Bad Segeberg. In Bad Segeberg wird am Freitag offiziell ein Kletterfelsen eingeweiht. Manche Bürger wollen darin einen Riesenphallus erkennen.

Ist das Kunst? Oder kann das weg? Kunst ist es eher nicht, weg soll es auch nicht. Aber der Segeberger Stein des Anstoßes erregt inzwischen ganz Deutschland: Zahlreiche TV-Teams rückten am Dienstag an, um auf dem Spielplatz an der Backofenwiese am Großen Segeberger See etwas zu filmen, was manche irgendwie anstößig finden. Ein Kletterstein, der dem benachbarten Kalkberg nachempfunden wurde – der aber aussieht wie ein Riesenphallus. Oder auch nicht. Das kommt auf den Blickwinkel an.

Der örtliche Lions Club hat es gut gemeint und wollte der Stadt einen Spielplatz am Seeufer mit zwei Klettersteinen spendieren. 20.000 Euro und Eigenleistung brachten die Lions-Mitglieder dafür auf, die x-move GmbH aus Berlin, versiert in der Ausgestaltung von Spielflächen, bekam den Auftrag und erstellte das Kalkberg-Double im Kleinformat.

Alles nett gemeint, aber dann gewann die Geschichte eine unvermutete Eigendynamik. Und das funktionierte so: Ein regionales Anzeigenblatt veröffentlichte Fotos des Klettersteines, der per Seil mit einem zweiten Stein verbunden ist. Völlig arglos und ohne jegliche Hintergedanken oder Kritik. Einige Leser sahen in dem Stein aber mehr als einen Stein: Sie posteten den Zeitungsartikel auf den Seiten einer geschlossene Segeberger Facebookgruppe – ob als Scherz oder Kritik gedacht, ist unklar. Zumindest brach ein Shitstorm über den Lions Club und die Stadtverwaltung herein.

Viele machten sich über den vermeintlichen Riesenphallus lustig, andere fanden ihn anstößig, nicht wenige waren offenbar ihn ihrem sittlichen Empfinden gestört und erklärten, sie würden ihre Kinder niemals, aber auch wirklich niemals auf diesen Spielplatz schicken. Kletternde Kinder auf einem Riesenphallus? Gott bewahre.

Eine Reporterin der „Lübecker Nachrichten“ entdeckte die Facebook-Kommentare und schrieb darüber einen Artikel. Die Folge bekamen Segebergs Bürgervorsteherin Ingrid Altner und Bürgermeister Dieter Schönfeld hautnah zu spüren: Sie mussten am Dienstag pausenlos Interviews vor laufenden Kameras geben. Selbst bei den Karl-May-Spielen sind nicht annähernd so viele Fernseh-Teams in der Kreisstadt zugegen.

Der Bürgermeister nahm es gelassen: „In Bad Segeberg ist doch immer etwas los, dieser Stein ist anscheinend sehr anregend für die menschliche Fantasie, aber hier wurde die Fantasie wohl etwas zu stark ins Spiel gebracht.“ Seiner Ansicht nach nehmen die meisten Passanten den Kletterstein anders, nämlich als ganz normalen Stein, wahr. Bürgervorsteherin Ingrid Altner ließ ihre Fantasie ebenfalls schweifen, aber etwas Anstößiges kam dabei nicht heraus: „Ich sehe darin eher einen kleinen Seehund.“

Tatsächlich gibt es offenbar kaum Passanten, die in dem Kletterensemble mehr sehen. Dienstagmittag jedenfalls erregten die Kameraleute und TV-Reporter mehr aufsehen als der unscheinbare Stein. Die kleine Spiel- und Kletterfläche ist noch durch einen Zaun abgesperrt. Am Freitag, 24. April, wird die Fläche um 15 Uhr für die Kinder geöffnet.

Einige Kinder haben sich die beiden Klettersteine gestern schon mal angesehen. Die Naturgruppe des Kindergartens St. Marien kam mit Gruppenleiterin Petra Modrow auf dem Weg zum See und zurück direkt daran vorbei. Und? Was sagen die Kleinen? Jesper brachte es auf den Punkt: „Ich sehe da zwei Steine.“ Ida ergänzte: „Und zwei Seile.“ Marie konnte eine Schildkröte erkennen.

Petra Modrow schmunzelte über die öffentliche Diskussion und ließ keine Zweifel aufkommen: „Natürlich werden wir die Kinder auf diesen Platz und auch auf die Steine lassen; was da hineininterpretiert wird, ist ja wohl der Fantasie einiger weniger entsprungen.“ Sie wird mit den Kindern am Freitag selbstverständlich zur Einweihung kommen.