Norderstedt. Verkehrsminister Reinhard Meyer nahm die neue Ampelanlage auf der Schleswig-Holstein-Straße offiziell in Betrieb.

Manchmal, sagt Verkehrsminister Reinhard Meyer, da reibe man sich als Politiker schon die Augen, wie sehr sich Menschen für manche Themen interessieren. Dass am Mittwochmorgen um 8 Uhr die Einweihung einer Ampelanlage in Norderstedt ein Stelldichein der Landes- und Kommunalpolitik sowie der Medien auslöst, scheint übertrieben. Vordergründig. Doch wer den Hintergrund für diese Ampeleinweihung kennt, kommt zu einem anderen Ergebnis.

Bei der Ampelanlage, die jetzt den Verkehr an der Einmündung der Straße Am Exerzierplatz in die Schleswig-Holstein-Straße regelt, geht es eben nicht nur um ein paar Signalgeber und 70.000 Euro Baukosten. Es geht um die Sicherheit auf einer der meist befahrenen Straßen des Landes. Und auch darum, wer bei der Kontrolle und der Überwachung des Verkehrs in den Stadtgrenzen die Macht hat, also um sehr handfeste, politisch umstrittene Themen. „Und deswegen bin ich heute hier genau richtig“, sagt Meyer.

Einer der Auslöser für den Bau der Ampel: Ein Kreuz markiert die Stelle unweit der Einmündung Exerzierplatz, an der im Winter 2014 zwei Männer den Tod fanden
Einer der Auslöser für den Bau der Ampel: Ein Kreuz markiert die Stelle unweit der Einmündung Exerzierplatz, an der im Winter 2014 zwei Männer den Tod fanden © Andreas Burgmayer

Vordergründig senden der Minister, die grüne Landtags-Fraktionschefin Eka von Kalben, der grüne Stadtvertreter Detlef Grube und Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote an diesem Morgen das Signal: Seht her, Bürger, Politik und Verwaltung, die Kommune und das Land können unkompliziert und tatkräftig zusammenarbeiten und Dinge bewegen. Grote bedankt sich bei den Grünen von Kalben und Grube dafür, dass sie nicht locker gelassen haben in der Frage, wie man die Schleswig-Holstein-Straße nach einer Serie von Unfällen mit acht Todesopfern innerhalb von nur zwei Jahren sicherer machen könnte. Und dafür, dass von Kalben interveniert habe in Kiel beim Verkehrsminister und diesen schließlich zu einem Machtwort bewegen konnte.

Die Vernunft habe gegen die Richtlinien gesiegt, sagte Minister Meyer

Meyer machte sich vertraut mit den Gründen, die dafür gesorgt hatten, dass es trotz etlicher Forderungen Norderstedts innerhalb der letzten Jahrzehnte nie zum Bau der Ampel gekommen war. Über die hindernden Richtlinien hätte schließlich die Vernunft gesiegt, sagt Meyer. „Die nötigen Fußgänger-Querungszahlen für den Bau einer Ampel kann man nicht erbringen, wenn man keine Ampel hat, an der Menschen täglich queren.“

An diesem Morgen kann man beobachten, dass Schulkinder, Gassi-Geher und Radfahrer eifrig die Ampel nutzen. Über gelbe Taster können sie Grün anfordern, die Radfahrer haben etwas entfernt vom Übergang am Rand des Radwegs sogar eigene Taster in Lenkerhöhe. Die Anlage ist so geschaltet, dass alle Autofahrer innerhalb von 90 Sekunden Grün bekommen, je nach Verkehrsaufkommen wird diese Phase auf 110 Sekunden erhöht. Stehen auf der Straße Am Exerzierplatz keine Autos, bleiben die Signale auf der Schleswig-Holstein-Straße auf Grün – so lange kein Fußgänger oder Radfahrer queren möchte.

Zum Termin mit dem Minister ist auch der Verkehrsexperte der Norderstedter Polizei, Kai Hädicke-Schories, erschienen. Er steht für den Hintergrund, um den es bei dieser Ampeleinweihung auch geht. Innenminister Stefan Studt baut Stellen bei der Polizei ab und strukturiert Aufgabengebiete neu. Für Norderstedt bedeutet das: Die umfangreiche Verkehrslage-Analyse und die Unfalltypen-Steckkarte, die Hädicke-Schories alljährlich im Auftrag der Polizei für die Stadt Norderstedt erstellt, die wichtige Argumente und Fakten für die Errichtung der neuen Ampel lieferte, kann es ab sofort in dieser Detailtiefe nicht mehr geben. Das kündigte der Norderstedter Revierleiter Jochen Drews kürzlich in einer bemerkenswert offenen Brandrede im Hauptausschuss der Stadt an. Hädicke-Schories könne nicht ausschließlich Verkehrsaufgaben übernehmen, sondern müsse Kollegen in anderen Bereichen entlasten, so Drews.

Oberbürgermeister Grote ist der Verkehrsreport aber so wichtig, dass er bereit ist, die Stelle von Hädicke-Schories aus dem städtischen Etat zu bezahlen. Entweder zur Hälfte oder ganz. Hädicke-Schories soll nach seinem Plan also so etwas wie der exklusive Norderstedter Verkehrsbeauftragte mit der Lizenz zum Blitzen werden. Wenn Norderstedt nämlich die Verkehrsüberwachung im Stadtgebiet vom Kreis übernimmt, könnte Hädicke-Schories die Einrichtung und Überwachung von Tempo-30-Zonen in der Stadt verantworten, die mehr Sicherheit und Lärmschutz bringen sollen. „Mit dem Kreis haben wir darüber Einigkeit erzielt“, sagte Grote. „Ich wäre Minister Meyer dankbar, wenn er das Thema bei Innenminister Stefan Studt anspricht, damit der das mit der Polizei klärt.“ Meyer versprach, das Gespräch mit Studt zu suchen: „Wir wollen das Thema Tempo-30-Zonen und ihre Überwachung bundesweit mit einer Initiative im Bundesrat voran bringen“, sagt Meyer. „Norderstedt ist überall. Die Kommunen haben bei dem Thema alle die selben Fragestellungen.“

Das Innenministerium lehnt GrotesAngebot dankend ab

Thomas Giebeler, Sprecher des Innenministeriums, sagte auf Anfrage, dass die Übertragung der Verkehrsüberwachung vom Kreis auf Norderstedt eine Vielzahl grundsätzlicher, insbesondere auch rechtlicher Fragen aufwerfe. Das Ministerium werde diese klären und den Sachverhalt dann „sehr zeitnah“ zuerst mit dem Kreis Segeberg und der Stadt Norderstedt erörtern. Was aber den Verkehrsreport angeht, so kommt man in Kiel zu einem ganz anderen Befund: „Die Verantwortung für Verkehrsunfall-Lagebilder und -analysen liegt bei der Polizeidirektion in Bad Segeberg. Sie wird diese Aufgaben auch zukünftig gemeinsam mit anderen Stellen in der Stadt Norderstedt in gewohnter Qualität wahrnehmen“, sagt Giebeler. Das Angebot der Stadt auf Übernahme der Stelle werde also „nicht nötig sein“.