Norderstedt. Nach Jahrzehnten gibt es für die Wiese an der Ulzburger Straße nun einen Bebauungsplan. Politik uneinig, welches Projekt das Beste wäre.

Es ist das letzte große und unbebaute Areal in Norderstedt-Mitte: Eine drei Hektar große Wiese an der Ulzburger Straße, zwischen dem neuen Rechenzentrum am Buchenweg im Süden und dem Vitalia-Gesundheitszentrum im Norden. Die Stadt Norderstedt mit ihrem neuen Stadtkern wächst seit ihrer Gründung im Jahr 1970 drumherum.

Nachdem hier seit Jahrzehnten nur Hunde Auslauf finden, Zirkusse Vorstellungen geben und in harten Wintern Schneeberge von der Straßenreinigung aufgetürmt wurden, gibt es nun einen gültigen Bebauungsplan mit der Nummer 314. Im Ausschuss für Stadtentwicklung wurde er verabschiedet. Allerdings nicht ohne Kontroverse. Denn was auf dem Filetgrundstück im Stadtzentrum entstehen soll, darüber ist sich die Kommunalpolitik alles andere als einig.

Der jetzt aufgestellte Bebauungsplan für die Fläche im Eigentum der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EgNo) ist baurechtlich ein Gemischtwarenladen. Er ermöglicht die „große Bandbreite“ an Projekten, wie es die Verwaltung beschreibt. Wünschenswert ist für die Stadtplaner im Rathaus ein Mix aus Wohnen und Gewerbe. Letzteres sieht die Stadt eher im nördlichen Teil der Fläche, zum Vitalia-Gesundheitszentrum und den Stadtwerken hin. Das Grundstück hätte Anbindung an die Ulzburger Straße und an die Heidbergstraße und würde den Kern von Norderstedt-Mitte städtebaulich abrunden. In Richtung Süden ist die Wohnbebauung passender. Bis zu 200 Wohnungen, 30 Prozent davon gefördert, könnten entstehen. Zielgruppe seien Senioren und junge Familien. Mit seiner direkten Anbindung an die U-Bahn und den Busbahnhof seien die Wohnungen sehr attraktiv. Inwieweit Lärmemissionen an dem Standort zwischen der stark befahrenen Ulzburger Straße und der U-Bahn-Trasse den Bau von Wohnungen beeinflussen könnten, soll nun ein Lärmgutachten klären, das die Stadtverwaltung bereits in Auftrag gegeben hat.

Beschlossen wurde dieser Bebauungsplan mit den Stimmen der Stadtvertreter von CDU, den Grünen und der Linken – eine seltene Allianz. SPD, FDP und Wir in Norderstedt (WIN) lehnten ihn ab. „Die Fläche war ursprünglich für die Ansiedlung von Büros vorgesehen. Wir finden, dass sie für den Wohnungsbau schlicht zu laut ist“, sagt der SPD-Fraktionschef Nikolai Steinhau-Kühl. „Es gibt nicht mehr viele Flächen, auf denen sich große Arbeitgeber ansiedeln lassen. Für den Wohnungsbau ist uns die Fläche zu schade.“

Reimer Rathje, Fraktionschef der WIN, sieht das genauso. Aus seiner Sicht besteht derzeit keine Not, das Filetgrundstück auf den Markt zu werfen. „Ich würde lieber auf einen Investor warten, der uns hier einen Betrieb mit 300 bis 400 Arbeitsplätzen baut.“ Die große Nachfrage für bezahlbaren Wohnraum in der Stadt sieht Rathje nicht als Priorität. „Die Stadt kann so viele Wohnungen bauen, wie sie will – es wären nie genug. Sollen wir deswegen jetzt alle Flächen für den Wohnungsbau verbrauchen? So dringend braucht die Stadt Norderstedt das Geld doch nicht.“

Mit Fassungslosigkeit reagiert Stadtvertreter Norbert Pranzas von den Linken auf diese Argumentation. „Uns fehlen Tausende Wohnungen, die Mietpreise steigen ins Unermessliche, und SPD, FDP und WIN sorgen sich um Investoren. Da ist bei einigen der Groschen noch nicht gefallen.“ Und auch Grünen-Fraktionschef Detlev Grube kritisiert den Versuch der SPD, per Antrag ein „dringend benötigtes Wohnungsbauprojekt in Norderstedt-Mitte“ zu verhindern. „Der von der Verwaltung erarbeitete Entwurf mit einem Mix aus bis zu 200 Wohneinheiten sowie Praxen und Büros für Betriebe aus dem Gesundheits- und Wellnessbereich ist eine gelungene Planung, wenn auch mehr Wohnungsbau statt Gewerbe an dieser Stelle wünschenswert wäre“, sagt Grube.

Für den Grünen gibt es kaum eine bessere Fläche, um Wohnungsbau trefflicher in Norderstedt zu realisieren. „Uns sind da auch immer die kurzen Wege zu U-Bahn, Bus und Einkaufsmöglichkeit wichtig, um den Autoverkehr in der Stadt zu reduzieren“.

Bei der EgNo nennt Sprecher Keno Kramer es einen Vorteil, mit einem Bebauungsplan in die Vermarktung einer Fläche zu gehen. „Das nimmt gleich im Vorwege ein paar Fragen raus.“ Für die Fläche habe es in der Vergangenheit immer wieder Anfragen gegeben - eigentlich immer, wenn Projektentwickler oder Firmen in der Region auf der Suche waren. An Nachfrage mangelt es also gewiss nicht.