Norderstedt. Der Fraktionschef von CDU und CSU sprach im Norderstedter Autohaus Stadac vor Unternehmern und Bürgern über Welt- und Innenpolitik.
Zwar redet Volker Kauder gerne vom störrischen Schwaben, von Daimler in Sindelfingen und dem Mittelständler auf der Schwäbischen Alb. Aber Kauder ist kein Schwabe, kein Häuslebauer und Spätzlefresser. Kauder ist Badener, besser gesagt Alemanne, aufgewachsen in Singen am Hohentwiel, einer Industriestadt in der malerischen, von Vulkanen geformten Landschaft des Hegau. Der Alemanne – das weiß jeder, der sie kennt – mag er es gerne deftig und heftig, zwar immer mit Schalk im Nacken, aber mit dem Hang zur Übertreibung.
Die exakt abgezählten 90 Minuten mit dem Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zu denen Kauder gemeinsam mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann am Mittwoch ins BMW-Autohaus Stadac nach Norderstedt geladen hatte, waren dann auch ein thematisch kompakter Parforceritt durch die Welt- und Innenpolitik, ein Nachhilfeunterricht im „brutal harten Geschäft“ der Realpolitik für alle Zweifler der Berliner Regierungskoalition, bei dem Kauder es nicht an gewürzten Pointen und deutlichen Worten mangeln ließ. Der Alemanne würde sagen: Do hot dr’ Kauder Volker mol ä weng on rausg’haut! (Da hat der Volker Kauder aber mal ein wenig einen rausgehauen!)
Tsipras ist in Kauders Augen ein Verrückter
Kauder sagt, Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. In seiner Wirklichkeit ist zum Beispiel Alexis Tsipras, der griechische Premierminister, ein Verrückter, der nur noch nicht zur Vernunft gekommen ist, weil EZB-Chef Mario Draghi unablässig Milliarden Euros in die griechischen Banken pumpe. Mehr Zucker gibt er den Grexit-Affen am Stammtisch aber nicht. Denn Kauder bekennt sich klar gegen die Rauswurf-Option und wirbt um Vertrauen für Euro und den europäischen Markt, ohne die das exportorientierte Deutschland gar nicht mehr könne.
In Kauders Wirklichkeit ist ein Freihandelsabkommen mit den USA zwangsläufig notwendig, im Interesse Deutschlands, denn es könne nicht sein, dass Opel in Deutschland „ein kleines Kischtle“ für 9000 Euro produziert, das durch Auflagen der US-Marktwächter in Amerika dann 17.000 Euro „koschtet“. Kauder fasst sich an den Kopf, wenn er Diskussionen um fiese Chlorhühnchen verfolgt, mit denen Amerika nach TTIP angeblich Europas Kühlregale fluten wird. „In dem Wasser, durch das die gehen, ist nicht mehr Chlor als in jedem Schwimmbad. Ich hab sie gegessen, die schmecken super. Und im Gegensatz zu unseren deutschen Hühnchen haben sie niemals Salmonellen.“
Amerika sei der Freund, nicht der Feind
Im Übrigen sei Amerika immer noch der Freund, nicht der Feind. „Überall dieser Antiamerikanismus – und dann zu McDonald’s essen gehen“, sagt Kauder. Nicht schön sei es zwar, wenn Amerika mit seiner NSA die Kanzlerin und die Wirtschaft ausspähe. „Aber Großmächte haben eben so ihre Marotten. Und im Kampf gegen den IS in Syrien möchte ich mich nicht auf Russland oder China verlassen. Die USA können europäische Dschihadisten abhören – wir nicht.“ Die Freiheit in Deutschland müsse eben nicht mehr nur am Hindukusch, sondern auch in Patras und Dubrovnik verteidigt werden. Die Balkan-Staaten mit ihren vielen Muslimen seien die Frontstaaten im Kampf gegen den IS. Und wenn Griechenland als Staat zusammenbreche, dann müsse die Schengen-Grenze verteidigt werden – gegen Dschihadisten und noch mehr Flüchtlinge.
Was die deutsche Wirtschaft und ihre Position in der Welt angehe, so sei unser Land zwar noch Spitze. Man müsse aber jeden Tag Spitze sein, um es zu bleiben. Entsprechend kann es Kauder gar nicht leiden, wenn über Fluglärm, Stromtrassen, Autobahn- oder Bahnhofbau allzu sehr lamentiert wird. „Der eine hat eine Deponie vor der Tür, der andere einen Flughafen – jeder muss seinen Beitrag leisten, sonst hat unser exportorientiertes Land keine Zukunft.“ Natürlich tat es den Mittelständlern unter den gut 200 Zuhörern gut, dass Kauder sie zum Rückgrat der Innovation und des Wachstums adelte.
Kauder will aus dem Hintergrund Dinge verändern
Aber gerne hätten sie von ihm auch gehört, dass er sich energischer gegen den von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles losgetretenen Bürokratiewahn beim Mindestlohn oder das uneinheitliche Bildungssystem der Bundesländer einsetzen würde. „Glauben Sie, dass sich das ändert, wenn ich die Nahles drei Wochen lang öffentlich beschimpfe? Im Gegenteil!“ Nein, Kauder wolle beharrlich und sachlich im Hintergrund die Dinge verändern. Was die Bildungspolitik angehe, so sieht der bekennende Föderalist Kauder die Länder in der Pflicht. „Da haben viele noch nicht geschnallt, dass die wirtschaftliche Entwicklung andere Inhalte in der beruflichen und schulischen Bildung verlangt.“ Etwa 70.000 deutsche Schüler blieben jährlich ohne Hauptschulabschluss. Hier gehe großes Fachkräftepotenzial für Deutschland verloren. „Das ist eine klare Anklage an das Schulsystem.“
Pünktlich beendet Kauder den launigen Polit-Abend. Denn er muss noch „de’ Flieger in den Süden“ kriegen. Der Wahlkreis ruft.