Das Naturschutzgebiet Oberalsterniederung soll um 219 Hektar erweitert werden. Aber mehrere Bauern in diesem Gebiet in Henstedt-Rhen haben Angst: Sie fürchten um ihre Existenz. Der Kreisbauernverband protestiert.
Henstedt-Ulzburg. Heiko Fuhlendorf geht mit der Schiebkarre auf die Weide, die direkt an der Straße Togenkamp liegt und füllt Futter in die Traufe. Gleichzeitig lockt er die herumstehenden Kälber an, die sich zunächst zögernd nähern, dann aber doch kräftig zulangen: Bäuerliche Idylle in Henstedt-Rhen. Seit 1765 bewirtschaftet die Familie Fuhlendorf diesen Hof, Heiko führt ihn in sechster Generation. Aber der 52 Jahre alte Landwirt weiß nicht, wie lange er noch durchhalten kann. Denn so schön das Land rings um seinen Hof auch ist, der landwirtschaftliche Nutzen wird infrage gestellt. Denn genau hier wollen die Gemeinde Henstedt-Ulzburg und das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume ein Naturschutzgebiet ausweisen.
Das Naturschutzgebiet Henstedter Moor wird bereits unter der Nummer 209 in einem von der obersten Naturschutzbehörde geführten Verzeichnis aller Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein geführt, obwohl das Verfahren natürlich noch nicht abgeschlossen ist. Einige Landwirte – neben Heiko Fuhlendorf sind noch zwei weitere Landwirte aus Henstedt-Ulzburg, andere aus Tangstedt und Kayhude davon betroffen – wehren sich dagegen. Das angestrebte Naturschutzgebiet ist rund 219 Hektar groß und umfasst das Henstedter Moor mit angrenzenden Heide- und Grünlandflächen, Wäldern und Ackerflächen. Bestandteile des Naturschutzgebietes sind die Landschaftsteile mit den Bezeichnungen Lütt Wittmoor, Immenmoor, Wittmoor, Hitten Moor, Horstmoor, Steinberg und Heidhornsberg. Henstedt-Ulzburg hat 2008 offiziell beantragt, diesen Naturraum als Naturschutzgebiet und damit als Erweiterung des bereits bestehenden, rund 900 Hektar großen Naturschutzgebietes Oberalsterniederung auszuweisen. Grob gesagt, liegt das Erweiterungsgebiet zwischen Wilstedter Straße im Süden und der Straße Togenkamp im Norden – ein Gebiet, das von vielen Ausflüglern zur Naherholung genutzt wird, weil es durch einen offizielle Wanderweg und einige inoffizielle Trampelpfade erschlossen ist.
Bis Ende September konnten Stellungnahmen abgegeben werden. „Jede einzelne wird von uns ernst genommen“, sagt Ines Winkelmann vom Dezernat Biodiversität des Landesamtes. „Wir stehen auch mit einigen Landwirten in Kontakt.“ Das ist auch dringend nötig, denn rund 100 Hektar der vorgesehenen Naturschutzfläche werden derzeit noch landwirtschaftliche genutzt. Und für Landwirte, die hier ihre Felder bestellen oder ihr Vieh auf den Weiden haben, ergibt sich ein erheblicher Vermögens- und Ertragsverlust. „Wir sagen Ja zum Naturschutz“, sagt Hans-Georg Otten, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. „Wir wollen aber, dass die landwirtschaftliche Grenze bis zum Moor reicht.“ Er vertritt die betroffenen Landwirte, denen ein striktes Düngungsverbot auferlegt werden müsste, wenn das Naturschutzgebiet sich tatsächlich über ihre Ländereien erstrecken sollte. Außerdem wäre die Nutzungszeit begrenzt. Der Henstedt-Ulzburger Landwirt und CDU-Gemeindepolitiker Hans-Georg Gülk weiß genau, was das bedeutet: „Die Böden verarmen, wenn nicht mehr gedüngt werden kann, im Heu wäre kein Nährstoff mehr vorhanden.“ Bauerngeschäftsführer Otten ist besonders verärgert, dass eine Entschädigungsklausel vom Landesamt bisher nicht vorgesehen ist.
Landwirt Heiko Fuhlendorf sieht noch ein weiteres Problem: Das hochgiftige Jakobs-Kreuzkraut, das jetzt schon verstärkt vorkommt, würde sich ausbreiten. Auf den Weiden meiden die Tiere diese Pflanze, wird sie jedoch mitgemäht, taucht sie im Heuballen auf und landet so in den Futtertrögen. 55 Prozent seiner Gesamtbetriebsfläche von 53 Hektar wäre von einem Naturschutzgebiet mit allen Beschränkungen betroffen. „Dann wäre mein Hof wirtschaftlich nicht mehr tragbar“, sagt Heiko Fuhlendorf, der sich auf Milchviehwirtschaft spezialisiert hat und streng auf eine vielfältige Fruchtfolge achtet. „Eigentlich wirtschafte ich ja schon extensiv und nachhaltig.“
Als Ausgleich für die betroffenen Landwirte könnte ein 40 Hektar großer Hof in Henstedt dienen, dessen Betrieb eingestellt worden ist und der von der Landgesellschaft Schleswig-Holstein aufgekauft wurde, um ihn betroffenen Landwirten als Austauschfläche zur Verfügung zu stellen. Von dieser Idee ist Heiko Fuhlendorf nicht besonders angetan: „Die Flächen liegen weit entfernt, außerdem werden die betroffenen Landwirte dann bei der Landgesellschaft Schlange stehen.“
So läuft das Verfahren weiter: Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Flintbek prüft die abgegebenen Stellungnahmen, dann erfolgt eine öffentliche Auslegung im Rathaus Henstedt-Ulzburg und im Gebäude des Amtes Itzstedt. Außerdem sind die Unterlagen im Internet auf der Webside des Umweltministeriums einsehbar. Zuvor wird es noch eine Informationsveranstaltung geben. Ines Winkelmann geht davon aus, dass die Auslegung zu Beginn des kommenden Jahres stattfinden wird.