Die Zahl der Verfahren nahm gegenüber 2009 noch einmal zu. Justizminister Busemann (CDU) sagt Internet-Kriminalität den Kampf an.

Hannover. Die Fahnder in Niedersachsen haben im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK) weiterhin alle Hände voll zu tun. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) meldete am Dienstag in Hannover einen Höchststand der Ermittlungen für das vergangene Jahr. Danach ging die Polizei im Nordwesten mit den Kollegen von Bundespolizei, Zoll und Bundeskriminalamt in 67 Fällen gegen Tatverdächtige vor. 2009 waren es noch 55 Verfahren. Der Anstieg zeige, dass Delikte wie Drogen- und Waffenhandel oder Geldwäsche den Rechtsstaat bedrohten: "Es kann auch den einfachen Bürger treffen.“

Vor allem im Rockermilieu und im Internet gibt es nach Angaben von Sicherheitsexperten illegale Geschäfte, Erpressung und Betrug. Den durch die OK entstandenen Schaden schätzten die niedersächsischen Ermittler 2010 auf über 35 Millionen Euro – 1,3 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Die spezialisierten OK-Dezernate an den elf Staatsanwaltschaften im Land spürten am häufigsten mutmaßlichen Rauschgifthändlern nach. Der Schmuggel mit unversteuerten Zigaretten und anderen Gütern landete in der Statistik auf dem zweiten Platz.

Schweren Raub und Schutzgeld-Erpressungen bis hin zur Tötung von Mitgliedern rivalisierender Gruppen gebe es dagegen in den straff organisierten Rockerverbänden, berichtete Schünemann: "Sämtliche Gangs versuchen, bestimmte Territorien zu beherrschen.“ So hätten die Hells Angels in Hannover ihr wichtigstes regionales Standbein und die Mongols einen Ableger in Stade eröffnet.

Die Debatte um ein Verbot von Rockerclubs werde vorangetrieben, versicherte der Innenminister. Wegen der schwierigen juristischen Lage – den Banden muss die Gefährdung des Rechtsstaats konkret nachgewiesen werden – habe möglicherweise nur die Schließung lokaler "Chapter“ Aussicht auf Erfolg. Nach Erkenntnissen der Ermittler haben die Clubs in Niedersachsen inzwischen über 500 feste Mitglieder.

Die Opposition forderte Schünemann auf, die Rocker-Kriminalität stärker anzugehen. „Dazu sollte er sich mit Amtskollegen aus Ländern und Bund verständigen“, verlangte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann. SPD-Innenexperte Klaus-Peter Bachmann zeigte sich "erstaunt“ über den Zuwachs der OK: „Bisher hat Herr Schünemann immer nur von sinkenden Kriminalitätsraten gesprochen.“ Allerdings hatte der Innenminister bei der Vorlage der Zahlen betont, dass diese auch ein Beleg für bessere Ermittlungsarbeit seien.

Auch das Internet werde von immer dreisteren Verbrechern genutzt, sagte Justizminister Bernd Busemann (CDU). Zur Bekämpfung von Betrügern, Waffen- und Menschenhändlern sowie Pädophilen-Netzwerken will er drei neue Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einrichten. Sie sollen in Göttingen, Verden und Osnabrück ihre Arbeit aufnehmen. Die Zentrale Stelle OK und Korruption der Generalstaatsanwaltschaft Celle wird ebenfalls ausgebaut. Mehr Personal soll Busemann zufolge vorerst aber nicht eingestellt werden, der Finanzbedarf werde noch geprüft.

Die Anonymität des globalen Datennetzes locke eine wachsende Zahl von Cyber-Gangstern an, sagte der Minister. Während das Internet vor fünf Jahren noch in knapp 15 000 Fällen "Tatmittel“ gewesen sei, habe man 2010 mehr als 48.000 Delikte registriert. Eine Neuregelung der 2010 gekippten Vorratsdatenspeicherung sei deshalb unverzichtbar.

Doch auch jenseits der elektronischen Kriminalität fielen 2010 viele Niedersachsen auf großangelegte Abzocke herein. So gelang es einer "Balkan-Gruppe“, mit massenweise gefälschten Fahrzeugbriefen TÜV-Zulassungen für in Italien gestohlene Autos zu erschleichen. Vorläufiger Schaden: mindestens 1,3 Millionen Euro. (dpa/abendblatt.de)