Ausflugstipp für Neumünster. Ein Ehepaar präsentiert Werke berühmter Künstler und idyllische Gärten
Neumünster. Was erwarten die Besucher von einem Künstler aus Afrika? Masken! Und was zeigt er ihnen? Kanister! Masken aus Kanistern, Musikinstrumente aus Kanistern, Türme aus Kanistern, ein Mahnmal aus Kanistern - Romuald Hazoumè führt Menschen mit Sinn für Kunst und Fantasie den wichtigsten Gebrauchsgegenstand seines Heimatlandes Benin in Variationen vor, die sich irgendwo zwischen Ironie, Staunen und Entsetzen bewegen. Der gefährliche Schmuggel von gestohlenem Benzin in Kanistern gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des kleinen Staates. Hazoumè hat daraus Kunst gemacht - ein bisschen bizarr, fast immer befremdlich.
Was der Documenta-Preisträger Hazoumè aus Kanistern, Globalisierungskritik und Liebe zur Heimat geschaffen hat, ist in diesem Sommer in Neumünster in einem kleinen, aber überaus feinen Ort zu sehen. Die Gerisch-Stiftung präsentiert seit 2007 zeitgenössische Kunst von Weltrang und entwickelt sich zu einem Anziehungspunkt für Menschen aus ganz Norddeutschland im ansonsten profanen Neumünster in der Mitte Schleswig-Holsteins.
Man muss kein Kunstkenner sein, um die Ruhe und den Stil dieses Ortes zu lieben und sich von Bildern, Skulpturen und den Gärten beeindrucken zu lassen. "Man muss auch keine Spezialausbildung haben, um zeitgenössische Kunst zu verstehen", sagt Martin Henatsch, seit dem Jahr 2007 künstlerischer Leiter der Stiftung. Die Werke der Stiftung erfüllten höchste Ansprüche, sagt er. "Und wir erklären sie."
Der Rummel großer Galerien ist in der historischen Villa und auf dem 30 000 Quadratmeter großen Gelände fern. Die Stiftung des Ehepaares Brigitte und Herbert Gerisch garantiert Zeit, Stille und Idylle, um in einer norddeutschen Kunst-Oase seinen eigenen Eindrücken und Gefühlen nachzuhorchen. Gesellschaftspolitik, die sich zum Beispiel in den Werken des Afrikaners widerspiegelt, trifft auf die holsteinische Idylle.
Künstler vom Range Hazoumès und seine Ausstellung "My Paradise - Made in Porto-Novo" wirken gleichsam als Magnet für die Stiftung. Mit seinen Werken belegt er die historische Villa Wachholtz und das Atrium. Draußen im Skulpturenpark zeigt eine ständige Ausstellung Kunstwerke, die das Ehepaar Gerisch in jahrelanger Sammelleidenschaft zusammen getragen hat. Vor der Villa erstreckt sich der Harry-Maasz-Landhausgarten, ein strenges Gartenkunstwerk mit Ideen aus dem frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Zur Stiftung gehört außerdem der weitläufige Landschaftsgarten, der vom Flüsschen Schwale durchzogen wird.
Wer hier unterwegs ist, trifft mit Glück auf das Stifterehepaar Gerisch, das in einer modernen Villa am Rand des Geländes wohnt. Das Ehepaar hilft den Gästen auf einem Areal, das ihr Lebenswerk ist- mit Gesprächen, Informationen und Stuhl und Kissen. Kunst und Natur muss man nicht grundsätzlich erwandern. Eine stille Minute oder mehr auf einem Gartenstuhl in dieser Umgebung bedeuten mehr Inspiration und Muße als so mancher lange Marsch durch Endlos-Galerien.
"Die Herzlichkeit des Stifterpaares ist Teil der Stiftung geworden", sagt Henatsch. Brigitte Gerisch sitzt oft an der Kasse. Ihr Mann Herbert schaut im Park nach dem rechten und kümmert sich um die Finanzen. "Sie sind eine Einheit mit dem Park", sagt Henatsch. "Sie opfern dafür ihre Lebenszeit." Unterstützt werden sie dabei vom Stiftungsrat, dem unter anderen Jürgen Fitschen, Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, und Dirk Luckow, Intendant Deichtorhallen Hamburg, angehören. "Mein Job ist es, den Kontakt mit der internationalen Kunstwelt sicherzustellen", sagt Henatsch.
Dass die Villa und der Garten bis vor wenigen Jahren in Neumünster als Schandfleck galten, ist heute kaum noch zu fassen. In dem nahezu abbruchreifen Gebäude betrieb die Stadt eine Beratungsstelle. Der Garten war dermaßen verwildert, dass kaum noch ein Durchkommen war.
Doch die Geschichte des Areals geht noch weiter zurück. Wenige Wochen, bevor Villa und Park im Jahr 2007 eröffnet wurden, tauchte eine wissenschaftliche Arbeit mit einer für die Stiftung sensationellen Neuigkeit auf. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Villa, die der Papierfabrikant Paul Ströhmer bauen ließ, ein Ort der Kunst. Ströhmer widmete viele Jahre seines Lebens - ähnlich wie das Ehepaar Gerisch - der zeitgenössischen Kunst und sammelte. "Emil Nolde ging hier ein und aus", sagt Henatsch, der in diesen Monaten versucht, Werke des Expressionisten und anderer Künstler von damals im Herbst 2011 für einige Monate nach Neumünster zu holen. Das Nolde-Museum in Seebüll und das Sprengel-Museum Hannover haben bereits ihre Unterstützung zugesagt.
Auch an die Kunst, sich mit Niveau zu stärken, hat das Ehepaar Gerisch bei der millionenschweren Restaurierung der Villa gedacht. Schon für den Besuch des Cafés Harry Maasz im Erdgeschoss würde sich die Reise nach Neumünster lohnen. Chefin Andrea Schmahl serviert Kaffee, Kuchen und kleine Leckereien in vier Räumen, die nach historischen Plänen aus dem Jahr 1904 restauriert wurden. Bei gutem Wetter stehen Stühle und Tische auf der Terrasse im Schatten einer alten Blutbuche.