Das Bundeskriminalamt ermittelte, dass im Norden pro 100.000 Einwohner weit mehr Fahrräder verschwinden, als im Bundesdurchschnitt.

Bremen/Hamburg. Die Hochburg des Fahrraddiebstahls liegt in Norddeutschland. Genauer: Die Plätze eins bis drei der aktuellen Diebstahl-Statistik des Bundeskriminalamtes gehen an Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Und um das Negativ-Ranking für den Norden zu komplettieren, reiht sich Niedersachsen auf Platz fünf ein. Das Ranking - bezogen auf Diebstähle pro 100.000 Einwohner - basiert auf den Zahlen des BKA vom vergangenen Jahr. In diesem Zeitraum wurden deutschlandweit 345.347 Fahrräder als gestohlen gemeldet. Das entspricht zwar einem Rückgang der erfassten Diebstähle zum Vorjahr von 3,5 Prozent, dennoch werden pro Tag fast 1000 Fahrrädern gestohlen. Die Dunkelziffer dürfte nach Expertenmeinung noch erheblich höher liegen.

Bremen führt die Negativliste übrigens mit beträchtlichem Abstand an: In dem Bundesland verschwanden bezogen auf 100.000 Einwohner dreimal so viele Fahrräder wie im bundesdeutschen Durchschnitt.

Die Daten des BKA analysiert und bewertet nun der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC). Laut ADFC-Sprecherin Bettina Cibulski hat die extreme Häufung der Diebstähle im Norden einen schlichten Grund: „Das Nord-Süd-Gefälle kommt aus unserer Sicht dadurch zustande, dass es im Norden einfach viel mehr Fahrräder pro Kopf gibt." Außerdem sei das Anzeigeverhalten bei Fahrraddiebstahl im Norden ausgeprägter.

Eine weitere Ursache für den Diebstahl sind laut ADFC die oft mangelhaften Möglichkeiten, Fahrräder anzuschließen - gerade an Bahnhöfen: „Je besser die Abstellanlagen, desto geringer die Diebstahlquote“, sagt Cibulski, die selbst seit fünf Jahren täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt und noch nie bestohlen wurde – obwohl sie in Bremen lebt.

Laut ADFC werden Fahrradstellplätze bei Bauvorhaben oft nicht eingeplant und - wenn überhaupt - erst nachträglich provisorisch geschaffen. Mitte September 2010 veröffentlichte die Verbraucherzentrale eine Untersuchung von 361 deutschen Bahnhöfen, die die Sicherheit der Abstellanlagen mit der Note Vier bewertete. Zudem sind viele Stellplätze nicht im Boden verankert oder beleuchtet und es stehen grundsätzlich zu wenig Plätze zur Verfügung.

Die Motive der gefassten Fahrraddiebe lagen hauptsächlich im Bereich der Beschaffungskriminalität: Durch den Verkauf gestohlener Fahrräder finanzieren sich viele Junkies ihre Drogensucht. Beweggrund ist oft aber auch organisierter Diebstahl. In Kleinstädten werden Fahrräder häufig gestohlen, um nach einem Kneipenbesuch schneller nach Hause zu kommen.

Die Aufklärungsquote der Diebstähle ist übrigens weiter konstant niedrig: Bremen - in diesem Bereich jahrelang Schlusslicht - konnte 2009 aber erstmals die rote Laterne an Hamburg abgeben. Die Elbmetropole erreicht 3,9 Prozent Aufklärungsquote. Positiv fällt hier Magdeburg auf: Die Stadt kommt durch eine eigens eingerichtete Sonderermittlungsgruppe auf eine Aufklärungsquote von 36 Prozent. Der deutsche Durchschnitt liegt bei elf Prozent.

Eine wichtige Rolle spielt nach Meinung des ADFC die Tatsache, dass Fahrraddiebstahl weiter als Kavaliersdelikt gelte und die Hemmschwelle äußerst niedrig sei – gerade wenn das Fahrrad nicht oder mit einem leicht zu öffnenden Schloss angekettet ist. Der Schaden durch Fahrraddiebstahl beläuft sich in Deutschland offiziell auf rund 124 Millionen Euro.