe und EDV hatte ich immer gute Noten“, sagt Ruppel, der weiter als Kellner jobbt und nicht aufgeben will. „Bei meinem Bruder und einem Freund hat es auch lange gedauert, bis sie einen Ausbildungsplatz gefunden haben“, sagt er.
„Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in diesem Bereich ist nach wie vor hoch, die Unternehmen haben noch die Wahl“, sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Arbeitsagentur Elmshorn. Allerdings rät die Arbeitsagentur Jugendlichen, flexibel zu sein. Bewerber hätten oft bestimmte Jobwünsche, die wegen ihres Schulabschlusses oder aus regionalen Gründen nicht zu erfüllen seien. Hier müssten die jungen Frauen und Männer umdenken und einen Beruf wählen, an den sie vielleicht nicht gleich gekommen sind.
Insgesamt stelle sich der Ausbildungsmarkt im Kreis Segeberg weitgehend unverändert dar. Noch sei die Zahl der Schulabgänger stabil, zeige sich hier nicht wie in anderen Kommunen der prognostizierte Schülerschwund. Seit Oktober 2014 meldeten sich 1504 Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen, bei den Berufsberatern der Arbeitsagentur. Das sind 25 weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 430 Schulabgänger suchen noch eine Lehrstelle. Die Unternehmen haben seit vergangenem Herbst 1329 Ausbildungsplätze gemeldet, drei weniger als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres.
„Unter den Bewerbern sind nicht nur diejenigen, die jetzt gerade die Schule abgeschlossen haben, sondern auch Alt-Nachfrager, die schon länger ins Berufsleben einsteigen wollen“, sagt Kenntemich. Besonders gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben weiterhin junge Leute in Norderstedt. Laut Statistik der Arbeitsagentur kommen hier auf 100 Bewerber 149 Lehrstellen. Jugendliche wanderten ins nahe Hamburg ab, oder sie setzen ihre schulische Karriere fort, da bietet das Berufsbildungszentrum in Norderstedt mehrere Weg zu höherer Qualifikation. Auch der Beginn eines Studiums lasse die Zahl der Bewerber schrumpfen.
Noch gezielter als bisher wendet sich die Arbeitsagentur jüngeren Langzeitarbeitslosen zu, 25- bis 35-Jährigen ohne Schulabschluss, die bisher von Gelegenheitsjobs gelebt haben. „Doch die werden immer seltener. Und wenn bei Betroffenen die Einsicht gereift ist, jetzt doch noch den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu versuchen, können wir sie individuell unterstützen“, sagt Kenntemich, der für das neue Angebot wirbt, da es bei den Arbeitgebern noch nicht so bekannt sei. Mit der „Assistierten Ausbildung“ haben die Vermittler ein Rund-um-Betreuungspaket aufgelegt, das bei Problemen während der Ausbildung greifen soll.
„Das Angebot umfasst Unterricht, um Wissenslücken zu schließen, genauso wie Hilfe bei Schwierigkeiten im persönlichen Umfeld“, sagte Kenntemich. 44 Plätze für das neue Hilfsprogramm finanziert der Bund je zur Hälfte in den Kreisen Segeberg und Pinneberg, für jeden Teilnehmer gibt es maximal neun Stunden pro Woche.
Während im Hamburger Umland kräftig gebaut wird und die Schülerzahlen in den nächsten Jahren konstant bleiben oder sogar leicht steigen dürften, zeigt sich landesweit schon die Trendwende: „Ausbildungsbewerber haben aktuell noch bessere Chancen als im Vorjahr, weil die demografische Entwicklung zu einem Bewerberrückgang führt. Gleichzeitig sorgt die stabile Konjunktur für hohe Nachfrage an Fachkräften“, sagt Friederike C. Kühn, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein. Verbessert hätten sich auch die Übernahmechancen nach Abschluss der Ausbildung. Die IHK verzeichnet aktuell 8227 Ausbildungsverträge, 81 mehr als 2014.
Die Top Ten der offenen Ausbildungsplätze: Kaufleute im Einzelhandel, Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienst, Köche, Kaufleute für Büromanagement, Fachkraft Lagerlogistik, Verkäufer, Fachverkäufer Bäckerei, Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik, Metallbauer für Konstruktionstechnik. Weitere Infos in der Jobbörse unter www.arbeitsagentur.de.