Acht Jahre nach der Fusion der Universitätskliniken Lübeck und Kiel stehen die Zeichen auf Trennung. Die Lübecker Uni hofft auf mehr Freiheit.

Kiel. Die Fusion des Uniklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel und Lübeck soll nach den Vorstellungen des Wissenschaftsrats wieder rückgängig gemacht werden. Das geht aus dem Entwurf für einen Abschlussbericht des Gremiums vor. Der Grund: Der Zusammenschluss habe nichts gebracht, die Standorte könnten allein besser bestehen. Damit gibt der Wissenschaftsrat der Politik eine Richtung vor, auch wenn sein Votum nicht bindend ist. Endgültig will er erst am 8. Juli entscheiden. Kritiker sprachen von ökonomischem Unsinn. Der Lübecker Uni-Präsident Peter Dominiak wittert dagegen mehr Freiheit.

Das Kieler Wissenschaftsministerium werde im Sommer mit den Hochschulen beraten, wie die Empfehlungen umgesetzt werden können, sagte Staatssekretärin Cordelia Andreßen am Donnerstag. Es sei aber noch unklar, wie bei einer Trennung die weitere wirtschaftliche Sanierung des UKSH mit seinen rund 10 000 Mitarbeitern bewerkstelligt werden solle. Die Kliniken hatten sich 2003 zusammengeschlossen und einen harten Sanierungskurs eingeleitet.

Bei den Beratungen wird es auch um verschiedenen Modelle für das UKSH – unter anderem Privatisierung oder eine Teilprivatisierung - gehen, mit denen das Land dringend nötige Investitionen ermöglichen will. In einem „Markterkundungsverfahren“ hatten Interessenten unter anderem Konzepte vorgelegt, die allein die Privatisierung des Standortes Lübeck vorsehen.

Der Wissenschaftsrat erkennt „keine wesentlichen Verbesserungen der wissenschaftlichen, klinischen und wirtschaftlichen Leistungen der Universitätsmedizin“ durch die Fusion, heißt es in dem Papier, das der dpa vorliegt und über das die „Lübecker Nachrichten“ zuerst berichtet hatten. Erzielte Einsparungen hätten auch durch eine enge Kooperation erreicht werden können. Auch die räumliche Entfernung hält das Gremium für ein Problem ebenso wie die Struktur mit zwei Fakultäten und einem Uniklinikum.

Der Wissenschaftsrat beklagt zu wenig Einfluss der Fakultäten im Verhältnis zum Uniklinikum – etwa bei der Mittelvergabe, sieht aber nicht die nötige enge Abstimmung der beiden Universitäten, um das Machtgefälle auszugleichen. Auf Kritik stößt auch der gemeinsame Medizinausschuss, der unter anderem für die Verteilung der Landesmittel zuständig ist. Für denkbar hält das Gremium es, das UKSH als Dachorganisation für zwei weitgehend voneinander unabhängige klinische Standorte auszugestalten.

Nach Ansicht des Lübecker Unipräsidenten Peter Dominiak könnte seine Hochschule mit einem eigenständigen Uniklinikum besser und enger kooperieren als mit dem UKSH. „Wir könnten dann hier endlich so agieren, wie wir das für notwendig erachten und müssten uns nicht mehr vom Medizinausschuss vorschreiben lassen, was zu tun ist“, sagte Dominiak. Nach den Plänen des Präsidiums soll die Uni in eine Stiftung überführt werden, um finanziell unabhängiger vom Land zu werden. Das könnte auch gemeinsam mit dem Lübecker Uniklinikum geschehen, meinte Dominiak. Auch eine Privatisierung hält er für denkbar.

Das UKSH wollte sich zu der Position des Wissenschaftsrats am Donnerstag nicht äußern. „Wir respektieren den Zeitplan des Wissenschaftsrates“, sagte Sprecher Oliver Grieve. Vorstandschef Jens Scholz hatte sich aber zuletzt deutlich gegen eine Trennung gewandt: „In Zeiten, in denen sich Kliniken zusammenschließen, um Schlagkraft zu beweisen, ist eine Defusion volkswirtschaftlicher Unsinn – das Land spart durch die Synergieeffekte der Fusion jährlich 20 Millionen Euro.“ Er warnte vor einer Konkurrenz zweier „dann drittklassiger“ Uniklinika.

Der Ärztliche Direktor des Campus Lübeck, Professor Klaus Diedrich, steht der Empfehlung zurückhaltend gegenüber. „Ich bin eher ein Befürworter der Fusion, weil die Bündelung durchaus wirtschaftliche Vorteile bringt. Wir haben bei der Sanierung des Klinikums ja schon eine Menge erreicht, und ich glaube, dass wir aus dem noch verbliebenen Minus gemeinsam besser rauskommen, als jeder für sich“, sagte Diedrich. Statt einer neuen Kehrtwende solle man lieber versuchen, alle Potenziale der Fusion auszuschöpfen. „Die Behauptung, Lübeck subventioniere den Campus Kiel, ist nie wirklich belegt worden“, sagte er.

Die CDU im Landtag stehe dem Vorschlag des Wissenschaftsrates offen gegenüber, sagte der hochschulpolitisches Sprecher Daniel Günther. Auch die FDP schließt keine Möglichkeit aus. SPD, Linke und Grüne kritisierten aber eine mögliche Trennung. „Weder ökonomisch noch medizinisch macht es Sinn“, sagte Jürgen Weber von der SPD. Dem Grünen Andreas Tietze zufolge erschwert eine Trennung eine Gesamtlösung für das Klinikum, das unter einem Investitionsstau von 700 Millionen Euro leidet. Auch die Linken-Abgeordnete Antje Jansen warnte davor: Überlegungen zu einer Trennung seien zwar nachvollziehbar, eine Privatisierung müsse aber immer ausgeschlossen sein.

(dpa/abendblatt.de)