„Inzwischen glaube ich, dass es der Landesregierung egal ist, wie es ihren Mitarbeitern geht“, sagt Reimer Kahlke, der Chef der GdP in den Kreisen Segeberg und Pinneberg. Polizeiführung widerspricht.
Kreis Segeberg. Erst vor wenigen Wochen hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor weiteren Belastungen der Beamten gewarnt und von einer Gefahr für die innere Sicherheit gesprochen. Jetzt legt ein Gewerkschafter mit drastischen Worten nach. „Inzwischen glaube ich, dass es der Landesregierung egal ist, wie es ihren Mitarbeitern geht“, sagt Reimer Kahlke, der Chef der GdP in den Kreisen Segeberg und Pinneberg. Er berichtet von „massiven Klagen“ der Polizisten über die Arbeitsbelastung. Den Mangel an Personal bezeichnete Kahlke als unhaltbaren Zustand.
Nach seinen Berechnungen sind nicht einmal alle Planstellen in der Polizeidirektion besetzt, die sich über beide Landkreise erstreckt. 734 sind rechnerisch vorhanden, aber nur 727 besetzt, sagt Kahlke. Im Juli seien es sogar nur 715 gewesen. Ähnlich sehe es im Revier Norderstedt aus. Auf 78 Dienstposten kommen laut Kahlke nur 67 Beamte.
Besonders problematisch sei die Situation an Wochenenden, berichtet der Gewerkschafter. Inzwischen könne der Dienstherr nicht mehr garantieren, dass jeder Polizist an einem Wochenende pro Monat komplett frei hat. Ständig stünden die Revierleiter vor der Frage, ob sie bei Engpässen kurzfristig Beamte zum Dienst holen, die laut Dienstplan eigentlich frei hätten. Im Norderstedter Revier bestehe die Führung darauf, die Schichten stets komplett zu besetzen, sagt Kahlke. In anderen Revieren werde in kauf genommen, unterbesetzt zu arbeiten, um Kollegen wenigstens ein freies Wochenende zu garantieren.
Für zusätzliche Belastungen sorgen Großeinsätze. Wenn beispielsweise die Polizei bei Fußballspielen zwischen Hansa Rostock und Holstein Kiel für Sicherheit sorgen müssen, arbeiten die Dienststellen in der Region laut Kahlke „massiv unter der Mindeststärke“. Im vergangenen Sommer war das Revier Bad Segeberg an einem Wochenende nicht in der Lage, alle vier Fahrzeuge zu besetzen, die als Mindeststärke einsetzbar sein müssen. Der Revierleiter schrieb eine Überlastungsmeldung an die Direktionsleitung. Erschwerend kommt hinzu, dass landesweit neuerdings Fahrzeuge grundsätzlich mit mindestens zwei Polizisten besetzt sein müssen, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Den Unmut der Polizisten bekam Innen-Staatssekretärin Manuela Söller-Winkler zu spüren, als sie vergangene Woche die Polizeidirektion in Bad Segeberg besuchte. Vor dem Eingang überreichten Gewerkschafter der Politikerin eine Liste mit den Namen der Polizeistationen, die bereits geschlossen wurden. Außerdem wiesen sie erneut auf ihre hohe Belastung hin.
Entlastung ist jedoch nicht in Sicht. Die Landespolizei mit ihren 8300 Beschäftigten muss in den Jahren 2016 bis 2020 exakt 122 Stellen streichen. Das ist Bestandteil des Haushaltskonsolidierungskonzepts der Landesregierung. Der Stellenabbau sei maßvoll und komme nicht abrupt, sagte Innenminister Stefan Studt. Er werde so gestaltet, dass er ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei in den Einsatz- und Ermittlungsdienststellen bleibe.
Die größten Veränderungen kommen auf den internen IT-Service der Polizei zu. 90 der 160 Stellen fallen weg, weil Aufgaben privatisiert werden sollen. 22 weitere Stellen fallen weg, weil die Polizei-Big-Band im August aufgelöst wird. Jeweils zehn Stellen werden bei den Videowagen und beim Verkehrsunfall-Lagedienst gestrichen. Der größte Posten mit 50 Stellen kommt durch Streichungen von Stellenanteilen und Zeitverträgen im gesamten Bereich der Polizei zustande. Dazu werden 60 Stellen von der Wasserschutzpolizei in die Bereiche Einsatz und Ermittlung verlagert, um Internetkriminalität und Wohnungseinbrüche zu bekämpfen.
Welche Auswirkungen diese Pläne auf den Kreis Segeberg haben werde, stehe noch nicht verlässlich fest, sagte ein Sprecher des Landespolizeiamtes. Dort geht man von anderen Zahlen als die Gewerkschaft aus. Derzeit seien sogar rechnerisch vier Beamte mehr in der Direktion beschäftigt als die Soll-Stärke von 734 Planstellen vorsehe. Im Juli habe die Ist-Stärke sogar 32 Vollzugsbeamte über dem Soll gelegen. „Grundsätzlich haben die Beamten im Schichtdienst ein Wochenende pro Monat frei“, hieß es außerdem bei der Polizei.
Der Landesverband der GdP hatte vor wenigen Wochen bei einer Tagung in Bad Bramstedt das Ergebnis einer Umfrage vorgestellt und von erschreckenden Ergebnissen gesprochen: 55 Prozent der Befragten halten die Nicht-Planbarkeit der Dienste für belastend. 65 Prozent klagen über eine wachsende Arbeitsverdichtung. 70 Prozent sind mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unzufrieden. Je nach Art des Schichtdienstes empfinden 70 bis 80 Prozent den Personalmangel als belastend. Angesichts weiter zunehmender Arbeitsbelastungen sprach der stellvertretende Landesvorsitzende, Torsten Jäger, von einer Gefahr für die innere Sicherheit.