Stefan Bauer ist seit einem Jahr Bürgermeister in Henstedt-Ulzburg. Redakteur Frank Knittermeier sprach mit dem 45-Jährigen über den Job.

Hamburger Abendblatt Sie sind jetzt genau ein Jahr Bürgermeister in Henstedt-Ulzburg. Wie geht es Ihnen?

Stefan Bauer: Mir geht es sehr gut, auch wenn ich mir im Moment meinen anstehenden Urlaub herbeisehne wie schon lange nicht mehr. Ich habe festgestellt, dass ich mit meinen Kräften haushalten muss und nicht alle Felder der Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit mit gleicher Intensität bearbeiten kann.

Sie sind angetreten, um Henstedt-Ulzburg voranzubringen. Ist Ihnen das gelungen?

Bauer: Ich habe erlebt, wie in der bürgermeisterlosen Zeit von Seiten der Politik auf die Verwaltung eingewirkt wurde – das wollte ich abstellen. Da bin ich auf einem guten Weg. Außerdem wollte ich Henstedt-Ulzburg voranbringen – das ist mir bedingt gelungen. Zunächst galt es, Probleme zu identifizieren, die dazu beigetragen haben, dass ein schwieriges Klima herrschte. Dort befinden wir uns nun und darauf können Veränderungen aufgebaut werden.

Es war eines Ihrer Wahlversprechen, den offenen Bürgerdialog zu führen.

Bauer: Tatsächlich habe ich die Bürgermeistersprechstunde in allen Ortsteilen eingeführt. Sie wird sehr gut angenommen, ist immer ausgebucht und zum Teil auch überbucht. Ich hatte auch von kundenfreundlicheren Öffnungszeiten der Verwaltung gesprochen, aber es ist beim Status quo geblieben. Wir haben die Öffnungszeiten überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Personal aufgestockt werden müsste, wenn etwas geändert werden sollte. Aber die Gemeindeverwaltung braucht sich hinsichtlich der Öffnungszeiten nicht zu verstecken, darin besteht auch Konsens mit der Politik.

Worin besteht der Kern Ihrer Arbeit?

Bauer: Zurzeit sehe ich mich als Mittler und Vermittler. Wenn eine politische Entscheidung gefallen ist, trete ich konsequent für die Umsetzung ein. Ich hoffe, dass die Politiker es erkennen und anerkennen.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Politik?

Bauer: Ich bin mit allen Fraktionen im Gespräch, und das ist auch gut so. Es ist ja so, dass die Politik in Henstedt-Ulzburg sich auch selbst neu finden muss. Anders als früher gibt es keinen Bürgermeister mehr mit einer Hausmacht, keine Fraktion kann den Bürgermeister vor ihren Karren spannen. Für mich ist es schwierig, eigene Vorschläge durchzubringen. Wir haben viele aufmerksame und kluge Gemeindevertreter, die gut beobachten und sich kompetent mit einbringen. Insgesamt ist die Politik sehr diskussionsfreudig, was ja auch gut ist. Es wird inzwischen auch der Bedarf formuliert, dass der Bürgermeister führt und nicht nur moderiert.

Funktioniert das?

Bauer: Meine Wahrnehmung ist, dass dem Bürgermeister die Rolle noch nicht tatsächlich zugebilligt wird. Mir wird die Verantwortung dann zugeschoben, wenn Dinge nicht gut laufen. Der Fokus wird auf die Verwaltung im Sinne von Kontrolle gelegt. Einige Politiker möchten, so empfinde ich es, die Entscheidungsfreiheit und die Entfaltungsmöglichkeit der Verwaltung einschränken. Es steht häufig die Frage im Raum, ob die Verwaltung sich Dinge anmaßt, die den Politikern obliegen. Ich spreche verstärkt mit den Politikern, es ist ein etwas holpriger Prozess, aber ich hoffe, dass es sich auflöst.

Ist die Verwaltung optimal besetzt?

Bauer: Ich habe die Erkenntnis erlangt, dass die Verwaltung für die Themen, die von ihr abverlangt werden, unterbesetzt ist. Durch diese Arbeit an der Kapazitätsgrenze haben sich auch Fehler eingeschlichen, die vermeidbar gewesen wären. Der Verwaltung muss Raum gegeben werden, die vorhandenen Aufgaben vernünftig abzuarbeiten – das war in der Vergangenheit nicht so. Früher waren die Bürgermeister und Politiker stolz auf ihre kleine und leistungsfähige Verwaltung, das ist heute aber nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen die entsprechenden personellen Kapazitäten insbesondere vor dem Hintergrund gestiegener qualitativer und quantitativer Anforderungen.

Fühlen Sie sich nach einem Jahr vollständig eingearbeitet?

Bauer: Ich bin gut in den Themen zu Hause, bin aber noch nicht völlig eingearbeitet. Dafür ist das Aufgabenspek­trum zu groß. Es braucht ein dreiviertel Jahr, um sich in alle Hausthemen, die bearbeitet werden, einzuarbeiten. Wöchentlich kommen Themen hinzu, da gilt es, Prioritäten zu setzen.

Wie haben Sie Detailkenntnisse bekommen?

Bauer: Durch Information bei den Fachbereichs- und Sachgebietsleitern, aber auch bei den Mitarbeitern direkt. Ich habe mir Probleme sowohl direkt vor Ort angesehen und mit betroffenen Bürgern gesprochen, als auch mit Gemeindevertretern diskutiert. Insgesamt bekommt man so ein recht gutes Bild.

Sie sprechen also gerne mit den Leuten.

Bauer: Das ist so. Ich nehme die Chance wahr, mit den Menschen zu sprechen. Sowohl im Guten als auch, um die Grenzen der Verwaltung deutlich zu machen.

Werden Sie auch beim Einkaufen angesprochen?

Bauer: Wenn ich unterwegs bin, werde ich auch überall angesprochen. So bekomme ich oft ein positives Feedback, aber ich bekomme auch kritische Dinge zu hören. Das gefällt mir insgesamt, weil es Volkes Stimme ist, das ist die unmittelbare Basis.

Wie gehen Sie mit Kritik der Medien um?

Bauer: Ich schaue es mir sehr genau an und reagiere nicht auf jede Kritik. Zu meiner Rolle als öffentliche Person gehört auch die Aufgabe als Blitzableiter. Ich achte aber darauf, dass Kritik so sachlich bleibt, dass sie nicht ins Verleumderische geht, sonst werde ich tätig. Ich habe bereits mit Journalisten direkt, aber auch mit sonstigen Kommentatoren gesprochen, um ihnen deutlich zu machen, welche Wirkungen sie erzielen und in welche Bereiche sie sich begeben.

Steht die Politik Ihnen jetzt kritischer als anfangs gegenüber?

Bauer: Ich glaube, dass meine Rolle zunehmend Akzeptanz findet, da ich nicht von vornherein zu einer bestimmten politischen Seite tendiere, sondern die Verwaltungsabsicht darstelle. Es wird deutlich, dass das Verhältnis von Politik zur Verwaltung eine veränderte Ausrichtung hat.

Wie oft sind Sie abends unterwegs?

Bauer: Sehr häufig. Die Ausschusssitzungen dauern oft sehr lange, oft bin ich erst um 23 Uhr zu Hause. Auch Jahreshauptversammlungen und sonstige Termine fordern mich. Aber ich wollte im ersten Jahr das meiste mitnehmen, um einen Überblick zu bekommen. Ich werde es aber reduzieren müssen, ansonsten wird es den Privatmann Stefan Bauer gar nicht mehr geben.

Wie viele Stunden arbeiten Sie ?

Bauer: Locker 70 Stunden pro Woche. Es gibt keine saubere Trennung zwischen Privatleben und Bürgermeister.

Hatten Sie das so erwartet?

Bauer: Ich hatte es vermutet, nicht erhofft. Akzeptiere es aber und versuche, den Spagat zwischen Aufgabe und dem Anspruch als Privatmensch hinzubekommen.

Sie nehmen ihre Frau oft mit zu Terminen. Ist das ihre Methode, Privatleben und Beruf in Einklang zu bringen?

Bauer: Es ist oft die einzige Möglichkeit, dass meine Frau und ich gemeinsam etwas unternehmen können. Ich stelle es meiner Frau aber komplett frei. Sie hat die Auswahl, was sie mitmachen möchte. Das hat sich gut eingespielt, meine Frau fühlt sich in dieser Rolle jetzt deutlich wohler. Die KuKuHU-Veranstaltungen sind zum Beispiel Klassiker für die Schnittmengen zwischen Beruf und Privatleben. Das hat Spaß gemacht.

Wie wird Ihre Frau mit Ihrer neuen Rolle als „First Lady“ in der Gemeinde fertig?

Bauer: Ausgesprochen gut. Es ist oft so, dass Leute bei meiner Frau Probleme ausschütten, die in meinen Bereich gehören. Sie hat jedoch einen Weg gefunden, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, ihnen aber auch deutlich zu machen, wo ihr Bereich endet und meiner anfängt.

Wann waren Sie zuletzt im Konzert?

Bauer: Das war ein Heavy Metal Konzert von Hammerfall im Januar in Bremen. Nächste Woche gehe ich zum Judas-Priest-Konzert in die Hamburger Sporthalle.

Können Sie gestalten oder müssen Sie verwalten?

Bauer: Ich hatte gehofft, dass der Gestaltungsspielraum größer ist. Ich habe zwar Gestaltungsmöglichkeiten, bin aber zunächst vorrangig die Exekutive der Verwaltung. Andere Bürgermeister haben mit berichtet, dass das tatsächliche Gestalten erst nach drei bis vier Jahren beginnt.

Was waren die größten Probleme, vor die Sie gestellt wurden?

Bauer: Die abstrakten Probleme. Zum Beispiel, in welche Richtung soll sich die Gemeinde entwickeln. Das ist für mich die größte Herausforderung. Anderen Sachen kann ich mich im direkten Dialog stellen – zum Beispiel bei der Kindertagesstätten-Demo, bei Straßenausbaubeiträgen oder Luftfeuchtigkeitsproblemen an Schulen. Das Flüchtlingsproblem ist für die Gemeinde insgesamt die Herausforderung der Zukunft; das geht quer durch die Verwaltung und fordert sie als Ganzes. Aber meine Probleme liegen eher darin, die Gemeindevertreter zu überzeugen, dass wir für viele Aufgaben in der Verwaltung mehr Personal benötigen. Ich weiß zum Beispiel nicht, was ich als Bürgermeister zur Überzeugung noch einbringen muss, wenn der Hauptausschuss beschließt, dass weitere Stellen nötig sind, der Finanz- und Wirtschaftsausschuss sie aber anschließend mit einem Sperrvermerk blockiert.

Würden Sie sich heute noch einmal als Bürgermeisterkandidat aufstellen lassen?

Bauer: Ja. Es ist eine wunderbare Aufgabe, und ich würde sie heute wieder mit der gleichen Leidenschaft und Intensität angehen.