Henstedt-Ulzburg. Nächste Runde im Streit um die geplante 380-kV-Stromtrasse: Mit einer Plakataktion sollen die Bürger zum Protest animiert werden.
Alle ziehen an einem Strang. Der Kampf gegen die Starkstromtrasse vereint alle im Ort aktiven Parteien und die Verwaltung: Mit einer Plakataktion sollen die Bürger in das Thema hineingezogen und zum Protest animiert werden. Seit einigen Tagen stehen an fünf prägnanten Stellen im Ort Stellwände mit dem einprägsamen Slogan „Keine 380-kV-Stromtrasse“ und einem aus dem Straßenverkehr entlehnten Stoppschild. Darunter prangen die Embleme von CDU, WHU, SPD, BfB, FDP und das Gemeindewappen.
Eine ähnliche Aktion hat es in Henstedt-Ulzburg in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben: Alle machen gemeinsame Sache, um drohendes Ungemach von der Gemeinde abzuwenden. Informationsstände von Parteien und Wählergemeinschaften kennen alle, die an Sonnabenden einkaufen gehen, aber in diesem Falle stehen weder Eigennutz oder Eigenwerbung dahinter: Die pure Angst treibt die Politiker an, möglichst viele Henstedt-Ulzburger im Kampf gegen den Stromnetzbetreiber Tennet mit ins Boot zu holen. Sollte die Protest- und Unterschriftsaktion Erfolg haben, kann sich anschließend keine Einzelfraktion damit brüsten. Freuen dürfen sich dann alle – vor allem die Bewohner Henstedt-Ulzburgs, die unter einer Starkstromtrasse in der Umgebung leiden müssten.
Der niederländische Netzbetreiber will die zurzeit von Osten nach Westen führende 220-kV-Leitung über die Edisonstraße, Habichtstraße und den Wald in Ulzburg-Süd als Teil der Ostküstenleitung durch die stärkere Leitung ersetzen. Diese Ankündigung hatte schon vor etlichen Wochen zu einer gemeinsamen Resolution aller Ratsfraktionen geführt: Es dürfe nicht zu der vom Netzbetreiber Tennet geplanten 380-kV-Leitung quer über Henstedt-Ulzburg kommen, hieß es in einer Erklärung. „Die Tennet-Pläne wären für die in diesem Bereich lebenden Menschen nicht zumutbar, ganz zu schweigen von der Zerstörung des Naherholungsgebietes Rantzauer Forstes und des dort angesiedelten Waldkindergartens.“
Politiker sammeln Unterschriften
Während einer Einwohnerversammlung zeigte sich Tennet von den Protesten zunächst unbeeindruckt. Sprecher verwiesen auf eine „höchstrichterliche Rechtsprechung“: Die Aufrüstung einer Bestandsleitung sei einer neuen Leitung anderenorts vorzuziehen. Gibt es bereits eine Stromtrasse – wie in Henstedt-Ulzburg –, muss diese auch weiterhin genutzt werden.
Jetzt gehen die Politiker auf die Straße – und das mit großem Erfolg. „Wir hatten innerhalb ganz kurzer Zeit eine lange Liste von Unterschriften“, sagt SPD-Fraktionschef und Planungsausschussvorsitzender Horst Ostwald stellvertretend für seine Politiker-Kollegen im Gemeinderat. Im Gegensatz zu anderen Info-Aktionen der Parteien und Wählergemeinschaften muss kein Passant lange überredet und überzeugt werden: Fast alle unterschreiben gerne, weil es für sie ein Akt der Solidarität ist. Auch im Foyer des Henstedt-Ulzburger Rathauses liegen Unterschriftslisten aus, einige Geschäfte im Ort machen ebenfalls mit. „Wir haben auch viele Firmen in Henstedt-Ulzburg angeschrieben und um Teilnahme gebeten“, sagt Malte Pohlmann, Sprecher der Gemeinde Henstedt-Ulzburg. „Selbstverständlich liegen Unterschriftslisten in allen öffentlichen Gebäuden der Gemeinde.“ Bürgervorsteher Uwe Schmidt (CDU) und Bürgermeister Stefan Bauer, die sich beide zu Vorreitern im Kampf gegen die Stromtrasse gemacht haben, freuen sich über „das große Maß an Geschlossenheit“ in der Gemeinde.
Wie viele Unterschriften bis jetzt zusammengekommen sind, kann noch niemand genau sagen. „Es dürften einige Tausend sein“, vermutet Malte Pohlmann. „Es wurde ja auch während des Drachenfestes gesammelt.“ Bis zum Beginn des Planfeststellungsverfahrens wird fleißig weiter gesammelt – bis etwa Anfang bis Mitte September dürfte damit zu rechnen sein. Der genaue Termin steht noch nicht fest. Von der Homepage der Gemeinde Henstedt-Ulzburg (www.henstedt-ulzburg.de) kann jeder Internetnutzer Unterschriftslisten herunterladen.
Fest steht aber: Alle, die während des Verfahrens eingebunden sind, bekommen den geballten Zorn und den großen Proteststurm aus Henstedt-Ulzburg zu spüren. Horst Ostwald geht davon aus, dass die Unterschriftslisten der Tennet oder dem schleswig-holsteinischen Energiewendeminister Robert Habeck übergeben werden. An der Spitze der Henstedt-Ulzburger Delegation werden dann wieder Bürgervorsteher und Bürgermeister stehen. Bürgermeister Bauer stellt eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Aussicht.