Acht Jahre nach der Fusion der Unikliniken Lübeck und Kiel stehen die Zeichen auf Trennung. Der Wissenschaftsrat empfiehlt diesen Schritt.

Kiel/Berlin. Die Universitätskliniken Lübeck und Kiel werden künftig wohl getrennte Wege gehen – wenn das Land der Empfehlung des Wissenschaftsrates folgt. Das Beratungsgremium plädierte am Freitag dafür, die Fusion des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) weitgehend rückgängig zu machen. Die Gründe: Der 2003 vollzogene Zusammenschluss habe wirtschaftlich nichts gebracht und schränke die Entwicklung der Standorte ein.

Für denkbar hält der Wissenschaftsrat aber auch eine Holding als Dachorganisation für zwei weitgehend voneinander unabhängige Standorte. Die Gutachter raten nach Angaben des Kieler Wissenschaftsministeriums zur Bildung von universitätsmedizinischen Zentren. Minister Jost de Jager (CDU) sagte, es gehe nun vor allem darum, wie diese Empfehlung konkretisiert werden könne, um den Handlungsspielraum des Landes zu erweitern. Er will aber auch prüfen, ob eine Umsetzung der Ratschläge negative wirtschaftliche Auswirkungen haben kann.

Der Wissenschaftsrat empfiehlt in seinem Gutachten für das UKSH eine „standortindividuelle Weiterentwicklung in Forschung, Lehre und Krankenversorgung“. Für die Zukunft der Kliniken sei es entscheidend, akademische Vertreter direkt an allen Entscheidungen zu beteiligen. Dies sei bislang nicht der Fall. Aus der Opposition im Kieler Landtag kam erneut harsche Kritik an einer möglichen Privatisierung des Klinikums oder einer Trennung der Standorte.

Über die Zukunft des Klinikums mit seinen über 10 000 Mitarbeitern in Kiel und Lübeck wird seit Jahren erbittert gerungen. Viele Gebäude sind seit langem stark modernisierungsbedürftig; der Sanierungsstau beträgt mehrere hundert Millionen Euro. Ob zu seiner Auflösung das Unternehmen privatisiert werden muss, ist heftig umstritten.

Die Fusion hat nach Meinung des Wissenschaftsrats eine positive wissenschaftliche Entwicklung der Standorte nicht unterstützt, sondern aufgrund starker Zentralisierung der Entscheidungsstrukturen sogar eingeschränkt. Das Gremium kritisiert in seinem Gutachten auch den gemeinsamen Medizinausschuss, der unter anderem für die Verteilung der Landesmittel zuständig ist. Er habe nicht die nötige Akzeptanz und sollte deshalb aufgelöst werden.

Das Kieler Wissenschaftsministerium kündigte an, die Ratschläge nach der Sommerpause auszuwerten. Das UKSH wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben. „Wir müssen das erst auswerten“, sagte Pressesprecher Oliver Grieve. Er betonte aber: „Die Fusion spart dem Land jedes Jahr 20 Millionen Euro.“

Im Gespräch waren in den vergangenen Wochen verschiedene Modelle für das UKSH, darunter eine vollständige oder teilweise Privatisierung. Auf diese Weise könnten Geldgeber dringend nötige Investitionen tätigen. In einem „Markterkundungsverfahren“ hatten Interessenten unter anderem Konzepte vorgelegt, die allein die Privatisierung des Standortes Lübeck vorsehen. De Jager sagte mit Blick auf das Verfahren, auch eine getrennte Ausschreibung der beiden Standorte sei denkbar.

Das Votum des Wissenschaftsrates, das 2009 vom Land erbeten wurde, ist für die Politik nicht bindend. Minister de Jager sagte, der Wissenschaftsrat sei eingeschaltet worden, weil die Kooperation zwischen Kiel und Lübeck nicht wirklich gelebt worden sei. Die Kliniken hatten sich 2003 zusammengeschlossen und einen Sanierungskurs eingeleitet.

Für die FDP bekräftigte die parlamentarische Geschäftsführerin Katharina Loedige die Auffassung, dass die Fusion komplett missglückt sei. „Nun werden wir vom Wissenschaftsrat bestätigt.“ Aus Sicht der SPD-Fraktion gibt es weder einen sachlichen Grund für ein Rückgängigmachen der Fusion noch für eine Privatisierung. Auch die Grünen wollen das UKSH als Ganzes erhalten. Andernfalls gingen Synergie- und Effizienzgewinne verloren, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Andreas Tietze. „Die Privatisierung profitabler Filetstücke wird deutlich erleichtert, während das Land für die kostenträchtigen Ausbildungs- und Forschungsaktivitäten weiterhin aufkommen muss“, kritisierte Tietze. Die Linke forderte, die Politik müsse dem UKSH Zeit geben, um die Fusion vernünftig zu bewältigen. (dpa)