Auch Christina Meves und Sandra Scheck haben sich im Jugendcamp vermutlich mit dem Noro-Virus angesteckt. Alarmierend waren ihre Magenkrämpfe.
Henstedt-Ulzburg. Die Stimmung im Zimmer 22 der Station A ist leicht gedrückt. Ärzte, Schwestern und Pflegepersonal tragen Mundmasken, Einweg-Handschuhe und Schutzkittel, wenn sie den Raum betreten. "Aus Sicherheits- und Hygiene-Gründen", sagt Dr. Olaf Mindermann, Leitender Oberarzt der Inneren Abteilung.
Christina Meves, 17, aus Leverkusen und Sandra Scheck, 23, aus Münster liegen in Zimmer 22. Sie fragen: "Wann dürfen wir endlich wieder nach Hause?"
Christina und Sandra sind Diabetiker. Sie gehören zu den zehn Jugendlichen, die am Sonntag gegen fünf Uhr morgens mit mehreren Rettungswagen in die Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg eingeliefert worden waren. Sie hatten sich, so der Verdacht, beim viertägigen Diabetiker-Jugendcamp auf dem Landesturnierplatz in Bad Segeberg mit weiteren 200 Teilnehmern möglicherweise mit dem Noro-Virus angesteckt. Magenkrämpfe, Übelkeit und Durchfälle waren alarmierende Symptome.
Jutta Hartwieg, 49, Landrätin des Kreises Segeberg, bestätigte am Montag den Verdacht: "Jetzt ist es klar, es ist das Virus. Von den 22 Krankenhäusern, in die insgesamt 143 Diabetiker-Patienten eingeliefert worden waren, habe ich 26 positive Nachweise erhalten. Das ist ein ausreichender Nachweis." Die oberste Katastrophen-Chefin des Kreises Segeberg sagte aber auch: "Es gibt zum Glück keinen Hinweis auf einen ernsthaften Verlauf der Erkrankung."
Am Montagnachmittag war sie noch einmal zum Turnierplatz gefahren und hatte bei Unterredungen mit den Organisatoren des Jugendcamps - die waren dabei, das Gepäck zu ordnen und mit Taxis in die Krankenhäuser zu bringen - die Gewissheit erhalten, dass während dieser "gefährlichen Lage" alles "hervorragend" geklappt habe. Die Koordination zwischen Feuerwehr, Rettungsdiensten, Ärzten, Krankenhäusern, Arbeiter-Samariterbund, DLRG, Malteser-Hilfswerk und dem Deutschen Roten Kreuz sei perfekt verlaufen.
+++ Norovirus löste Epidemie aus +++
Jutta Hartwieg, die eigentlich gestern ihren Jahresurlaub antreten und mit ihrem Mann in ein kleines Seehotel im Chiemgau fahren wollte, hatte am Sonnabend zu Hause vor dem Fernseher gesessen. Als Fußballfan wollte sie sich das WM-Spiel der deutschen Frauen gegen Japan anschauen: "Darauf hatte ich mich sehr gefreut."
Die erste Halbzeit lief noch, da war es mit dem Fußballvergnügen vorbei. Zuerst meldete sich die Rettungsleitstelle in Norderstedt, die sofort eine kleine Spezialeinheit nach Bad Segeberg geschickt hatte. Außerdem wurde sie von dem Leitenden Notarzt und Organisatorischen Leiter des Rettungsdienstes, Dr. Boris Friege, stets auf dem Laufenden gehalten. Geschlafen hat sie in dieser Nacht nach eigener Aussage nicht.
Mit Blaulicht und Martinshorn jagten die Rettungswagen - jeder konnte jeweils nur einen Patienten in die Krankenhäuser bringen - durch die Nacht. Zu diesem Zeitpunkt wusste Jutta Hartwieg: Die Lage ist ernst. "Die Verdachtsfälle stiegen sprunghaft an, das kann besonders für Diabetiker gefährlich werden. Da befürchtete ich, dass wir die Lage vielleicht nicht mehr wuppen können, wenn wir nicht alle Kräfte mobilisieren. Aufgrund der Schnelligkeit der Verbreitung von Erbrechen, Bauchkrämpfen und Fieber unter so vielen Jugendlichen im Camp drohte schon früh die Gefahr, dass es sich um das Virus handeln könnte."
Sonntagfrüh richtete sie ihren Kommandostand im Landratshaus in Bad Segeberg ein. Hier liefen die Fäden zusammen, hier formulierte sie die aktuellen Nachrichten, die ihre Sekretärin an alle Medien verschickte.
Erste positive Nachrichten trafen ein: Einige Krankenhäuser schickten ihre Patienten nach Hause. Der Leitende Oberarzt Dr. Olaf Mindermann von der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg konnte am Montag keine Entwarnung geben: "Zwar haben wir inzwischen sieben Patienten nach Hause entlassen, aber noch liegen drei Patienten hier. Wir müssen die Ergebnisse der Stuhlproben abwarten, die in einem Labor in Hamburg-Hummelsbüttel untersucht werden. Das dauert in der Regel 48 Stunden." Lebensbedrohend sei dieses Virus zum Glück nicht.
Wie konnte es zu dieser Infektion kommen? Ärzte hatten zunächst vermutet, dass es sich möglicherweise um eine Lebensmittelvergiftung handeln könne. Was hatten die Campteilnehmer gegessen? "Es gab mittags immer ein Büfett", berichtete Sandra Scheck, die an der Universität in Münster "Soziale Arbeit" studiert. Später möchte sie im Gesundheitswesen arbeiten. "Am Sonnabend gab es Nudeln und Hackfleisch mit drei verschiedenen Soßen, als Alternative Tortellini mit Sahnesoße, dazu einen gemischten Salat. Es dauerte nicht lange, da ging es los. Ich war total schlapp, bekam Magenkrämpfe und Durchfall, musste mich erbrechen. Zum Glück erhielt ich bald eine Glukose-Infusion gegen meinen niedrigen Blutzucker."
Sandra Scheck geht es wieder besser. Sie hofft, dass sie heute entlassen wird. Ihre Zimmernachbarin Christina Meves lächelt sogar. Am frühen Nachmittag erhält sie die schriftliche Bestätigung der Ärzte: Christina darf noch am gleichen Tag wieder nach Hause.