Die Stadtpark GmbH hatte kritische Anwohner zum Austausch eingeladen. Die Bürger machten ihrem Frust über Lärm Luft. Sie haben genug von zu lauten Veranstaltungen und lärmenden Parkbesuchern in der Nacht.
Norderstedt. Wie der Mensch Lärm empfindet und wie er darauf reagiert, das ist höchst individuell. Im Stadtpark Norderstedt zum Beispiel: Da gibt es Menschen, die leben direkt an der Park-Grenze. Sie sitzen abends auf der Terrasse, während sich im Park 10.000 Besucher das Feuerwerk der Pyrogames bei lauter Musikuntermalung anschauen. Wenn die Bouquets am Himmel explodieren, dann sagen auch diese Anwohner Oh und Ah und freuen sich über das Außergewöhnliche.
Doch sie haben Nachbarn, die werfen am selben Abend erbost die Fenster zu, rufen die Polizei an und pochen auf Einhaltung der Lärmrichtlinien. Sie wissen, dass nächtlicher Lärm gesundheitsschädlich ist, dokumentieren das mit Lärmpegel-Messgeräten und sehen sich trotz wiederholter Proteste vom Veranstalter rücksichtslos ignoriert. Unter diesen Anwohnern gibt es Extremfälle, die den Park gar nicht mehr betreten – aus Protest gegen die beständige Lärmbelastung durch jährlich Dutzende von Veranstaltungen und lärmende Besucher bis in den Morgen.
Als die Parkleitung am Donnerstag zu einem Austausch mit den Anwohnern in das „Haus am See“ eingeladen hatte, lag dieses Spannungsfeld spürbar in der Luft. Etwa 60 Anwohner waren der Einladung gefolgt. Manche betraten mit versteinerter Miene den Gastraum, andere freundlich lächelnd, je nachdem, ob konstruktive Kritik oder Frustabbau angesagt war.
Stadtpark-Geschäftsführer Kai Jörg Evers hatte seine Veranstaltungsleiterin Eva Reiners mitgebracht, außerdem stellten sich Arriba-Chef Ruud Swaen, die Strandhaus-Betreiber Aydin Farhadi und Nima Fard sowie Anne Rumpel von der Wasserski-Anlage den Fragen der Nachbarn. Evers versuchte gleich zu Beginn, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen – mit einem Mea culpa, einem Schuldeingeständnis. Überraschend bekannte der Stadtpark-Chef, dass etliche Veranstaltungen im Stadtpark in diesem Jahr deutlich über den Lärmpegel-Richtwerten lagen. Weil die Stadtpark GmbH schlichtweg von falschen Vorgaben ausgegangen war. „Wir hielten uns an Richtwerte für allgemeine Wohngebiete. Im Bereich um die Falkenbergstraße gelten allerdings die niedrigeren Werte für reine Wohngebiete. Ein Fehler, der im kommenden Jahr nicht mehr vorkommen wird“, sagt Evers. Bei etlichen Anwohnern sorgte dieser rechtliche Lapsus für ungläubiges Kopfschütteln. „Peinlich! Sie haben das Veranstaltungsmanagement nicht im Griff!“, rief einer dazwischen. „Wir sind ein junger Park. Und wir müssen lernen. Ein permanenter Prozess, den wir gemeinsam mit den Anwohnern begleiten wollen“, konterte Evers.
Er versprach, dass es 2015 keine Überschreitungen der Werte geben wird. Allerdings gewährten die Richtlinien zehn Veranstaltungen im Jahr, bei denen das geschehen darf. Dazu werden auch im kommenden Jahr die Pyrogames, das Parkfunkeln, das Festival am See der Musikwerkstatt oder das Straßenkunstfestival Parkperplex gehören. Anders sehe das beim Holi-Fest aus. „Da waren wir selbst erschrocken, wie laut das war“, sagte Arriba-Chef Ruud Swaen. Hämmernde Techno-Beats und nerviges Moderatoren-Gebrüll. Evers: „2015 wird es das Holi-Fest in dieser Form nicht mehr geben. Und wenn es nicht leiser geht, gar nicht mehr.“ Auch basslastige Trommeln werden im Park nicht mehr akzeptiert, etwa bei Trommel-Workshops oder anderen Veranstaltungen. Man habe zum Beispiel eine öffentliche Probe einer Samba-Gruppe in den Park geholt. „Keine gute Idee, das geben wir zu“, sagte Evers. Auch bei Konzerten am Sonntag soll künftig auf die mittägliche Ruhe geachtet und erst ab 15 Uhr losgelegt werden, so Evers.
Was das Strandhaus angeht, so hat Betreiber Aydin Farhadi bereits nach Beschwerden der Anwohner die Sound-Anlage so verändert, dass es keine Beanstandungen mehr gab, etwa bei den regelmäßigen After-Work-Clubs. „Außerdem werden wir ab sofort die privaten Feuerwerke bei Hochzeiten im Strandhaus verbieten“, sagte Evers.
Die Anwohner nahmen das alles teils wohlwollend zur Kenntnis. Doch für viele sind nicht laute Konzerte, Trommelkurse oder Feuerwerke das Hauptproblem im Park. Das sind eher lärmend feiernde Jugendliche oder Erwachsene nach Mitternacht, angetrunkene Party-Gäste, die sich beim Nachhauseweg in den Wohnstraßen lautstark unterhalten und Park-Besucher, die zu Großveranstaltungen den kompletten öffentlichen Parkraum blockieren. Ein Anwohner hat nach eigener Aussage 23 Stunden Videomaterial, das Ruhestörungen dokumentiert. Außerdem führe er ein eigenes Lärmpegelprotokoll mit Schallmessgerät. Der Anwohner: „Nur ein veranstaltungsfreies Wochenende hatten wir diesen Sommer, nur drei Sonntage, an denen nichts war. Ich muss sagen: Es reicht uns!“ Polizei und Ordnungsamt werden von mehreren Anwohnern kritisiert, weil die Behörden entweder gar nicht auf die Beschwerden reagieren oder ihnen nur mäßig nachgehen. „Im Sommer saßen regelmäßig bis in die Nacht Jugendliche vor meinen Grundstück im Park und haben Lärm gemacht. Wo war da eigentlich der private Sicherheitsdienst, der so was im Park abstellen soll. Hat der mitgefeiert?“, kritisierte ein Anwohner. Für eine gute Idee halten es viele der Anwesenden, wenn der Park in Zukunft um 23 Uhr abgeschlossen und um 7 Uhr wieder aufgemacht würde. „Wenn dann einer über den Zaun geht und feiert, dann muss er eine hohe Strafe bekommen. Beim nächsten Mal überlegt er sich das!“, argumentiert eine Dame. Außerdem plädieren einige Anwohner für das Absperren von Anwohnerstraßen bei Großveranstaltungen, um den Parkverkehr raus zu halten.
Kai Jörg Evers macht sich keine Freunde mit der Feststellung, dass die Stadtpark GmbH nicht für das Fehlverhalten feiernder Jugendlicher im Park verantwortlich ist. „Wir versuchen das einzudämmen. 50.000 Euro kostet der Sicherheitsdienst im Jahr. Vielleicht müssen wir die Einsätze optimieren“, sagt Evers. Mindestens 12.000 Euro würde es kosten, die Tore täglich zu- und wieder aufzuschließen. „Wir wollen aber den Park ganz bewusst offen halten – auch für Jogger, die hier schon von 4 Uhr an ihre Runden drehen oder das ruhige romantische Paar, dass nachts am Stadtparksee spaziert.“ Was den Parkraum angeht, so ist Evers eindeutig: „Der öffentliche Parkraum ist für alle da. Anwohner haben kein Vorrecht.“
Gegen Ende der Veranstaltung meldete sich ein Anwohner mit einer ganz anderen Meinung: „Ich wohne direkt hinter dem Bauernhof im Feldpark und finde den Park mit all seinen Veranstaltungen großartig. Und ich finde es nicht gut, wenn Jugendliche hier nur als Problem gesehen werden und es nur Programm für alte Menschen gibt.“ Auch für diese Meinung gab es anerkennendes Klopfen auf etlichen Tischplatten.