Diskussionstoff: Die Stadt zahlt 400 Euro an die Regionalschule Garstedt, damit diese einen Minijobber einstellt, der für die Schüler kocht.
Norderstedt. Es war eine kurze Meldung vor wenigen Tagen in unserer Zeitung, die in Norderstedt eine Grundsatzdiskussion über das Mittagessen in den weiterführenden Schulen entfacht hat: Die Regionalschule Garstedt sucht eine Köchin, die 16 Stunden in der Woche arbeitet und dafür 400 Euro bekommt, einschließlich bezahlter Schulferien. "Die Stadt zahlt Dumpinglöhne", lautete der Kommentar eines Lesers. Die Schule brauche sich nicht zu wundern, wenn sie für so wenig Stundenlohn niemanden findet, schrieb uns ein anderer Leser.
Bei 160 Tagen und 4800 Euro im Jahr bleiben 7,50 Euro pro Stunde, hat Schulleiter Gerhard Lühr ausgerechnet, der eigentlich gar nicht zuständig ist, denn: Arbeitgeber ist der Förderverein der Norderstedter Schule, der wiederum die 400 Euro von der Stadt bekommt, damit er die Köchin bezahlen kann, denn: Die Verwaltung darf laut Tarifvertrag keine Minijobber beschäftigen und löst das Problem, indem der Förderverein der Schule als Arbeitgeber fungiert.
60 bis 70 Essen gehen pro Tag an die Jungen und Mädchen raus
"Mehr Geld steht uns nicht zur Verfügung, weil es sich dann nicht mehr um einen Minijob, sondern um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis handeln würde", sagt Gabriele Kaste, Vorsitzende des Fördervereins der Regionalschule Garstedt. Das wäre eine Aufgabe, die die ehrenamtlich arbeitenden Eltern im Förderverein nicht bewältigen könnten - und auch nicht wollten.
Gabriele Kaste steckt in der Zwickmühle. Einerseits könne sie einen derartigen Niedriglohn nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Andererseits hält sie es aber für wichtig, dass die Kinder täglich frisch gekochte Mahlzeiten auf die Teller bekommen, die ausgewogen sind und die Jugendlichen mit Vitaminen und Ballaststoffen versorgen, nicht zu viel Fett enthalten und die Vorlieben der Schüler so weit wie möglich berücksichtigen. 60 bis 70 Essen gehen pro Tag an die Jungen und Mädchen raus.
2,50 Euro zahlen sie für ein Mittagessen, weniger als Schüler anderer Schulen. "Mit den Einnahmen können wir die Kosten bei Weitem nicht decken", sagt Gabriele Kaste. Um aus den roten Zahlen zu kommen, müsste das Essen fünf oder sechs Euro kosten - ein utopischer Betrag, den kein Vater und keine Mutter bezahlen würde. Selbst eine moderate Erhöhung um einen Euro würde, so die Vorsitzende des Fördervereins, wohl schon viele abschrecken. "Unsere Klientel ist eine andere als beispielsweise an den Gymnasien", sagt Gabriele Kaste.
Sie sieht nur eine Lösung: Die Stadt müsste eine Teilzeitkraft einstellen und ganz regulär nach dem Tarifvertrag bezahlen. Und eine zweite gleich dazu, die den Ganztagsbetrieb organisiert. Momentan ist ebenfalls eine Minijobberin damit beschäftigt, Angebote für den Nachmittag zu konzipieren, Übungsleiter zu finden und zu bezahlen. "Auch dafür geht viel mehr Zeit weg, als mit 400 Euro eigentlich abgegolten werden kann", sagt die Vorsitzende des Fördervereins.
An anderen Norderstedter Schulen liefern Caterer die Mahlzeiten
Schuldezernentin Anette Reinders hat durchaus Verständnis für den Wunsch aus Garstedt: "Natürlich würde ich mir auch wünschen, dass an allen Schulen und in allen Kitas täglich frisch gekocht wird. Aber das ist nicht zu bezahlen." Sie schätzt, dass die Stadt dafür mehrere Hunderttausend Euro im Jahr ausgeben müsste - Geld, das nicht da sei beziehungsweise für wichtigere Projekte wie beispielsweise die Schaffung weiterer Krippenplätze ausgegeben werden müsse. Auch bei der Stadt angestellte Teilzeitkräfte, wie sie die Vorsitzende des Fördervereins fordert, gebe das Budget nicht her.
Sie selbst habe erst vor Kurzem in der Mensa des Gymnasiums Harksheide gegessen, und es habe geschmeckt. Dort liefert ein Caterer die Mahlzeiten für die Mittagspause. "Auch diese Unternehmen kochen täglich frisch und achten sehr auf eine ausgewogene Ernährung", sagt die Dezernentin. Die meisten weiterführenden Schulen in Norderstedt lassen sich die Mittagsverpflegung bringen. Entweder verteilen die Mitarbeiter des Lieferanten das Essen oder, wie in Harksheide, Mütter. "Dadurch sparen wir eine Extra-Aufsicht für die Mensa ein", sagt Schulleiter Gerhard Frische.
Direkt aus dem Topf auf den Teller kommen Spaghetti oder Hähnchenschnitzel in der Willy-Brandt-Schule. Ute Lingenberg hat einen Vertrag mit der Stadt geschlossen und betreibt die Küche als Selbstständige zusammen mit fünf Helferinnen, die stundenweise bezahlt werden. "Leben kann man davon nicht, da kommt ein kleiner Zuverdienst heraus", sagt die gelernte Konditorin. Auf die Stunde umgerechnet, liege der Lohn weit unter dem Niveau von Mindest-, geschweige denn Tariflöhnen.
Doch das Geld steht für Ute Lingenberg nicht im Vordergrund. Sie engagiert sich, weil die Atmosphäre an der Norderstedter Gemeinschaftsschule so toll sei und sie ihren Teil dazu beitragen will. "Wir sind alle Mütter, ein Super-Team, und es macht unheimlich viel Spaß", sagt die Norderstedterin, die drei Kinder an der Schule hatte und auch den Schulkiosk betreibt. Drei Euro nimmt sie pro Essen, ein Glas Wasser inklusive. Ihr Angebot kommt an, rund 100 Essen teilt sie an vier Tagen pro Woche aus.